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National Portrait Gallery vs. Wikimedia

 

Wie unter anderem Heise berichtet, ist es zu einem Streit zwischen der Londoner National Portrait Gallery (NPG) und der Wikimedia-Foundation, der in den USA ansässigen Trägerorganisation der Wikipedia, gekommen. Was war passiert? Der Wikipedia-Administrator Derrick Coetze hatte 3200 hochauflösende Bilder auf das zur Wikipedia gehörende, freie Medienarchiv Wikimedia Commons hochgeladen, die er zuvor von der Website der NPG heruntergeladen hatte. Inzwischen haben die Anwälte der NPG Coetze schriftlich dazu aufgefordert, die Bilder bis zum 20. Juli wieder zu entfernen und kündigen bei Nichteinhaltung rechtliche Schritte an. Die Wikimedia-Foundation zeigt sich mit Coetze solidarisch, indem sie erklärt, dass das Vorgehen des Users aus Ihrer Sicht nicht zu beanstanden sei, wird aber bei einem Rechtstreit wohl nicht Partei ergreifen.

 

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Abgesehen davon, dass sich die Situation allein durch die unterschiedlichen Rechtsauffassungen der USA (Wikimedia Foundation) und Großbritannien (National Portrait Gallery) kompliziert gestaltet, zeigen sich daran viele Aspekte, die im Zusammenhang von Urheberrecht und digitalem Bild problematisch sind. 2004 hat ein ZEIT-Artikel diese Thematik kritisch beleuchtet.

Die NPG ist natürlich nicht im Besitz des Urheberrechts der originalen Gemälde, da dieses schon längst abgelaufen ist. Die Gemälde selbst sind also gemeinfrei. Die NPG verweist aber auf ihr Urheberrecht an den Reproduktionen, die für die Nutzung auf Websites oder im Printbereich gewinnbringend verkauft werden. In Deutschland kommt in diesem Zusammenhang die sogenannte Schöpfungshöhe zum Tragen: eine Reproduktion kann dann urheberrechtlich beansprucht werden, wenn zur ihrer Erstellung eine bestimmte Schöpfungshöhe erreicht ist. Wie genau diese zu bestimmen ist, wird von Fall zu Fall anders interpretiert. Bei den fraglichen digitalen Reproduktionen der NPG kann kaum eine kreative Eigenleistung beansprucht werden, haben die Bilder doch den Zweck, das jeweilige Werk möglichst originalgetreu abzubilden. So verweist die NPG auch auf den finanziellen und technischen Aufwand, der betrieben wurde. Schöpfungshöhe wird hier mit technischem Aufwand gleichgesetzt. Ein amerikanisches Gericht kam im bekannten Fall Bridgeman Art Library v. Corel Corp. jedenfalls zum Schluss, dass die Reproduktionen zweidimensionaler Werke kein eigenes Copyright haben. In Deutschland kann aber zusätzlich noch das Leistungsschutzrecht eine Rolle spielen, auf Grund dessen auch ohne urheberrechtliche Ansprüche ein vermarktungsrelevantes Recht an den Reproduktionen bestehen kann.

Darüber hinaus beansprucht die NPG einen Datenbankschutz. Die Zusammenstellung der Bilder sei selbst schützenswert und durch den Wikipedia-Nutzer unrechtmäßig kopiert worden. In der Tat wird der Datenbankschutz mitunter sehr großzügig ausgelegt, was aber an einer (beliebig sortierbaren) Inventarliste eines Porträt-Museums genuin schützenswert sein soll, will sich nicht so recht erschließen.

Ob die NPG nun das Urheberrecht an den Reproduktionen besitzt oder nicht, ist für die Kritiker nicht entscheidend, die fordern, dass die Reproduktionen generell frei zur Verfügung stehen müssten. Die Argumentation lautet, dass eine öffentliche Einrichtung, die mit öffentlichen Geldern etwas hergestellt oder erworben habe, dies dann auch der Öffentlichkeit kostenlos zur Verfügung stellen müsse. Auch wenn das für den Einzelnen wünschenswert sein mag, ist die Sachlage faktisch doch komplexer. Ein Museum, das Werke mit öffentlichen Mitteln ankauft, stellt diese in der Regel auch nicht kostenlos zur Ansicht zur Verfügung, sondern verlangt Eintritt. In Deutschland sind entsprechende Einrichtungen sogar dazu verpflichtet, auf diesem Wege Einnahmen zu erzielen.

