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Audioguides - Nachtrag

Noch ein kleiner Nachtrag zu dieser Diskussion, nachdem ich nun im privaten und beruflichen Umfeld mit vielen Personen gesprochen habe, auch mit solchen, die über geringe Vorkenntnisse in Sachen Kunst verfügen. Diese Umfrage ist selbstverständlich nicht repräsentativ. Aber es deuten sich zwei klare Haltungen an: eine völlige Ablehnung der Audiogeräte und ebenso großes Lob für diese Vermittlungstechnik. Die Kritiker verweisen vor allem darauf, dass sie die Nutzung durch andere Besucher als störend empfinden während der Bildbetrachtung. Sie selbst würden sich dieser Geräte niemals bedienen, um die freie Sicht auf ein Kunstwerk nicht akustisch beeinträchtigen zu lassen, da die sinnende Betrachtung von Kunst für sie einen höheren Stellenwert hat und sie sich weigern, in eine Konsumhaltung zu fallen. Vielmehr stifte Nichtwissen zur intensiveren Beschäftigung mit der Thematik an, evtl. auch zum Kauf eines Kataloges, der im Nachhinein (!) konsultiert wird, um Fragen zu klären und Kenntnisse zu erweitern.

 

Nutzer der Audioguides schätzen diese Form der Vermittlung, weil Hemmschwellen überwunden und Zugänge erleichtert werden. Je häufiger die Geräte angeboten werden, desto wohler und sicherer fühlt sich der Besucher.

 

Doch hier stellen sich verschiedene Fragen: Wie verändert sich die Rezeption durch die Nutzung dieser Geräte. Wie wird die Erwartungshaltung des Besuchers beeinflusst? Bleibt er Ausstellungen fern, deren Themen ihm nicht zugänglich erscheinen, weil kein Audioguide produziert wurde? Was bleibt wirklich an Erkenntnis zurück, zumal ein akustischer Führer nur einen Bruchteil der ausgestellten Werke bespricht? Ist die visuelle Erinnerung eine andere, wenn sie ohne das gleichzeitige Hören einer Tonspur geschieht? Sollte Kunst nicht zum Sehen da sein, weniger zum Hören, auch wenn die im Hatje Cantz-Verlag erschienene Audioguide-Serie, zu welcher der oben beschriebene Botticelli-Führer erschien,  „Kunst zum Hören“ heißt. Hier ein Link auf die Verlagsseite mit Hörproben:

 

Hörproben

 

Gibt es Studien zu diesem Thema? Der Aufsatz „Zur Wirkung von emotional und sachlich gestalteten Audio-Guides in Museen“ von Carola de Teffé und Lothar Müller-Hagedorn, (in: „Kulturmanagement der Zukunft“, hrsg. von Verena Lewinski-Reuter und Stefan Lüddemann, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2008, 219-247) sei hier zur Vertiefung empfohlen. Die Untersuchung macht deutlich, dass sich die Bereitstellung von Audioguides positiv auf die Zufriedenheit der Besucher auswirkt und damit ein wichtiges Instrument des Marketings geworden ist. Ein zufriedener Besucher empfiehlt den Besuch weiter, was sich letztendlich auf die Besucherzahlen auswirkt.

 

Ich denke, es ist an der Zeit, auch einmal die Hörtexte kritisch zu beleuchten. Ist die Werkauswahl nachvollziehbar oder zu knapp gehalten? Sind die Texte überzeugend? Ist die Sprache angemessen? Finden sich Fehler oder Verkürzungen, die neueste wissenschaftliche Erkenntnisse ignorieren oder Interpretationen eine falsche Richtung geben? Das läge doch in der Kompetenz unseres Faches!

15 Kommentar(e)

  • >Gestört habe ich also bei der Kunstbetrachtung niemanden, auch nicht mich selbst

    Die eine Hörprobe von der Seurat-Ausstellung, die ich gehört habe, stört in der Tat gar nicht. Es gibt sogar Ansätze entspannter Bildlektüre, für die ich im Grunde genommen, hier plädiere. Wahrscheinlich wird die unverkrampfte Herangehensweise durch das Gemälde selber vorgegeben, was bei Bildbeschreibungen eigentlich auf die meisten Fälle zutrifft.

