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Kunstgeschichte an der Stuttgarter Universität

Die Stuttgarter Zeitung berichtete am letzen Freitag von Kürzungsmaßnahmen der Universität Stuttgart. Davon ist auch die dortige Kunstgeschichte betroffen. 2 Professuren sollen gestrichen werden. Wenn ich richtig sehe, heißt das: alle dort vorhandenen Professuren. Ob da eine Protestwelle losbricht? Wenn ja, sollte man dabei vielleicht nicht einfach wieder über den schlimmen Lauf der Welt lamentieren, sondern auch einmal darüber nachdenken, ob die Kunstgeschichte (und jede andere Geisteswissenschaft) an einer Technischen Universität nicht doch andere Ziele verfolgen sollte als die Kunstgeschichte an einer "gewöhnlichen" Universität. Ob man dort nicht das historisch hoch ausdifferenzierte Verhältnis von Kunst und Technik stärker in den Mittelpunkt stellen und interdisziplinäre Veranstaltungen zwischen Kunstgeschichte und Natur/Technikwissenschaften offensiver betreiben sollte, als das ansonsten üblich ist. Ob nicht eventuell sogar das Digitale als ein mediales Paradigma, das die Geisteswissenschaften bis in ihren Kern hinein  verändern wird, an genau einer solchen Universität zum Gegenstand einer wissenschaftlichen Reflexion werden kann.

4 Kommentar(e)

  • Ioana Herbert
    11.06.2009 10:08

    Nur kurz: Das, was hier euphorisch als Erneuerung begrüsst wird, wurde mancherorts, hinter der Mauer (Bsp. Rumänien), bereits vor fünfzig Jahren praktiziert. Dort, wo es einerseits unmöglich, andererseits verwerflich war, theologisch und/oder ideologisch zu argumentieren, hat man sich in das gerettet, was man hier und jetzt „technische Kunstgeschichte“ nennt. Kunstgeschichte wurde auch nicht an Universitäten, sondern an der Akademie der Bildenden Künste unterrichtet. Zeichenunterricht gehörte zur Ausbildung des Kunsthistorikers und Gesprächspartner waren keine Geisteswissenschaftler, sondern zukünftige Künstler. Man ist gar nicht in die Versuchung gekommen, abgehobene Diskurse zu führen, und hat nach Kräften Materialkundliches in die Beschreibung von Kunstwerken eingebaut. Einen anderen Weg gab es wie gesagt nicht, wenn man in der Fachwelt einigermaßen glaubwürdig bleiben wollte. Das Revolutionäre an dieser Methode bleibt mir ehrlich gesagt verborgen und es sollte eigentlich in der Kunsthistoriographie nichts Selbstverständlicher sein, als Überlegungen zum Material zu artikulieren. Es sei jedoch auch hinzugefügt: Materialkundliche Kunstgeschichte hat, wie jede andere Methode auch, ihre Grenzen. Man kann zwar endlos über die Bedeutung von Materie bei der Entstehung visueller Kunst reden, aber im Grunde genommen, erschöpft sie sich schon bei der Erkenntnis, dass ein Künstler die gleichen Probleme hat, wie jeder Handwerker. Der Versuch, den gelehrten Blickwinkel auf Kunst, durch einen pragmatischen zu ersetzen, lohnt sich aber, nicht nur weil es andernorts bereits seit einem halben Jahrhundert zu einer Alltagspraxis gehört, über die niemand mehr spricht. Diese Methode kann auch den kunsthistorischen Diskurs bereichern und ein paar Lehrstellen retten. Es könnte sogar sein, dass im Zuge der materialkundlichen Betrachtung von Kunst, die Einsicht kommt, dass Instrument des Kunsthistorikers – eben anders als bei Künstlern – nicht das Material sondern die Sprache ist. Und dass man sich dieser leider Gottes sehr oft vorsintflutlich bedient. Es könnte sogar deutlich werden, dass keine literarische und/oder künstlerische Avantgarde des letzten Jahrhunderts die kunsthistorische Literatur auch nur ansatzweise erreicht hat. Dass in der Regel so geschrieben wird, wie immer schon geschrieben wurde. So als gäbe es heutzutage noch irgendein Konsens über Begrifflichkeiten. Dabei befindet man sich allein schon bei der Bildbeschreibung - eine vom Aussterben bedrohte, literarische Gattung - so fern von einer konsensfähigen Ansicht über Form und Inhalt wie niemals zuvor. Wie sollte die Beschreibung eines Kunstwerks heute aussehen? Das würde mich schon sehr interessieren, wenn von Paradigmenwechsel geredet wird.

  • Albrecht Pohlmann
    11.06.2009 06:19

    Hubertus Kohles Anregung, an Technischen Universitäten statt Kunstgeschichte im herkömmlichen Sinn Fächer einzurichten, welche die - ja tatsächliche vorhandene! - Verbindung von Kunst und Technik / Geistes- und Naturwissenschaften zum Gegenstand haben, verweist geradezu auf eine Notwendigkeit, finde ich.
    Nele Putz' Hinweis auf die Schwierigkeit, mit einem solchen Vorschlag zu überzeugen, ist allerdings eben so berechtigt - angesichts des Beharrungsvermögens von Politik und Verwaltung einerseits, der etablierten Wissenschaften andererseits.
    Aber der Versuch, genau solche Vorschläge in der Öffentlichkeit und an "entscheidenden" Stellen zu machen, ist es unbedingt wert!

  • Nele Putz
    10.06.2009 11:57

    In jedem Fall wäre eine Spezialisierung im Bereich der technischen Kunstmedien oder der Materialikonographie sicher fruchtbringend. Das "Nachdenken" alleine dürfte in Stuttgart allerdings wohl nicht mehr helfen. Wie genau wollen Sie andere TUs überzeugen?

  • Ioana Herbert
    09.06.2009 05:51

    Ob die vordergründige Sublimierung von Materie eine fundamentale Substanzialisierung des Geistes nach sich ziehen wird, bleibt m.E. fraglich. Auf jeden Fall sollte aber die Visualisierung von Geist (die nunmal ohne Materie schwer möglich ist) Gegenstand von Kunstgeschichte sein. Was denn sonst?

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