blog.arthistoricum.net

Das #arthistoCamp 2019

Gewissermaßen als Aufwärmübung zum Kunsthistorikertag konnte man sich am 26.3. zum “ArthistoCamp” zum Thema Digitale Forschung zu den Dingen in Göttingen einfinden. Barcamps sind ein eher spontanes Format, bei dem Interessierte aus verschiedenen Richtungen zusammenfinden und gemeinsame Themen diskutieren können. Nach einer kleinen Erklärung über den Ablauf und einer Vorstellungsrunde, bei der sich alle TeilnehmerInnen unter drei (manchmal sehr langen) Hashtags vorstellten, wurden Themenvorschläge für die Diskussionsrunden gesammelt und in den “Stundenplan” eingetragen. 

Der Aufforderung, Sessions vorzuschlagen – egal ob spontan oder vorbereitet, ob mit Vorkenntnissen zum jeweiligen Thema oder ohne – folgten zahlreiche BarcamperInnen, so dass mit knapp 20 angebotenen Sessions fast alle zeitlich und räumlich verfügbaren Slots gefüllt waren. Jeweils vier bis fünf Sessions fanden parallel zueinander statt, so dass wir nur an einem Teil davon teilnahmen und davon berichten können.

Session "Graphik im digitalen Raum" nach oben

Unsere Session widmete sich der Frage, wie Graphik im digitalen Raum aktuell zugänglich gemacht wird und was hier wünschenswert wäre. Georg Schelbert hat den Kontext der Graphik online in einem Beitrag auf diesem Blog prägnant zusammengefasst: “Keine andere Kunstgattung profitiert von der Digitalisierung so stark wie die Graphik”.
Wir hatten uns im Vorfeld des Barcamps dazu Gedanken gemacht und stellten in unserer Session sechs Thesen zum Thema zur Diskussion. Fragen, wie “Inschriften transkribieren, transliterieren, übersetzen – zu welchem Zweck?” oder “Wie steht es um die sammlungsübergreifende Exemplarsuche?” sind – so lässt zumindest unsere Erfahrung aus der Diskussion schließen - nach wie vor relevant und bedürfen der Formulierung von Anforderungen aus dem Publikum, aber auch entsprechend orientierten Umsetzungen seitens der Institutionen, an denen Daten erzeugt werden. Standardisierungsversuche wie sie etwa im Graphikportal (https://www.graphikportal.org/) unternommen werden sowie deren Kommunikation sind fortlaufende Aufgaben und werden wohl auch zukünftig ein relevantes Arbeitsfeld sein.
Ein separater, ausführlicherer Text unsererseits zum Thema dieser Session ist in Vorbereitung.

Session "SPARQL" nach oben

Es steht außer Frage, dass die Query-Sprache SPARQL eine mächtiges Abfragewerkzeug für Linked Data sein kann. Allerdings ist sie auch schwer zu erlernen, zu beherrschen und anzuwenden, so dass die Praxis des “SPARQLns” bislang nicht allzu weit verbreitet ist. Vor diesem Hintergrund stellt sich für Datenanbieter die Frage, ob die Bereitstellung eines SPARQL-Endpoints überhaupt sinnvoll ist, und wenn ja, wie dieser gestaltet sein sollte.
Mehrere unterschiedlichen Strategien sind hierfür denkbar. Beispielsweise ließen sich Abfragen aus verschiedenen Auswahlfeldern “zusammenklicken”, ohne dass SPARQL-Code tatsächlich eingegeben werden müsste. Ein Nachteil wäre hierbei allerdings, dass man durch die vorgegebenen Auswahlmöglichkeiten in der Formulierung der Abfrage eingeschränkt wäre. Ein anderer, innovativer Ansatz ist die Übersetzung von natürlichsprachlich gestellten Fragen in SPARQL-Ausdrücke. Auch hier ist es jedoch kaum möglich, durch den Übersetzungsalgorithmus alle durch SPARQL gebotenen Möglichkeiten abzudecken. Ferner ist aus didaktischer Sicht zu bedenken, dass SPARQL-Kenntnisse umso weniger vermittelt werden können, je tiefer man den SPARQL-Code hinter einer grafischen Benutzeroberfläche “versteckt”.
Schließlich wurde festgestellt, dass es immer noch an Applikationen oder Use Cases mangelt, die so überzeugend sind, dass sie ein größeres Publikum für SPARQL zu begeistern vermögen. Diese aus der Perspektive (oder zumindest unter Beteiligung) der Digitalen Kunstgeschichte zu entwickeln, könnte eine reizvolle Herausforderung sein.

