In der umfangreichen Kunstsammlung des Bambergers Joseph Heller (1798–1849), die nach seinem Tod vollständig der Königlichen Bibliothek (heute Staatsbibliothek) seiner Heimatstadt übergeben wurde, befinden sich einige Werke des in Nürnberg geborenen Künstlers Hans Hoffmann (1530–1591).
Neben einem Skizzenblatt (SBB, Sign. I A 80) oder dem Flügel einer Blauracke (SBB, Sign. I A 13h) wird auch ein kleinformatiges Schulterstück aufbewahrt, das den bärtigen Apostel Paulus (SBB, Inv.-Nr. Gem.43) zeigt.
Der zum christlichen Glauben Bekehrte ist im Halbprofil vor dunklem Grund dargestellt. Das dünn gewordene Haar fällt ihm in die Stirn, die Augenbrauen sind kritisch zusammengezogen und der Blick ruht ernst auf den Betrachter*innen.
Dass dieser Ausdruck recht vertraut erscheint, mag daran liegen, dass der nicht zuletzt für seine Dürer-Nachahmungen berühmte Hoffmann einen Bildnistypus aufgriff, den Albrecht Dürer (1471–1528) bereits Jahrzehnte zuvor geprägt hatte und in dem 1526 entstandenen Porträt des Nürnberger Ratsherren Hieronymus Holzschuher perfektionierte (Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, Ident.Nr. 557E). Das Patrizierbildnis, das bereits in frühen kunsthistorischen Publikationen als lebendige, einfache und kunstreiche Darstellung nach der Natur (Heller Dürer 1827 II, S. 228) gerühmt wurde, war bis 1884 in Besitz der Familie Holzschuher, befand sich also über Jahrhunderte in Nürnberg. Im selben Jahr, in dem Dürer den befreundeten Ratsherren porträtiert hatte, schuf er sein berühmtes Diptychon „Die vier Apostel“, das noch bis 1627 im Nürnberger Rathaus hing. In der ausdruckstarken Gestaltung von Paulus‘ Gesicht (München, Alte Pinakothek, Inv.-Nr. 540) entdeckten Betrachter*innen eine Ähnlichkeit zu Holzschuher (Heller Dürer 1827 II, S. 202).
Wie andere Künstler hatte Hoffmann in Nürnberg Kontakt zu Vertreter*innen der reichstädtischen Oberschicht. Er kopierte Dürers charakteristische Darstellung des prominenten Holzschuher-Ahnen (Germanisches Nationalmuseum, Inv.-Nr. Gm1417). Für den Kopf des Apostel Paulus' übernahm er den Darstellungstypus und überlagerte damit in gewisser Weise ebenso wie Dürer die etwa ein halbes Jahrhundert zuvor porträtierte Person und die biblische Gestalt.
Gemeinsam mit zahlreichen weiteren Werken von Hoffmann befanden sich sowohl die 1578 entstandene Kopie des Holzschuher-Bildnisses als auch der Apostel Paulus im sogenannten „Praunschen Kabinett”, einer über Jahrhunderte gewachsenen Kunstsammlung, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts geschlossen von der besitzenden Familie veräußert wurde. Diese beauftragte bereits vor 1797 Christoph Gottlieb von Murr (1733–1811) ein Verzeichnis anzufertigen. 1801 erwarb u.a. die Nürnberger Kunsthandlung Frauenholz die Sammlung, deren Verkauf sich über Jahrzehnte hinzog. 1824 sandte der Nürnberger Kunsthändler Johann Andreas Boerner (1785–1862) einen Brief an Heller, unterzeichnet mit „p[e]r proc[ura] J.F. Frauenholz“ (SBB, JH.Comm.lit.5). In diesem kündigte er die baldige Lieferung von Kunstwerken an, die der Bamberger sich zuvor in Nürnberg ausgesucht hatte. Ausgezeichnet mit einem Preis von 88 Gulden ist „1 S. Paulus, v. H. Hofmann, No 28. des P. v. Praun. Catal: wo jedoch d. Apostel falsch benannt” sei. In Murrs Katalog ist das Gemälde als „St. Jean Baptiste“ bezeichnet (Murr 1797, S. 5, Nr. 28).
Ausstellungshinweis
„Hans Hoffmann – Ein europäischer Künstler der Renaissance“
Vom 12. Mai bis 21. August 2022 veranstaltet das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg erstmals eine monographische Ausstellung zum Künstler. Auch sein Apostel Paulus wird dort zu sehen sein.
Link zu duerer.online,
dem Virtuellen Forschungsnetzwerk Albrecht Dürer, einem Projekt der Universitätsbibliothek Heidelberg, der Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg und der Albrecht-Dürer-Haus-Stiftung e.V.
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