blog.arthistoricum.net

Kempsche Ästhetikkolumne

... für diejenigen, die diesen erquicklichen Beitrag noch nicht gesehen haben...

 

http://www.online-merkur.de/seiten/lp201106bjun.htm

15 Kommentar(e)

  • Putz
    18.06.2011 15:01

    das dienen gerät ins hintertreffen, wenn das dienen als bühne der selbstinszenierung dient. der satz ist auf 90% der heutigen wissenschaftler anzuwenden, fürchte ich.
    damit wünsche ich ein schönes wochenende...

  • Orkus
    18.06.2011 14:48

    Man könnte ja einmal nach den Kriterien abfragen (von Erwin Panofsky bis Nele Putz): Ist da ein Ego, das verteidigt, gehätschelt und erhöht werden will?
    Oder geht es um Dienen?
    Ein Dienen der Wissenschaft und der Kunst.

  • Ja, wobei ich sagen würde, dass es genau darum geht. Denn mit dem Bad wurde auch das Kind ausgeschüttet, sprich: mit der Abschaffung von Autoritäten wurden geistige Eliten abgeschafft (was in dem Verriss auf Panofskys Korrespondenzausgabe genauso passiert). Ob ich das dieser Generation übel nehme? Ja, ich nehme es ihr übel! Umso mehr, als sie heute gegenüber existentieller Sachverhalte nichts anderes zu bieten hat, als den moralisierenden Ton. Der Markt ist böse, die Entwicklung bedenklich, die Lage schlecht, um es platt zu sagen. Danke für diese aufschlussreiche Erkenntnis!

    Im Osten wurden geistige und gesellschaftliche Eliten über Jahrzehnte hinweg eingesperrt, hingerichtet, ausgelöscht. Wo sind sie hier geblieben, wenn ich fragen darf? Wieso gibt es Anfang des 21. Jahrhunderts nichts, was man von humanistischer und/oder geisteswissenschaftlichen Seite der Arroganz des Marktes und dem Zynismus der Finanzeliten entgegen setzen kann? Keiner noch so spärliche Ansatz einer Idee oder einer Halblösung. Irgend ein Vorschlag, irgendwas, egal was.

    Ironie und Sarkasmus helfen da genauso wie die Moral nicht viel weiter, weil man als Vertreter der Geisteswissenschaften heute am kürzeren Hebel sitzt. So einfach ist das! Damit kann man sich höchstens in Zukunft gegen ideologischem Input zur Wehr setzen, falls man noch davon gefährdet sein sollte, was ich allerdings bezweifele. Die Gelegenheit, die wenigen geistigen Werte, die sich mittlerweile von viel Makulatur ziemlich tief zugeschüttet befinden, wieder aufzugreifen, ist vielfach vergeben worden und wird m.E. so leicht nicht wieder kommen.

    Eine ernsthafte wenn auch zaghaft angefangene Beschäftigung mit Panofsky habe ich hierzulande schon lange aufgegeben, das Kapitel ist wie für viele andere wahrscheinlich auch abgeschlossen und wird nicht wieder aufgemacht. Eine geistige Elite weniger, die vielleicht etwas mehr Substanz als nur gesellschaftsfähigen Umgang gepflegt hätte? Aus meiner Sicht, ja! Zweifelsfrei! Die Folgen? Ungewiss! Werden die neuen Medien, das viel zitierte Web 2.0 mit noch ungeahnten Möglichkeiten aus dieser wie aus vielen anderen Sackgassen unserer Zeit heraus helfen? Vielleicht... :)

  • Putz
    18.06.2011 07:08

    ich kann selbstredend nur für mich sprechen - aber irgendeiner form von "kultgebaren" gegenüber einem denker kann ich mit fug und recht behaupten, noch nie anheim gefallen zu sein.
    der für mich beste schutz vor geistigem input (der bisweilen mit viren und trojanischen pferden gespickt sein kann) ist der, jedwedem mit ironie und sarkasmus zu begegnen.

    in dem sinne - wäre es schon toll, wenn jesus meine bibel signiert hätte, aber auf den besitz anderer autogramme konnte ich bislang ganz gut verzichten.

  • Nachdem man in diesem Blog so weit geht, Wolfgang Kemp auch noch zu zitieren (s.o. "Das Heilende in der Kunst", erlaube ich mir einige Bedenken in die Waagschale zu werfen, die ich schon länger auf Lager habe. Den genannten Autor irgendwann oder immer wieder zu lesen - dagegen ist nichts einzuwenden. Ihn aber auf einen Sockel zu stellen und seinem Wortlaut teils blindlings zu folgen - dagegen wehre ich mich.

    Damit passiert aus meiner Sicht mit ihm genau das, wogegen er sich an anderer Stelle (o.g. Artikel in der FAZ) wehrt, ein Autorenkult nämlich, der mit dem wünschenswerten kritischen Denkvermögen eines Lesers nicht viel gemeinsam hat. Ironie des Schicksals? Nicht nur, würde ich sagen, sondern exemplarisches Zeichen für das Scheitern einer Generation, die sich zu Beginn ihrer Laufbahn gegen Autoritäten gewandt hat.

