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Corona als Bildungsbooster

Corona hat uns an den Unis durchaus auch positive Anregungen gegeben - wenn wir das nicht aus ideologischen Gründen von vorneherein ausgeschlossen haben. Und zwar in zweierlei Hinsicht. Erstens haben viele von uns gemerkt, wie viel besser eine auf Intensivität ausgerichtete Lehre ist, da wir vielfach den Teilnehmer*innen der (online)Seminare auch Aufgaben gegeben haben, die von Stunde zu Stunde zu erledigen waren. Und zweitens - indirekt - da ich den Eindruck habe, dass wir jetzt, nach der anstehenden partiellen Rückkehr zur Präsenzlehre (?) eventuell zum Umdenken gezwungen sind. Ich konzentriere mich hier auf letzteren Punkt.

Wir haben im Münchener Institut 3 Übungsräume, einen für 70, einen für 40 und einen für 25 Teilnehmer*innen. Diese Räume unter Coronabedingungen zu reaktivieren würde bedeuten, dass wir sie auf 20% ihres eigentlichen Fassungsvermögens reduzieren müssten. Einmal auf 14, einmal auf 8 und einmal auf 5. Berücksichtigt man den Umfang unseres Lehrpersonals und die Anzahl der von den Studierenden zu belegenden Lehrveranstaltungen unter Bachelor/ Masterbedingungen, ist das nicht machbar. Unserer Kapizität wäre bei weitem nicht ausreichend. Hier fallen mir die Bedingungen an englischen Eliteunis ein: Wenige Teilnehmer*innen, dafür hohe Anforderungen: wöchentliche Essay, dreiwöchtentliche Referate etc. pp. Das wäre doch der Ausweg aus den wenig geliebten BA/MA-Studiengängen: Quantitative Reduktion bei gleichzeitig qualitativer Aufwertung. Die Leute machen nicht mehr 20, sondern nur noch 8-10 Stunden, diese dafür intensiver. Ich garantiere dafür, dass der Studienerfolg entschieden höher wäre. Und der berühmt-berüchtigte workload ließe sich anpassen, wenn man diese 8-10 Stunden mit entsprechenden Leistungen verbände.

Aber ich höre schon die Einwände: Die organisatorischen/ gesetzlichen/ europäischen Richtlinien lassen das nicht zu, and what not. Aber es wäre doch eine Idee, nicht wahr? Das könnte man doch auch einmal diskutieren ... Den ganzen anstehenden Akkreditierungsprozess könnte man dann allerdings knicken und neu organisieren. Und wenn schon: Diesen Bürokratie-Mist zur Lebensabendgestaltung von pensionierten Uni-Rektoren müsste man sowieso mal in die Schranken weisen!

 

4 Kommentar(e)

  • Silke Walther
    30.07.2020 00:41
    Zwischen Digitallehre und Präsenzlehre liegen viele Varianten

    Ich finde das Prinzip „Intensivierung“ der Lehrinhalte und die Verbesserung der fachlichen Studienanleitung durchaus relevant, da derzeitige Modulfülle und die praktisch zu bewältigende Betreuungsrelationen zwischen Lehrenden und Studierenden weitere Abstriche an Qualität, Studienerfolg und Forschungsmöglichkeiten aller zur Folge hätten: man kann zwar hybride Modelle entwickeln, wird aber stets mit dem Paradox unterschiedlicher Chronizität und Lernintensitäten umgehen lernen müssen.Auch Kosten und Personalressourcen sind bei der derzeitigen Transformation der Hochschullehre noch kaum berücksichtigt, besonders auch der Aufwand für Rechenzentrumsleistungen und Campuslizenzen.

  • Hubertus Kohle
    29.07.2020 21:38

    Ja, meine Abneigung gegen dieses Bologna-Reform ist so groß, dass ich wohl wieder über das Ziel hinausgeschossen bin. Aber um so besser, wenn es auch im Rahmen von Bologna geht!
    Ich weiß gar nicht, ob das mehr Geld kosten würde. Wenn man nur noch die Hälfte der Studierenden zu betreuen hätte, könnte man diesen auch mehr Zeit widmen. Oder?

    • Moritz Kelber
      31.07.2020 14:00

      Wenn man nicht nur die Zahl der Lehrveranstaltungen reduziert, sondern eben auch die Studierendenzahlen dürfte sich der wirtschaftliche Mehraufwand wohl in Grenzen halten. Letztlich fordern Sie hier einen vollumfänglichen Mentalitätwandel in der Bildungspolitik. In den vergangenen Jahrzehnten wurden die Unis schließlich sehr zielstrebig und effizient zu mehr und mehr auf den Arbeitsmarkt ausgerichteten Einrichtungen umgebaut.

      Ich habe übrigens einige Gedanken zur Bologna-Reform in einem Beitrag auf dem kontrovers-Blog (FID-Musikwissenschaft) skizziert: https://kontrovers.musiconn.de/2020/05/24/bologna-reform-und-musikwissenschaft/

  • Moritz Kelber
    29.07.2020 20:42

    Ich wüsste gerne, welche Bologna-Regel dem hier vorgeschlagenen Gedanken widerspricht. Mir ist keine bekannt.

    Ich glaube, dass Ihr Vorschlag auch weit über die Kunstgeschichte hinaus diskutiert werden sollte. Für mich ist zumindest eine Sache klar: So etwas kostet Geld, denn der Betreuungsaufwand dürfte beträchtlich steigen, selbst wenn man nicht nur die Veranstaltungs- sondern ach die Studierendenzahl reduzieren wollen würde.