Session "Methoden" nach oben

Als einer der spontanen Themenvorschläge wurde in der “Methoden-Runde” diskutiert, ob bzw. welche Methoden der klassischen Kunstgeschichte im digitalen Raum reproduziert oder ggf. weiterentwickelt werden. Die Runde startete mit der Frage, inwiefern digitale Technologien unsere Behandlung und Beschreibung des Objektes beeinflussen, sowie mit einem kleinen Brainstorming zu analogen und digitalen Methoden und Werkzeugen. Dabei befand man, dass gerade im digitalen Raum eine Form des Distant Viewing, des Überblicks über Massen, möglich sei, wie sie analog nicht zu nachzuvollziehen ist und belebte damit die Vorstellung des digitalen Raumes als (unendlicher?) Wissensspeicher, wie ihn schon Vannevar Bush visioniert hatte. Allerdings konkretisierten sich diese Gedanken nicht. Vielmehr weitete sich die Diskussion bald aus in ein allgemeineres Nachdenken über den Stand der Kunstgeschichte und wie sie sich angesichts des digitalen Wandels positionieren sollte. Dabei wurde u.a. die Frage gestellt, was die Aufgabe der Kunstgeschichte im digitalen Zeitalter sein könnte. Einer der Vorschläge war, den subjektiven Blick gegenüber der (vermeintlichen) Objektivität einer Computer Vision hervorzuheben – was wiederum einer Polarisierung zwischen Analog und Digital folgt. Auch dies entspricht, so war man sich einig, nicht den aktuellen Gegebenheiten. Vielmehr überlagern sich klassische und digitale Formen der Wissensverarbeitung und Präsentation in der wissenschaftlichen Praxis.

Session "Netzwerke" nach oben

Auch kunstgeschichtliche Daten werden gerne als Netzwerke modelliert und in Form von Graphen visualisiert. Meist geht es dabei um Personen – vorrangig Kunstschaffende – die als Knoten repräsentiert werden, und die Beziehungen zwischen ihnen, die die Kanten bilden. Doch wie generiert man überhaupt die Daten, aus denen dann das Netzwerk gebildet wird? Zwei Hauptprobleme wurden in dieser Session angesprochen: Bei besonders großen Netzwerken aus hunderten Knoten ist die Datenerfassung mühsam und langwierig – könnten hierzu nicht bereits digital vorliegende Daten einfach automatisch in ein netzwerkanwendungskonformes Format konvertiert werden? Dies ist sicherlich möglich, doch sollte man auch die Vorteile der manuellen Eingabe direkt in z.B. Gephi  erwägen, ist doch die intensive intellektuelle Beschäftigung mit dem jeweiligen Einzelfall auch ein Weg zum Erkenntnisgewinn.
Als weitere Herausforderung wurde die Vermeidung des Bias genannt, der droht, wenn man sein Netzwerk konstruiert, indem man bei einer als zentral angesehenen Person beginnt und von dieser ausgehend nach Verbindungen zu weiteren Personen sucht. Als Ergebnis einer solchen Herangehensweise wird in der Regel nur die bereits zuvor angenommene Zentralität der Ausgangsperson (scheinbar) bestätigt. Abhilfe kann hier schaffen, stattdessen mit der systematischen Auswertung der Quellen zu beginnen, aus denen sich die Beziehungen zwischen den Knoten herstellen lassen. Dies könnten beispielsweise Ausstellungskataloge sein, aus denen gemeinsame Ausstellungsteilnahmen als Beziehung zwischen Künstlerinnen hervorgehen.

