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Der Audioguide – sinnvolles Vermittlungsinstrument oder Belästigung?

Heute Morgen habe ich die Frankfurter Botticelli-Ausstellung besucht. Endlich, nachdem man gar Grausiges über den Andrang und lange Wartezeiten hörte. Ich hatte Glück und konnte direkt durchgehen. Dennoch war die Ausstellung gut besucht, vor allem von älteren Interessenten, man sah auch ein paar junge Gesichter. Es wäre jedoch möglich gewesen, sich Zeit zu nehmen, um die Bilder in Ruhe betrachten zu können. Was ich aber schon lange als sehr störend empfinde, muss ich an dieser Stelle einmal loswerden! Fast jeder Besucher hält einen Audioguide an sein Ohr. Nun, ich finde es absolut begrüßenswert, dass a) damit laute Führungen vermieden werden, die mit großen Pulks die Ausstellungsobjekte blockieren, und dass b) damit auch jeder Besucher Informationen bekommen kann und bereichert nach Hause geht. Leider ist Multitasking nicht jedermanns Sache: Gleichzeitig gehen und der Stimme – in diesem Fall laut Aushang – Veronica Ferres zu lauschen sowie die Informationen zu verarbeiten, funktioniert leider bei den meisten nicht. Ich wurde x-mal angerempelt. Hinzu kommt, dass die Bedienung nicht von allen verstanden wird, sie plötzlich stoppen und hektisch auf den Tasten des Gerätes herumdrücken. Mehrfach stand mir jemand wie angewurzelt „im Bild“. Ein Sehgenuss ist so kaum möglich. Ein weiteres Ärgernis ist, dass die Geräte sehr laut gestellt werden und einem Danebenstehenden jegliche Konzentration abhanden kommen kann. Zum Glück hatte ich noch ein paar Oropax in der Tasche ...

9 Kommentar(e)

  • beides.

  • leben und leben lassen!
    die hier geführte diskussion ist in etwa so erheiternd wie das, wogegen sich hier die meisten kommentatoren stellen- nämlich die kollektive - das beinhaltet auch lautstarke - meinungsbildung in einem ausstellungsraum. die erfahrung einer ausstellung, das wusste schon daumier, besteht gleichermaßen aus einer nahstudie der rezeption der weiteren ausstellungsbesucher(knüffe, nervtötende kleinkinder, grantige senioren und besserwisserische fachidioten tragen folglich zum gesamteindruck bei). http://nga.gov.au/Research/images/untitled.jpg
    http://www.frieze.com/images/front/p2256_daumier.gif
    aufgrund der allgemeinen kommodität, die jeder heute für sich beansprucht, ist die ausstellung als bühne sozialen zusammentreffens weitestgehend aus dem blickfeld der besucher gerückt - man glaubt, für 12 euro gehöre einem die ausstellung, zumindest für ein stündchen. überdies beschallt mit der sonoren stimme des "superweibs" fühlt man sich dem werk nun auch noch intellektuell verbunden. was macht es da, wenn der ursprüngliche sinn einer ausstellung ins hintertreffen gerät- wir sind im recht, dank der ferres auch schlauer als vorher und wer braucht schon gesellschaftlichen kontext, wenn es um bilder geht...

  • Robert Raml
    19.01.2010 13:07

    Mit Erstaunen lese ich, dass die Guides eingesetzt werden, um die neuen Medien zu etablieren. Was für eine Idee! Die neuen Medien haben sich längst etabliert. Die Audioführer werden doch nicht in den Ausstellungen verteilt, um hier Productplacement zu betreiben oder eine Technikphilosophie zu verbreiten. Der Mehrwert der Instrumente ist erwiesen und ein immer weiter wachsendes Publikum nutzt das Angebot, um sich kompetent über die Exponate zu informieren. Die Zeiten, als ein 5 KG schnwerer Katalog durch die Ausstellung geschleppt werden musste (der zudem fast ausschließlich wissenschaftliche Aufästze enthielt) sind vorbei. Wohl gemerkt: der Audioguide ist keine Konkurrenz, sondern ein zusätzliches Angebot. Ich nutze ihn, wo immer möglich.

  • Es stellt sich doch die Frage, inwieweit im Zuge der Etablierung neuer Medien und dem Medienverhalten der Nutzer das Konsumieren vor den Kunstgenuss gestellt wird. Ich gebe der Kommentatorin völlig recht: Mögen sie auch bei der Vermittlung von hohem Nutzen sein, so führen die Audio-Guides zu einer Haltung und zu einem Verhalten, das ich als kunstliebender Besucher nicht akzeptieren kann. Ich fühle mich gezählt (wegen der Besucherzahlen) und dann durchgeschleust und bin daher aus dem Museumsverein meiner Heimatstadt ausgetreten.

