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Lücke oder Kreativität? Zur Familienpolitik

Gastbeitrag von Anne Fischer

Vor der bevorstehenden Wahl und der familienpolitisch intendierten Schaffung von Kinderbetreuungsplätzen mit Rechtsanspruch möchte ich mich im Zusammenhang auf den damals bereits kommentierten Beitrag von Gudrun Knaus vom 18.12.2012 äußern und auf den Artikel „Liebe auf Distanz“ von Margarete Moulin, in: „Die Zeit“, Nr. 37, vom 5.9.13, S. 65 verweisen.

In diesem Artikel ist das, „seit Jahren frauengerechte Ideal aus Kinderbetreuung und Berufstätigkeit, das in Frankreich herrscht und als Vorbild präsentiert wird“, kritisch hinterfragt. Dort ist zu lesen, dass „sich in Frankreich eine Bewegung formiert, die hierzulande überdeckt wurde vom Begeisterungs-Hurra über den eigenen Krippenplatzausbau.“ Oder, dass „sich in Frankreich der Beginn einer Gegenbewegung erkennen lässt und sich immer mehr Frauen gegen den gesellschaftlichen Konsens sträuben, nach dem das Ansehen einer Frau steigt, wenn sie kurz nach der Geburt ihres Kindes wieder beruflich einsteigt, es aber rapide sinkt, wenn eine Mutter entscheidet, mit ihrem Kind zu Hause zu bleiben.“ Dort ist ein Kinderarzt zitiert, der benennt, dass „der persönliche Preis, den Eltern und Kinder für diese Familienpolitik bezahlten, hoch sei.“

Über diesen persönlichen Preis ließe sich lange debattieren. Dies möchte ich nicht. Jedoch möchte ich eine fachspezifische Überlegung anstellen hinsichtlich der flächendeckenden Schaffung von Kinderbetreuungsplätzen, dem perfekten Management, Zeitplanen, dem Takten und Funktionieren.

Kreative und Kulturschaffende „funktionieren“ oft (und manchmal auch nur) anders, gerne im eigenen „Chaos“. Sie können labil, nicht sonderlich belastbar und unzuverlässig wirken. Sie nehmen sich den Rückzug als schöpferischen Moment. Darin lassen sie sich inspirieren und pflegen ihre subtile Wahrnehmung, manchmal lange und ohne erkennbares Ergebnis. Sie folgen ihrer Intuition und machen manchmal auch Quatsch bzw. Experimente, Erfahrungen. All das leben auch Kinder, je kleiner, desto mehr - und ihre Eltern mit. Je mehr ich mich darauf einlassen kann, desto stärker kann ich mich in der Erziehungsarbeit machen – und ich möchte an dieser Stelle Kulturarbeit dazu sagen - durch zwei Eigenschaften: Hingabe und Demut (vor den Prinzipien des Lebens nicht vor denen „kleiner Tyrannen“). Ich fand diese (so religiös besetzten) Ideale nicht chic, ich kannte sie eigentlich gar nicht. Heute fühle ich mich gerade darin sicher, sowohl in der Familienarbeit als auch im Job, wo ich mit Menschen – nicht nur Kindern – zu tun habe, die ein „anderes“ Klima brauchen und verbreiten.

Deshalb wünsche ich mir, dass

1. Erziehungsarbeit öffentlich als Kompetenzerwerb und Gewinn („soft skills“) anerkannt und wertgeschätzt wird und zwar insbesondere für die Kreativ- und Kulturwirtschaft.

2. demzufolge im Zusammenhang von Familien- und Lohnarbeit nicht mehr vom „arbeiten Gehen“ oder eben „nicht arbeiten Gehen“ oder gar dem „Erziehungsurlaub“, sondern vom „Geld verdienen“ und Ähnlichem gesprochen wird.

3. für Erziehungsarbeit eine angemessene, durchlaufende Altersvorsorge gesichert ist, denn schließlich erfüllen Eltern normalerweise und selbstverständlich umgekehrt ihre gesetzliche Fürsorgepflicht.

4. Eltern die freie Wahl haben – immer.

5. die Arbeitswelt, insbesondere die Kultur- und Kreativwirtschaft dynamisiert auf die unterschiedlichen Lebensphasen mit Schwerpunktverlagerung zwischen Familien- und Lohnarbeit eingestellt ist und dies selbstverständlich für beide Geschlechter.

6. dass Rückkehrer für ihre Leistung bezahlt werden und nicht für ihren Bedarf, weil sie etwa gar „bedürftig“ geworden sind.

Also was wähle ich am Sonntag? Ich finde mich nach meinem politischen Hauptinteresse für Bildungs- und Familienthemen, meinen persönlichen Überzeugungen, eigenen beruflichen Erfahrungen und individuellen Einschätzungen für die Kulturwirtschaft derzeit in keiner Partei wieder.



1 Comment(s)

  • ih
    15.10.2013 11:31
    Ich fand den Rat...

    des Bundespräsidenten an die Neuwähler dann doch sehr praktisch. Wenn man sich (noch) nicht vertreten fühlt, dann solle man wählen, was am wenigsten Schaden anrichtet. Das ist aber jetzt wiederum Schnee von gestern. Danke für den Beitrag. :)

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