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Kind, Karriere, Kunstgeschichte?
Gerade geht es wieder durch die Presse, dass die Geburtenrate in Deutschland konstant niedrig bleibe, Frauen deutlich schlechter bezahlt und in höherem Maß von Altersarmut betroffen seien.
Die Kunstgeschichte ist bekanntermaßen keine Vorbilddisziplin in Sachen familienfreundlicher Personalpolitik. Wie viele Kunsthistorikerinnen kennt man, die glücklich Familie und Karriere unter einen Hut bekommen? Und wie viele Frauen saßen damals mit im Studium? Entweder schieben sie ihren Kinderwunsch auf den Sanktnimmerleinstag oder verschwinden nach dem ersten Kind wie von Zauberhand von der Bildfläche.
Nach einigen beruflich erfolgreichen Jahren in der Schweiz bin ich nach Deutschland zurückgekehrt, um hier eine Familie zu gründen. Seit ich Mutter bin, muss ich leider feststellen, dass für mich scheinbar sämtliche Türen zum beruflichen Erfolg verschlossen bleiben. Ich habe aus der Not eine Tugend gemacht und meinen Beruf einfach selbst erfunden, indem ich freie Beraterin von Museen in der Realisierung von Digitalisierungsprojekten geworden bin. Doch von meinem Traum, Kuratorin einer grafischen Sammlung zu werden, kann ich mich wohl verabschieden.
Warum schaffen wir es nicht, familienfreundliche Arbeitszeiten an Museen durchzusetzen? Warum wird allerorten am Volontariat festgehalten und damit bewußt in Kauf genommen, dass die frisch eingearbeiteten Mitarbeiter mit all‘ ihrem Wissen sofort wieder das Haus verlassen? Der Hinweis auf das knappe Budget kann hier nicht ausreichend greifen, denn der Verlust von Know-How und das Verhindern eingespielter Arbeitsabläufe kosten sehr viel Geld. Wenn von jungen Kunsthistorikern verlangt wird, mindestens alle zwei Jahre den Ort zu wechseln, kann man damit keine Familie gründen und gleichzeitig die Karriere verfolgen, denn eine wichtige Voraussetzung für ein funktionierendes Familienleben ist eine gewisse räumliche Kontinuität, um ein Netzwerk an helfenden Personen überhaupt aufbauen zu können.
Daher wünsche ich mir bessere Rahmenbedingungen, die kontinuierlichere berufliche Laufbahnen ermöglichen – indem beispielsweise das Volontariat durch eine langfristige kuratorische Assistenz ersetzt wird (die natürlich besser bezahlt ist), indem Stellen geteilt und damit auch von jungen Müttern bewältigt werden können, indem bewußt jungen Akademikerinnen mehr Mentoringmodelle angeboten werden. Ich bin gespannt auf weitere Vorschläge.
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- Allgemein, Kulturpolitik, Museumswesen
8 Kommentar(e)
Halb so schlimm
Mit der Promotion wachse ich jetzt überhaupt in den Beruf hinein nach einer ausgiebigen Erziehungszeit. Ich hätte nie gedacht, dass "lernen" nochmal so viel Spaß macht und Beruf mit Kindern überhaupt. Ich finde es spannend mit großen Kindern mitzulernen, vielleicht auch zu ranken... Für mich ist Berufstätigkeit ein zweites Lebensprojekt geworden. Zugegebernermaßen hatte ich auch große Zweifel, aber letztlich wollte ich gerade auch vor meinen Kindern als Akademikerin Vorbild sein. Ich kann für heute nur feststellen: wo ein Wille ist, ist immer auch ein Weg und gerade Kinder können sehr viel Kraft geben und Antrieb sein. Ich bereue nicht, nach dem Magister in die Familienarbeit zu 100 Prozent abgetaucht zu sein und staune, heute nochmal eine berufliche Chance zu haben. Für KunsthistorikerInnen fährt der Zug inhaltlich nicht so schnell ab wie beispielsweise in den Naturwissenschaften. Bei der derzeitigen Familienpolitik kann ich heute das 100prozentige Abtauchen und abhängig machen in der Ehe allerdings nicht mehr vertreten. Ich denke beide Geschlechter sollten beide Pflichten teilen: Erziehungs- und Lohnarbeit. Das kommt auch den Kindern zugute. Das ist ein Familienmodell, das gar nicht neu ist, sondern in der Agrargesellschaft bereits gelebt wurde. Und dann noch: es wachsen keine Bäume in den Himmel. Auch wenn beide Eltern berufstätig sind, schafft eine Familie keine 80-Stunden-Woche, auch nicht mit Kinderbetreuungsplätzen. Es hat eben alles seinen Preis und Kinder sind immer eine Herz gegen Kopf-Entscheidung. Ich habe heute keine Angst mehr vor der Altersarmut. Mir sagte jemand: Da käme ich nicht hin, weil ich zu aktiv bin. Das ist auch nicht neu: Es hängt sehr viel vom eigenen Engagement und natürlich auch etwas Glück ab... und den richtigen Leuten im richtigen Moment.