Ein interessantes Detail ist, dass die hochauflösenden Bilder zuvor auf der Website der NPG für die nicht-kommerzielle Nutzung ebenfalls kostenlos zur Verfügung standen. Erst nach der Kopieraktion Coetzes wurden sie entfernt bzw. der Zugang gesperrt. Im Nachhinein hätte man sich gewünscht, die beiden Kontrahenten hätten sich ähnlich verständigt wie bei den Kooperationen mit dem Bundesarchiv oder der Deutschen Photothek. Das ungefragte Kopieren der Bilder war zumindest moralisch gesehen nicht die feine (englische) Art.

3 Comment(s)

  • Georg Hohmann
    20.07.2009 13:16

    @Graf
    Der Sinn dieses Beitrags ist die Darstellung der verschiedenen Punkte, die bei dem Umgang mit digitalen Reproduktionen eine Rolle spielen _können_. Dass Sie eine bestimmte Ansicht vertreten, ist allgemein und auch mir bekannt.

    Zu Ihren Punkten:
    1. Natürlich kann man sich _auch_ über Copyfraud aufregen. Man kann sich sogar über beide Sachverhalte aufregen. Das bleibt jedem selbst überlassen. M. E. war die Kopieraktion sicher nicht dazu angetan, den Dialog mit Museen über die freie, nicht-kommerzielle Nutzung von Digitalisaten zu fördern.

    2. Zumindest wird das in vielen Museen so gesehen. Zu entscheiden, wer "Recht" hat und wer nicht, überlasse ich gerne Ihnen oder den zuständigen Verwaltungen.

    3. Zum Leistungsschutzrecht schreibt Thomas Hoeren in seinem Skript zum Internetrecht auf S. 117 f.:
    "Alle [...] Leistungsschutzberechtigten genießen einen spezialgesetzlich verankerten und letztendlich wettbewerbsrechtlich begründeten Schutz ihrer Leistungen. Die Leistung des Lichtbildners besteht z.B. darin, Fotografien herzustellen, deren Originalität unterhalb der persönlich-geistigen Schöpfung angesiedelt ist. [...] In der Tat wirft das gesamte System der Leistungsschutzberechtigten eine Reihe ungelöster Fragen auf, die mit Systemwidersprüchen und Regelungslücken des derzeitigen Urheberrechtssystems verknüpft sind."
    http://www.uni-muenster.de/Jura.itm/hoeren/materialien/Skript/Skript_Maerz2009.pdf

    Ungelöste Fragen. Die von Ihnen genannten Quellen, die ein Leistungsschutzrecht in solchen Fällen absprechen, sind mir bekannt. Es gibt aber eben auch andere Meinungen, und deshalb "kann [...] das Leistungsschutzrecht eine Rolle spielen".

  • Dr. Klaus Graf
    19.07.2009 15:39

    Mein Kommentar zu diesem inkompetenten Beitrag:
    http://archiv.twoday.net/stories/5832086/

  • Ioana Herbert
    19.07.2009 09:15

    Bitte! Da haben wir es wieder! Bevor man die eigenen Ansichten hinterfragt, rüstet man auf, baut Festungen und zieht auf die Nachbarn los! Davon kann nicht einmal ein leerer Geldtopf abbringen. Ich verstehe das nicht! Anstelle der NPG hätte ich schon längst neben den hoch aufgelösten Reproduktionen der eigenen Galerie ein paar noch höher aufgelöste Porträts von Popstars ins Netz gestellt und sie im Packet verkauft. Michael Jackson oder Madonna (die können gar nicht hoch genug aufgelöst sein) zusammen mit Heinrich IV. oder einem sonstigen Porträt von Holbein. Ist schon jemandem aufgefallen, dass niemand weiß, dass Pina Bausch gestorben, dafür aber man hundert Mal am Tag erfährt, dass Jaco von uns gegangen ist?! Statt die große Dame des deutschen Tanztheaters in ein Mausoleum einzusperren und Eintrittsgeld von Anhängern des Balletts zu verlangen, könnte man doch Fans von DJ Bobo, oder wie die alle heißen, ansprechen. Ich sage ja nicht, dass das gelingen muss. Aber versuchen kann man es allemal. Es könnte sogar sein, dass sich die Theater (bzw. Museen) mit neuem Publikum füllen. Hat schon einmal ein Museumsdirektor bei dem Manager eines Popstars angefragt und eine Absage erteilt bekommen?