  • Bickmann
    15.01.2010 15:53

    Sehr schön, dass ich mit dem - zugegeben - provozierenden Eintrag so viele Kommentare auslöse. Ich habe weder die Ausstellung kritisiert (die absolut sehenswert ist und die ich auf jeden Fall nochmals besuchen werde) noch das Bedürfnis der Besucher nach Vermittlung von Inhalten. Im Gegenteil: Letzteres halte ich für unabdingbar. Kritisieren könnte man den Eventcharakter solcher Ausstellungen, ohne den sich wiederum schwerlich Sponsoren für Großprojekte dieser Art finden lassen. Kritisch sehen könnte man auch die Konsumhaltung der Betrachter, die sich nicht erst in Ruhe die Bilder ansehen und dann dem Kommentar lauschen, sondern während der Betrachtung hören und gehen, also drei Dinge gleichzeitig tun. Die Geräte verleiten vielleicht zu dem oben beschriebenen Verhalten. Ich erinnere mich sehr gut an eine völlig überlaufende Cézanne-Ausstellung der Präaudioguideepoche in Paris (Schlangen um den halben Grand Palais), wo man dennoch jedes Bild mit Muße betrachten konnte.

  • Verzeihen Sie meinen Nachtrag, mir ist eben erst der Beitrag in der FAZ von Julia Voss wieder in den Sinn gekommen, die sich konstruktiv Gedanken über Audioguides in der Museumslandschaft gemacht hat:
    http://www.faz.net/s/RubEBED639C476B407798B1CE808F1F6632/Doc~E08472F62618448588A16BEEA03241EE8~ATpl~Ecommon~Scontent.html

  • Der Audioguide ist in der Tat sehr gut gemacht. Ist es nicht erfreulich, dass eine so große Menge an Besuchern mit kunsthistorischen Inhalten konfrontiert wird und diese Konfrontation nicht scheut? Was würde denn ein Nicht-Kunsthistoriker ohne Audioguide oder Teilnahme an einer Führung an Inhalten mit nach Hause nehmen?
    An dieser Stelle lohnt es sich auch auf diese hervorragende Homepage zur Botticelli-Ausstellung aufmerksam zu machen:
    http://www.hr-online.de/website/specials/botticelli/index.jsp?startrubrik=51089

    Und zum Punkt "Navigation": Warten wir den Umbau des Hauses ab, da wird sich sicher etwas tun in Zukunft.

  • In Bezug auf die Schilderung Ihres Ausstellungsbesuchs schließe ich mich dem ersten Kommentar an. Die Frage ist doch, was das Medium "Audiokommentar" in der museumspädagogischen Vermittlung leisten kann und welche Qualität es hat und haben sollte. Ich selbst bin kein großer Fan davon, weil ich mir in der Ausstellung eigene Gedanken machen möchte und weil ich die akustische Beschallung nicht so mag. Ich habe mir aber den Audioguide zu Botticelli aus Interesse angehört. Er ist inhaltlich und technisch sehr gut produziert, nicht zuletzt, weil die Texte von einer ausgebildeten Schauspielerin gesprochen werden. Hinsichtlich der "Navigation" des Besuchers durch eine Sammlung erscheint mir das Funksystem, das z. B. die Berliner Museen in ihren ständigen Sammlungen einsetzen, allerdings als die bessere Lösung.

  • Das Problem ist wohl eher, dass die Botticelli Ausstellung sehr sehr gut besucht ist und so das Betrachten der Bilder in Ruhe kaum möglich ist (wenn sie die Ausstellung in den letzten beiden Stunden besuchen, sind sie fast allein mit und vor den Bildern). Das hat in diesem Fall nichts mit den Audioguides zu tun, wie ich aus eigener Erfahrung und als regelmäßiger Besucher des Städel berichten kann. Überdies gibt es wohl sehr viele große Führungen, hier verwendet das Städel Echosysteme (also nicht "laut").
    Ich verstehe nicht so recht, wohin sie mit diesem Beitrag möchten - außer ihrem Ärger Luft machen über eine zu gut besuchte Ausstellung. Sie stören also Rentner in Ausstellungen? Das Publikum dieser Ausstellung ist übrigens ein eher junges.
    Man könnte nun auch sagen, dass wir Kunsthistoriker häufig dem Laien im "Bild" stehen, oder nicht?

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