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Susan Philipsz gewinnt Turner-Preis

Susan Philipsz hat den renommierten Turner-Preis gewonnen. Das ist insofern interessant als die Künstlerin im Bereich der Klangkunst arbeitet und damit eigentlich den Rahmen dieses Preises, der üblicherweise an einen Vertreter der 'visual arts' vergeben wird, sprengt. Aber Philipsz Arbeiten sind eben keine Aufführungen, sondern Klanginstallationen, die in starkem Maße mit den skulpturalen Qualitäten von Klang arbeiten und als ortspezifische Installationen den öffentlichen Raum zum integralen Bestandteil machen. Ein der nominierten Arbeit vergleichbares Projekt hat die Künstlerin 2007 unter dem Titel 'The Lost Reflection' für die 'Skulptur Projekte Münster' realisiert. An den beiden gegenüberliegenden Ufern des dortigen Aasees hat sie unter den Pfeilern einer ziemlich hässlichen Brücke Lautsprecher installiert, in denen in regelmäßigen Abständen ein Duett aus Hoffmanns Erzählungen erklingt: Das Spiegelbild der Protagonistin hat sich verselbständigt und singt ihr über das Wasser hinweg eine Barcarole vor. Philippsz hat beide Stimmen selbst aufgenommen und zu einer Klangcollage inszeniert, die mal als Wechselspiel, mal als Überlagerung erklingt. Auch hier war der über das Wasser schallende Sound, der durch die Brückenarchitektur reflektiert wurde, eine beeindruckende Inszenierung, die eine völlig neue Sicht auf diesen Ort, aber auch auf die Vorlage provozierte. Denn durch die Repräsentation der Stimmen durch Lautsprecher (als technische Medien) werden neue Formen der medialen Vermittlung thematisiert und der klassischen Medialität des Spiegelbilds gegenüber gestellt.

Diese Preisvergabe ist also in jeglicher Hinsicht zu begrüßen und macht zudem noch einmal deutlich, dass die herkömmlichen Gattungsgrenzen, innerhalb derer sich auch kunsthistorische Forschung und Lehre häufig noch bewegt, immer wieder neu in Frage zu stellen sind. Selbstverständlich haben  spezialisierte Preise und Ausschreibungen ihre Berechtigung. Dies darf aber nicht auf Kosten von Arbeiten gehen, die sich dezidiert 'zwischen den Stühlen' bewegen.

 

Die münstersche Installation kann man übrigens sonntags immer noch erleben - sofern die Lautsprecher nicht eingefroren sind...

2 Kommentar(e)

  • Volker Schümmer
    14.07.2011 09:42

    Vom 10. Juli bis 25. September 2011 ist im Ludwig Forum für Internationale Kunst in Aachen die Klanginstallation "Seven Tears" von Susan Philipsz zu hören. Auf der Ausstellungshomepage heißt es unter anderem:
    "Für die Aachener Ausstellung hat Philipsz sieben historische Musikstücke aus dem späten 16. und frühen 17. Jahrhundert zusammen geführt. Alle Stücke werden von der Künstlerin a capella gesungen. Das Thema Wasser spielt inhaltlich eine wichtige Rolle und stellt eine enge Beziehung zu Aachen her, der Stadt der heißen Wasserquellen. Das Zusammenspiel der Klangstücke folgt einer präzisen Choreografie und besetzt das gesamte Erdgeschoss des Ludwig Forum auf einer Fläche von rund 3000 Quadratmetern. Herzstück ist die zentrale Halle, ehemals die Produktionsstätte der früheren Schirmfabrik Emil Brauer, die in den späten 1920er Jahren entstanden ist."

  • Volker Schümmer
    07.12.2010 12:45

    Auf youtube kann man einen kleinen akustischen und optischen Eindruck der Installation "Lowlands" beim Glasgow International Festival of Visual Art 2010 erhalten, für die Susan Philipsz mit dem Turner-Preis ausgezeichnet wurde.

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