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Die schnellen Berliner Jungs

Als Mit-Herausgeber eines Rezensionsjournals, das Sie vielleicht/ hoffentlich kennen, lernt man seine Pappenheimer wirklich gut kennen. Das betrifft die Rezensierten wie die Rezensenten. Es gibt da die freundlichen, die höflich anfragen, ob man ihr Buch rezensieren kann, oder eben solche, die - genauso höflich - selber eine Rezension vorschlagen. Dann diejenigen, die sich wortgewaltig über eine Rezension beschweren, die wir ihnen haben angedeihen lassen - was ich natürlich irgendwie gut verstehen kann. Und dann gibt es die, die ich mir "die schnellen Berliner Jungs" zu nennen angewöhnt habe (meistens sind es Männer). Die schlagen ihr Buch zur Rezension vor und liefern den Rezensenten gleich mit. In einer Mischung aus Abscheu und Bewunderung lehne ich das meistens ab. Vielleicht ist dieser blog sogar geeignet, ihnen ein solches Vorgehen abzugewöhnen. Aber das Selbstbewusstsein, das hier  zum Ausdruck kommt,  ist schon bemerkenswert. Es dürfte aus der Tatsache resultieren, dass man in der Reichshauptstadt die Gewissheit hat, an der Speerspitze der geisteswissenschaftlichen Innovation zu agieren. Es steht außer Frage, dass die Diagnose also soche nicht völlig an den Haaren herbei gezogen ist. Trotzdem möchte ich dafür garantieren, dass die sehepunkte sich auch weiterhin von anderen Rezensionsorganen dadurch unterscheiden werden,  dass sie wenigstens den Versuch der Objektivität wagen.

3 Kommentar(e)

  • Hubertus Kohle
    22.10.2009 08:55

    Ich stimme der Darstellung von Stefan Schweizer ausdrücklich in jedem einzelnen Punkt zu!

  • Ich verstehe nicht, was Befangenheit mit Subjektivität zu tun haben soll? Ein dem Verfasser eines Buches unbekannter Rezensent ist nicht unbedingt objektiv nur weil er kritisiert. Er kann genauso gut subjektiv sein, wenn er kritisiert und objektiv - wenn er lobt. Die Qualität des Diskurses könnte Hinweis auf seine Glaubwürdigkeit sein. Dass es um Qualität geht, das verstehe ich.

  • Stefan Schweizer
    20.10.2009 11:14

    Das hier zurecht gebrandmarkte Gebahren der eitlen Selbstvermarktung ist in den Geistes- und Kulturwissenschaften täglich zu beobachten. Völlig ungeniert lassen sich auch seriöse Wissenschaftler von befreundeten Kollegen in der überregionalen Tagespresse oder eben Fachjournalen rezensieren. Dass dies hinter den Kulissen auch zu einem Gefälligkeitsgutachtertum geführt hat, ist jedem klar, der nur Augen und Ohren aufsperrt. Akademische Traditionen sowie die ethischen Standards von Wissenschaft werden permanent ausgehöhlt. Kritische Distanz und - mich beschleicht fast ein peinliches Gefühl beim Erwähnen des Wortes - Objektivität werden zunehmend durch Netzwerktümelei ersetzt. Allerdings konnte man auch bei Sehpunkte in den letzten Jahren gelegentlich Verrisse lesen, die die Eitelkeit von Wissenschaftlern (gespeist auch durch persönliche Involviertheit) ins andere Extrem, das des beleidigenden Kritikasters - siehe http://www.kruenitz1.uni-trier.de/xxx/k/kk07099.htm - treiben.

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