Session "IIIF" nach oben

In dieser Session wurde nicht nur International Image Interoperability Framework (IIIF) vorgestellt, sondern auch der Prototyp einer konkreten Anwendung im Mirador-Viewer für arthistoricum.net. Die Vorteile des Frameworks für NutzerInnen liegt vor allem in seiner Unabhängigkeit von einzelnen Institutionen und seiner Interoperabilität. IIIF umfasst vier Schnittstellen (APIs), die jedoch auch einzeln bzw. in unterschiedlichen Kombinationen genutzt werden können. Auch dieser modulare Aufbau und die stetige Weiterentwicklung der APIs macht das Framework zu einer interessanten Technologie für Auffinden, Präsentation und Nutzung von Bildern im Internet. Am Beispiel des Mirador Viewers zeigten die Drei aus der SLUB, wie für NutzerInnen von arthistoricum.net das Sammeln, Vergleichen und Annotieren von Bildern möglich ist. Datengeberinnen für diese Mirador-Instanz sind bislang die Bilddatenbanken der Universitätsbibliothek Heidelberg (heidICON) und der Deutschen Fotothek. Dieser Anfangspool soll mit der für den Sommer geplanten Veröffentlichung um weitere größere Bildquellen ergänzt werden. Aber auch für kleine Institutionen könnte arthistoricum.net dank IIIF eine niedrigschwellige Option zum Teilen und Verbreiten ihrer Bilddaten darstellen.

Vorstellung NFDI nach oben

Nach all diesen spontanen und interaktiven Barcamp-Sessions gab es dann doch noch einen traditionellen Frontalvortrag: Holger Simon stellte die nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) vor, ein groß angelegtes DFG-Förderprogramm, das künftig “die Datenbestände von Wissenschaft und Forschung systematisch erschließen, nachhaltig sichern und zugänglich machen sowie (inter-)national vernetzen” soll (vgl.: https://www.dfg.de/foerderung/programme/nfdi/). Unter den vorgeschlagenen Einzelkonsortien ist “NFDI4Culture” dasjenige, durch das sich die Kunstgeschichte am ehesten repräsentiert sehen könnte. Daneben gibt es jedoch Überlegungen zu anderen geisteswissenschaftlich ausgerichteten NFDI-Verbünden. Welche davon letztendlich gefördert bzw. überhaupt erst beantragt werden, steht noch in den Sternen. Der nächste Meilenstein auf dem Weg zur Umsetzung wird die erste NFDI-Konferenz am 13. und 14.5. in Bonn sein.

Fazit nach oben

Als aufgelockerte Alternative zum klassischen Vortrag bot das Barcamp die Möglichkeit Gleichgesinnte kennenzulernen bzw. Interessengruppen zu bilden und auch Fragen zu diskutieren, die vielleicht sonst kaum oder weniger konkret verhandelt werden. Auch wenn sich einige BarcamperInnen an das “Du” erst gewöhnen mussten, ermutigt gerade die Spontaneität des Formats vielleicht auch sonst eher passive TeilnehmerInnen dazu, sich in Diskussionen zu engagieren oder Fragen zu stellen. Die unterschiedlichen Hintergründe der TeilnehmerInnen fördern außerdem einen Blick quasi aus der eigenen Bürotür heraus sowie das Interesse am Finden von Gemeinsamkeiten.

Wünschenswert für ein etwaiges weiteres ArthistoCamp wäre eine kurze abschließende Plenumsrunde, bei der die Ergebnisse aus den Einzelsessions noch einmal für alle zusammengefasst werden.

Über die Autoren nach oben

Martin de la Iglesia ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt “Kommentierte digitale Edition der Reise- und Sammlungsbeschreibungen Philipp Hainhofers (1578-1647)” an der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel sowie Promotionsstudent im Fach Kunstgeschichte an der Universität Heidelberg.

Julia Rössel ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt “Kupferstichkabinett Online”, das ebenfalls an der  HAB angesiedelt ist, und befasst sich im Rahmen ihrer Promotion mit Transformationsprozessen bei der Digitalisierung von Graphischen Sammlungen.

0 Kommentar(e)

Kommentar

Kontakt

Kommentar

Absenden