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Dumpinglöhne ohne soziale Absicherung
Dumpinglöhne ohne soziale Absicherung nach oben
Ein Frankfurter Atelierhaus hat gerade eine Vollzeit-Assistentenstelle ausgeschrieben, die sich an Personen mit "abgeschlossenem Hochschulstudium in Kunstgeschichte/Kulturwissenschaften oder vergleichbaren Erfahrungen in der Ausstellungsorganisation" richtet. "Hohe Flexibilität, Engagement und Initiative", die in 37,5 Wochenstunden eingebracht werden sollen, will man auf Honorarbasis mit € 1.300 vergüten. Der Betrag befindet sich unterhalb der Steuerpflicht.
Damit liegt das Stundenhonorar 49 Cent über der zurzeit propagierten Mindestlohnforderung - in etwa auf Höhe der Bruttolöhne angestellter Gebäudereiniger.
Doch hier spart der Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge, es wird kein Arbeitgeberanteil an Kranken- und Rentenversicherung getragen. Geht man mal von der Mindestbeitragsbemessungsgrenze der Krankenversicherungen aus (liegt bei etwas unter € 2000,- ), dann hat der Selbstständige fast € 350,- allein an Kranken- und Pflegeversicherung zu zahlen. Nach zwei Jahren (auf diesen Zeitraum ist diese "Stelle" angelegt) droht, sofern vorher schon eine Selbstständigkeit vorlag, bei fehlender Anschlussstelle Hartz IV, da außerdem nicht in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt wurde. Man hat sich bei der Aussschreibung wahrscheinlich an Volontärsstellen orientiert, nur wird dort, wenn auch befristet, fest angestellt. Bei Krankheit geht hier der/die Assistent/in leer aus, sollte ihn/sie mal die Grippe erwischen, es sei denn er/sie investiert in eine Zusatzversicherung. Von der fehlenden Rentenversicherung wollen wir gar nicht reden.
Ich frage mich, wie man von mageren 950,- in einer teuren Stadt wie Frankfurt leben kann. Bei 37,5 Wochenstunden ist es wohl ja auch kaum möglich, "nebenbei" zu promovieren.
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2 Kommentar(e)
Sehr gut!
Das wollte ich erreichen. Hier wäre auch einmal der Galeristenverband anzusprechen. Denn in Galerien ist diese Art der abhängigen Selbstständigkeit mittlerweile eine übliche Beschäftigungsform.
falsch verstandene selbständigkeit zu nicht annehmbaren konditionen
Der Link funktioniert nicht mehr, da der Verband Deutscher Kunsthistoriker e.V. die Anzeige von seiner Homepage genommen hat. Wir danken für den prägnanten Beitrag!
Hinzuzufügen wäre noch, dass wir es hier mit dem Problem der Scheinselbständigkeit zu tun haben, welches von potentiellen Auftraggebern in letzter Zeit zunehmend ignoriert wird. Ausschlaggebend für eine „richtige“ Selbständigkeit ist u.a. der Fakt, dass man nicht weisungsgebunden ist, was bei einer Assistenz jedoch schwer vorstellbar ist. Auftraggebern drohen bei Prüfung durch die Rentenkasse dann Nachzahlungen. Der Verband wird sein bestes tun, beide Seiten für das Problem zu sensibilisieren, um auch auf eine adäquate Bezahlung hinzuwirken.
Barbara Polaczek
Vertreterin der Freien Berufe im Vorstand des Verbandes Deutscher Kunsthistoriker e.V.