Ich bin seit fast zwei Jahren selbständig für die private Kunstförderung und im Kulturtourismus tätig, Doktorandin und habe mit 47 Jahren vier Kinder im Alter von 12 bis 20 Jahren. Ich finde, dass ich durch die Familienarbeit Kompetenzen und ein menschliches Verständnis erworben habe, das mir gerade in der Kulturarbeit zugute kommt. Ich schätze die Kompatibilität der Freiberuflichkeit mit meinen Familienpflichten. Ich glaube, dass Weiterbildung sehr viel zur beruflichen Zufriedenheit beiträgt.
Bitte
Ich wollte nur noch einmal ergänzen, dass mir solche Beiträge zur "politischen Willensbildung" gerade auch in das weblog hineinzupassen scheinen, und dass wir hiervon noch viel mehr gebrauchen könnten!
Warum immer nur die Frauen?
Eine wichtige Beobachtung. Aber eines vermisse ich an dieser wie auch an ähnlichen Diskussionen zum Thema "Akademikerinnen mit Kindern": Was ist denn mit den dazugehörigen Vätern?
Nur mal als Beispiel: Warum arbeiten Sie nicht wie gehabt Vollzeit und streben weiter eine Postition als Kuratorin an, und Ihr Mann kümmert sich um die Kinder? (Die Antwort ist klar: Weil das vom Arbeitsmarkt eben auch nicht gestattet wird.)
Mit dieser Frage bzw. Erwartung werden die meisten jungen Väter aber vor vorneherein gar nicht erst konfrontiert. Das Problem, wie man Kinder und Beruf vereinbart, meinen immer nur die Frauen für sich lösen zu müssen. Die besorgte Frage, die standardmäßig schwangeren Frauen gestellt wird: "Und wie machst du das dann mit dem Job?" sollte einfach mal öfters an werdende Väter gerichetet werden.
Danke
Liebe Autoren, ich freue mich sehr über so viele ermutigende Rückmeldungen. @ Cecily: In unserem Fall ist es sogar so, dass wir beide Eltern uns die Aufgaben teilen (etwa 60 % / 40%). Dennoch muss ich für mich einen Weg finden, will ich nicht in irgendeinem Teilzeitsekretärinnenjob enden. @ Hubertus Kohle: Danke für die vielen Anregungen und Ideen. Für dieses Blog wünsche ich mir ein Forum für junge Selbständige, einen Austausch origineller Ideen, wie man abseits der bekannten Wege neue Laufbahnen entwickeln kann - natürlich für beide Geschlechter...
Seien Sie konsequent
Wieso gleich nach den Autoritäten rufen? Social tagging geht bottom up und bedarf der sowieso ahnungslosen Bosse nicht!
Ranking
Es könnte ein Ranking der besten und beliebtesten Praktikums-Anbieter aufgebaut werden, analog dem bestehenden Ranking der beliebtesten Arbeitgeber (wo BMW, Google, etc. weit oben stehen). Ein wichtiges Kriterium wäre dann faire Bezahlung, ein anderes etwa interessante Tätigkeiten, noch ein anderes kollegiales Klima.
Und das Ganze dann angesiedelt am Münchner Institut für Kunstgeschichte, finanziert durch ein paar Tausender von der DFG; und für vollen Einsatz bürgt die Institutsleitung. :-)
Womöglich widmen sich dem Thema mit Realitätsbezug auch ein paar empirische Forschungsarbeiten.
Das würde mal wirklich was verändern und den KunsthistorikerInnen-Sackgassen-Karrieren ein Ende setzen.
yono
Wichtiger Beitrag
Vielen Dank. Das ist ein wichtiger Beitrag - wie auch der Hinweis auf die Inflation der Volontärsstellen! An verschiedenen Ausstellungshäusern und Museen werden zudem die Bereiche Öffentlichkeitsarbeit und Pressearbeit mit Volontären, oftmals Kunsthistorikern, besetzt (Mathildenhöhe Darmstadt) oder in solche Stellen umgewandelt (Museum Giersch, Frankfurt).
Ein weiterer Punkt ist auch die drohende Altersarmut.
Wichtiger Beitrag
Das wäre "social tagging", wenn sich die etablierten Professoren und Professorinnen da mit Nachdruck einsetzen und wirklich etwas verändern würden. Nicht nur mit Lippenbekenntnissen.