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Der Affenspiegel – satyrische Wochenschrift

„Die Leser des „Affenspiegels“ werden demnach einmal Leute gewesen sein, die durch ihre geistige Vorbildung nicht in der Lage waren, den hohlen und eitlen Schwulst zu durchschauen und das Nichts dahinter zu erblicken, die nicht geübt genug waren, Kitsch und Rührseligkeit von wahren, starken Gefühlen zu trennen.“ (Charlotte Rösemeier, 1938)

Der Affenspiegel ist eine von vielen Satirezeitschriften, die mit wechselnden Untertiteln als „satyrisch-politische“ Wochenschrift ab Mai 1901 in München erschienen. Die Erfolgsgeschichte des Affenspiegels – für die dritte Ausgabe wurde die Auflage vom Verlag etwas vollmundig mit 105.000 angegeben – war nur von kurzer Dauer, denn im selben Jahr wurde die Zeitschrift schon nach der Nr. 21 wieder eingestellt. Bis Februar 1902 wurde der Affenspiegel mit der Zeitschrift Frührot vereint weiter geführt.

Mit ihrem auffallend großen Format (Ausgaben 4-12) von 67 x 37 cm und ihren meist zweifarbigen Titelbildern, stach sie schon rein optisch aus dem reichen Angebot der Münchner Satireblätter heraus. Bedeutende Zeichner waren u.a. R. L. Leonard, Paul Roloff und Max Köppen, die auch für andere, weitaus bekanntere Blätter wie die Jugend und den Simplicissimus tätig waren. Von Roloff stammt auch das hier abgebildete Titelbild der Nummer 10, das den Namen der Zeitschrift sinnfällig ins Bild setzt. Was uns heute modern und ansprechend erscheint, hatte durchaus Kritiker. „Der einzige äußere Vorzug des „Affenspiegels“ ist der, dass es unmöglich ist, dieses journalistische Machwerk zu übersehen. Die Titelbilder erinnern in Aufmachung und Text an manche Plakate der Nachkriegszeit. Künstlerischen Wert haben sie ebensowenig wie die Bilder und Zeichnungen im Text.“ Zu diesem vernichtenden Urteil kam Charlotte Rösemeier in ihrer Abhandlung Münchener satirische Zeitschriften 1900-1921, die 1938 in Würzburg erschien.

Für die inhaltliche Ausrichtung des Satireblattes waren Robert Heymann als Herausgeber und Valentin Karl als Redakteur verantwortlich und neben einigen sehr starken Beiträgen, die sich mit Menschenrechtsverletzungen im kolonialen Kontext, der Ausbeutung der Industriearbeiter und der kirchlichen Doppelmoral beschäftigten, fielen die sehr flachen und sexuell anzüglichen Witze und Gedicht, die den größten Teil des Blattes ausmachten, leider stark ab. Rösemeier bezeichnet den Affenspiegel gar als „[e]ine Zeitschrift, in der alle hohen Werte der Menschen mit Füßen getreten wurden […]“, nennt ihn „schwülstig“ und beschuldigt Heymann, sich billiger Mittel zur Auflagensteigerung zu bedienen, nämlich „der Reize des Liebeslebens“. Es ist deshalb im Sinne des Zeitgeistes nicht weiter verwunderlich, dass das Blatt aufgrund seiner deutlich antiklerikalen, obrigkeits- und kapitalkritischen Ausrichtung allein in Bayern elf Mal mit Kolportageverbot belegt wurde. Zudem wurden die Ausgaben Nr. 7 und Nr. 25 in Wien respektive München konfisziert. Im zweiten Fall wurde der verantwortliche Redakteur sogar zu einer sechswöchigen Haftstrafe verurteilt. In einer „Mitteilung am 25. Februar 1902“ wenden sich Robert Heymann und der Verlag an Mitarbeiter und Abonnenten: „Der Herausgeber, welcher sich bewußt ist, sowohl in der Leitung der Wochenschrift „Affenspiegel“, wie in der Zeitschrift „Frührot“ stets frei und furchtlos für das Recht gestritten zu haben, tritt hiermit vom Schauplatze seiner bisherigen Tätigkeit ab, um sich rein künstlerischen Arbeiten zu widmen.“

In der Rückschau wirkt gerade die anarchistische, schonungslose Bildsprache der Titelblätter, die menschliches Leid, martialische Attribute, Knochenberge und andere Horrorvisionen darstellen, wie eine Vorwegnahme der Schrecken der sich ankündigenden Revolutionen, Kriege, sozialen Umwälzungen und des Holocaust.

Abbildungen

  1. Paul Roloff, Titelseite, Der Affenspiegel, 1. Jahrgang, Nr. 10, 1901
  2. Paul Roloff, Nanett‘, Der Affenspiegel, 1. Jahrgang, Nr. 8, 1901, S. 3 (Detail)
  3. N. S., Titelseite, Der Affenspiegels, 1. Jahrgang, Nr. 5, 1901

 

Der Affenspiegel – digital
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