    Denn das, was diese großartig rebellische '68er Generation mit "geleistet" hat (auch wenn sie sich heute wortreich dagegen stemmt), ist aus meiner Sicht nämlich auch, dass man in Zukunft - um bei dem Beispiel zu bleiben - an einen Autor wie Dieter Wuttke nicht mehr vorbeikommen wird, wenn man sich mit Albrecht Dürer und Erwin Panofsky wird beschäftigen wollen. Mit ein Grund übrigens, warum man sich in der jüngeren Generation lieber Themen der Kunstgeschichte zuwendet, die möglichst wenig mit Deutschland und den damit verbundenen und tiefgehenden Ideologiekämpfen zu tun haben. Der moralische Fingerzeig, der in den schriftlichen oder mündlichen Wortbeiträgen der Autoren dieser Generation auf jedem Schritt und Tritt lauert und der mir sehr zuwider ist, ich sogar, ja wie die Pest hasse, ist m.E. nichts weiteres als Automatismus und leer gewordene Rhetorik.

    Ich werde also auch in Zukunft geistreiche und kritische Beiträge deutscher Kunstgeschichte lesen und mich an der Wortgewandtheit und dem Gedankenspiel manch begabter Autoren erfreuen aber das ist auch alles. Mit Sicherheit werde ich nicht zu denen zählen, die sie zitieren, die unreflektierten Beifall spenden oder Autogramme jagen werden. Die Perspektive, die sie sich ausgewählt haben und mit der sie teils zu Beginn des 21. Jahrhunderts weiter machen, ist eine, die sie sich in anderer Zeit, im gemütlichen Schatten diesseits der Berliner Mauer zurecht gelegt haben (während jenseits gemordet wurde!) und die, wie ich meine, heute längst nicht mehr tragfähig ist. Moralisierende Diskurse haben bei der Lösung von Problemen noch nie großartig weiter geholfen. Und ja, ich denke, dass dieses Fach mit diesen Problemen auch was zu tun hat und sich seine Vertreter unabhängig von Alter, Aura oder Auswahl bequemer Spezialisierung deshalb etwas gründlicher mit ihnen beschäftigen sollten.

  • Orkus
    13.06.2011 07:05

    Für Autogramm- und sonstige Jägerinnen ist die Buchform weniger attraktiv. Denen überlasse ich gerne den Plattdrück-Platz an den Wänden.

  • Danke, ja! Genau das wollte ich auch sagen: ich lese lieber einen Bericht über die Veranstaltung und vielleicht dann einzelne Beiträge als in dem vollen Saal an der Wand zu kleben. Das war bei den Vorträgen in der Stuck-Villa auch nicht anders. Ich weiß nicht, ob Wolfgang Kemp ein guter und gut aussehender Redner ist, aber die Lektüre seiner Texte ist ein Genuss. Danke auch für den Hinweis auf seine Kolumne, die ich noch nicht kannte!

  • Orkus
    11.06.2011 20:54

    Werden die Beiträge der Tagung auch in Buchform publiziert werden?
    So wie alle Referate der Veranstaltung Kunstvermittlung in den Medien im Januar 2011 in der Stuck-Villa schon in der Buchreihe Kunst und Philosophie, 4. Band, hg. v. Julian Nida-Rümelin und Jakob Steinbrenner, nachgelesen werden können.
    Wie die Vorankündigungen laufen, wird das wohl proppevoll werden und manche/r wird ein ruhiges Nachlesen, vielleicht auch online, vorziehen.

  • Putz
    11.06.2011 15:58

    ach, schade. ich muss aber widersprechen, keiner hat die denkerpose so verinnerlicht wie herr kemp - das abbild des wahren griechischen philosophen, vom profil aus betrachtet.

  • Hubertus Kohle
    11.06.2011 14:39

    Ich habe da so etwas laeuten hoeren, dass Kemp bei der Tagung Immersion abgesagt hat. Sorry. Andererseits: Kemp wirkt als Schreiber noch entschieden geistreicher denn als Sprecher

  • Orkus
    11.06.2011 12:41

    Auch in der FAZ erzählt Wolfgang Kemp in dieser Woche von seinen Erlebnissen in den 1967/68er Jahren. Anlass ist das Erscheinen des letzten Bandes der Korrespondenz von Erwin Panofsky (Band 5: 1982 bis 1968, hg. v. Dieter Wuttke). Ergebnis des Rezensionsteils: man brauche sich die Lektüre dieses Bandes nicht antun. "Man fragt sich, warum man das alles lesen soll, geschätzte 200, gefühlte 600 Mal." (W. Kemp)
    Erkenntnis für Münchner: Belting hat Panofsky nie geschrieben.

    http://www.faz.net/artikel/C30405/erwin-panofsky-korrespondenz-band-5-briefspenden-fuer-die-ordensgemeinschaft-30435167.html

  • Volker Schümmer
    11.06.2011 11:05

    Gemeint ist wohl die Tagung des Departments Kunstwissenschaften der LMU München: Immersion - Historische und zeitgenössische Perspektiven auf einen Schlüsselbegriff der Kunst- und Medienwissenschaften, 16. - 18. Juni 2011. Infos dazu gibt's hier.

  • Ich will doch lieber die weißen Nächte in Riga buchen...

    ...die sind genauso genial...

    ...wenn Sie hier über die ganze Veranstaltung berichten, wäre das natürlich super...

    :)

  • Putz
    11.06.2011 07:54

    ...und damit gleich noch der Hinweis, dass der einzige wirklich genialische deutsche Kunsthistoriker nächste Woche Freitag um 14:30 im IBZ im Rahmen der Tagung Immersion spricht. Im Falle des dringenden Bedürfnisses, ihn live zu erleben und ein Autogramm zu erhaschen.

  • hubertus kohle
    10.06.2011 22:28

    Besten Dank für den Hinweis, der eigentlich nur von dieser Autorin kommen kann. Ich wünsche mir, dass der Verfasser - vielleicht der einzige wirklich genialische deutsche Kunsthistoriker - noch möglichst lange solche Kommentare zum zeitgenössischen Kunstbetrieb schreibt!