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Die Subvention der akademischen Monographie und die Krise der amerikanischen Universitätsverlage: „Wer subventioniert wen?“

Es muss wohl jedem bekannt sein, dass die meisten akademischen Print-Publikationen über verschiedene Wege subventioniert werden und nicht zuletzt über die Einkäufe wissenschaftlicher Bibliotheken. Amerikanische Universitätsverlage können meistens nicht mehr als 600 bis 800 Exemplare ihrer Bücher umsetzen. Die Hälfte geht an Bibliotheken und das sind selbstverständlich Bücher in der aktuellen ‚Weltsprache‘. Wenn es um kleinere Sprachen geht, müssen die Zahlen erheblich niedriger sein. In Italien z. B. wirkt das ganze Verlagswesen wie eine einzige riesige ‚Vanity Press‘. Man fragt sich u. a., wie das sogenannte, heute hoch gepriesene Peer-Review Verfahren in so einer verfilzten Lage zu funktionieren hat.

Wahrscheinlich wären nur 100 Exemplare der meisten akademischen Monographien mehr als ausreichend, um die Nachfrage weltweit zu befriedigen – sicherlich für die Kunstgeschichte durch die Verteilung der Werke an weit weniger als 100 Fachbibliotheken.

Manche Gattungen der Kunstliteratur wie z. B. der Ausstellungskatalog schaffen es, ein breiteres Publikum zu erreichen. Meistens bietet das Internet dagegen – natürlich in Open Access – die Möglichkeit, Tausende von Lesern mühelos anzuziehen und dabei auch engere Fachgrenzen zu überspringen: nicht nur die vertrauten, herkömmlichen Fachkreise, sondern auch die unterschiedlichsten interessierten Leser aus allen Bereichen des Lebens. Digitale Technologien erweitern potenzielle Zielgruppen exponentiell und sie bieten einen leistungsstarken neuen Weg, um neue Zielgruppen zu erreichen.

Die Besucher, die in die Museen hineinströmen, sind nicht überwiegend Kunsthistoriker. Dass es ausgerechnet Kunsthistoriker sind, die die gedruckten Publikation einer digitalen Verbreitung bevorzugen, ist ein Zeugnis dafür, dass die akademische Veröffentlichung häufig eine vornehmlich zweckdienliche Rolle spielt, zuerst bei der Suche nach einem Platz im akademischen Beruf und später nach einem fortschreitenden Werdegang. Wer seine Elaborate lieber gelesen haben will, greift nach dem Digitalen.

 

Neulich hat Patrick Bahners über solche Themen in der FAZ geschrieben, in Zusammenhang mit der Krise der amerikanischen Universitätsverlage („Wer subventioniert wen?“; 4. Juni 2014, Seite N4). Auszüge aus seiner Überlegungen folgen:

(...) Die beiden Beispiele für unwahrscheinliche Bestseller [„Mama Dip’s Kitchen“ und Thomas Pikettys „Capital“] nennt Scott Sherman in einem Artikel der linken Wochenzeitschrift „The Nation“ [s. unten] zur Lage der amerikanischen Universitätsverlage, der in diesen Tagen für Diskussion sorgt.

Sherman, dessen Artikel über die nun verworfenen Umbaupläne der New York Public Library [online; siehe:http://www.thenation.com/article/179879/battle-42nd-streetmit weiteren Links] viel Aufmerksamkeit fanden, hat mit Verlegern großer und kleiner Universitätsverlage gesprochen. Er fasst eine Debate zusammen, die schon seit den späten neunziger Jahren eine Folge von Strategiepapieren und Manifesten hervorgebracht hat. Die 1937 gegründete Association of American University Presses, die Shermans Aufsatz zur Lektüre empfiehlt, hat mehr als 130 Mitglieder, davon eine Handvoll in Übersee. Das Kerngeschäft dieser Verlage ist nach wie vor die akademische Monographie, gewöhnlich die Buchfassung der Dissertation, an deren Überarbeitung in Amerika höhere Ansprüche gestellt werden als in Deutschland.


Der Absatz ist seit 1970 rückläufig, weil Bibliotheken immer weniger Titel bestellen. 2012 verkündete die University of Missouri die Schließung ihres Verlages. Stattdessen bot die Universität ihren Professoren einen studentischen Lektoratsservice an. Nach Protesten wurde die Entscheidung zurückgenommen.

Shermans Gewährsleute in den Verlagen geben an, vor zehn Jahren hätten sie mit dem Verkauf von 1000 Stück einer normalen Monographie, also des ersten Buches eines unbekannten Autors, an Bibliotheken kalkulieren können. Seitdem ist dieser Wert auf 300 bis 400 Stück gefallen – ein Rückgang um 60 bis 70 Prozent in einem Jahrzehnt. Wenn sich ein solcher Spezialtitel gut verkauft, kommt noch einmal die gleiche Menge an Exemplaren für Privatkunden hinzu; im Normalfall decken die Bibliotheken mehr als die Hälfte des Absatzes ab.

Immerhin ist die Zahl der Lehranstaltsbibliotheken, die ein bestimmtes Buch erwerben, immer noch drei- bis vielmal höher als die Lehranstalten, die einen Verlag unterhalten. Die allermeisten University Presses sind auf eine jährliche Subvention ihrer Alma Mater angewiesen; sie bewegt sich zwischen 150 000 und 500 000 Dollar. Obwohl die Ankaufsetats der Bibliotheken sinken, ist die Macht der Bibliothekare gewachsen, da sie nicht mehr die gesamten Listen akademischer Verlage blind ordern. In dieser Lage sind einige Universitätsverlage ihren Bibliotheksdirektoren unterstellt worden. Einige Verleger klagen, hier werde der Bock zum Gärtner gemacht, da die Bibliothekare häufig Anhänger des Open-Access-Systems der kostenlosen Zwangsverteilung von Publikationen seinen.
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Da die Universitäten durch ihr verlegerisches Engagement indirekt die Publikationen von Angestellten anderer Universitäten finanzieren, handelt es sich bei ihrem Verlagswesen um eine große Umverteilungsmaschine. Wie hoch der Anteil der Autoren ist, die in Institutionen jenseits des Kreises der 130 Verlagsbesitzer arbeiten und etwas von deren Wohlstand abbekommen, überschlägt Sherman nicht. Im öffentlichen Elektropostumlauf wurde am häufigsten die Stelle des Artikels zitiert, an der er anhand eines Beispiels die Gegenrechnung aufmacht: „Wenn die University of Colorado Press die Monographie eines jungen Gelehrten in Dartmouth publiziert, die dem Autor dort eine feste Stelle einträgt, subventioniert die University of Colorado Press im Ergebnis mit ihrem sehr bescheidenen Budget Dartmouth, das ein Stiftungsvermögen von 3,7 Milliarden Dollar und außerdem einen eigenen kleinen Verlag besitzt.“

Die amerikanische Ausgabe von Pikettys Bestseller ist womöglich ein Symptom für die vom Autor beklagte ungerechte Verteilung des Kapitals. Die Verlage der Universitäten Harvard, Princeton und Yale verfügen über eigene Stiftungsvermögen. Sherman wirbt dafür, dass die Universitätsverlage den Konzentrationsprozess nachvollziehen, der bei den großen Publikumsverlagen fünf Konzerne übriggelassen hat. Zusammenschlüsse sollen die Kapazitäten für die Entwicklung digitaler Produkte schaffen, das Geld sollen die reichsten Universitäten geben.


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