    Umso herausfordernder für diese Diskussion liest sich der Beitrag auf http://www.artefakt-sz.net/allerart/punkte-beim-disziplinierten-stehtanz, wenn es über mehr als hundert Jahre hinweg via Internet aus dem Künstlerlager heißt: "Sie sehen Poesie in dem, was ich mache. Nein, ich wende meine Methode an, und das ist alles." :D Zum Glück kann man als Kunsthistoriker darauf erwidern, dass sich Georges Seurat auf die Maltechnik und nicht auf den innerbildlichen Diskurs bezog.

    Ich denke, dass, jenseits aller Methoden, ein unvoreingenommenes Herantreten an Kunstwerke und eine der Zeit, der Technik, des Sujets, der Handschrift des Künstlers usw. angepasste Lektüre für die Vermittlung von Kunst förderlich wäre. Dafür ist es allerdings nötig den Wortschatz um Termini aus allen oder aus vielen Bereichen des Lebens zu erweitern, Sprache als Medium anzuwenden und ein gewisses Maß an Poesie zuzulassen. Wenn die Sprachebene eingehalten wird, lassen sich Bilder nunmal in Analogie zum Zigarrenrauch beispielsweise besser erschließen, als über erlernte, sprachliche Versatzstücke (vgl. Abs. auf http://www.kunstgeschichte-ejournal.net/discussion/2008/kohle/).

  • p.s. vgl. S. 247ff auf http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/volltexte/2010/954/pdf/Thuerlemann_Schueler_von_Robert_Campin_sein_2009.pdf

  • >Das „höhere Sprechen“...

    Ja, wobei es, wie Sie richtig bemerken, oftmals inhaltlich so "hoch" nicht ist, sondern nur missverständlich. Da, wie ich oben andeutete, dieses Phänomen m.E. flächendeckend abgeht und keineswegs auf die Kunsthistoriographie zu beschränken ist, bin ich weit davon entfernt, es anzuprangern. In Krisenzeiten ist Sprache der einzige indentitätsstiftende Ort, an (in) dem man sich "rettet".

    Ein Beispiel sei hier noch gegeben. Bei einer Hörprobe zur Ausstellung des Meisters von Flemalle (die ich leider verpasst habe), werde ich (nachdem wieder vieles andere über Architektur, Innenausstattung, religiöse Symbole usw. usw. usw. streifend erwähnt wird) darauf hingewiesen, dass in der Verkündigungsszene Maria vor einer Sitzbank kauert. Um die Außergewöhnlichkeit dieses Sachverhalts deutlich zu machen, wird ein anderes Bild herangezogen (in dem Maria sitzend dargestellt ist) und mittels eines Vergleichs noch einmal vorgezeigt. Die Nutzlosigkeit dieses Verfahrens liegt auf der Hand. Damals wie heute pflegen Menschen auf Sitzgelegenheiten und nicht vor, neben oder dahinter Platz zu nehmen. Wenn der Maler aber das so - d.h. in Abweichung von einer (heute noch gebräuchlichen) Konvention - dargestellt hat, dann wollte er etwas damit. Was er damit wollte, wird allerdings in der Hörprobe nicht gesagt. Wenn der Besucher (dem die Freude, dieses diskrete Bildzeichen aufgrund des eigenen Sehvermögens und Verstandes selber zu entdecken, genommen wurde) wissen will, warum der Maler das so und nicht anders gemalt hat, kauft er sich einen Katalog (den ich bedauerlicherweise ebenfalls nicht kenne). Wenn er Glück hat, erfährt er das während der Lektüre eines langen Beitrags zu der Ausstellung. Wenn er Pech hat, erfährt er während der gleichen Lektüre, nichts. Wenn es ganz dumm läuft, verlässt er diese oder eine andere Ausstellung mit dem Verdacht, dass Künstler krank, dumm oder sonstwie gestört waren (oder sind), weil sie sinnloses, kryptisches Zeug gemalt haben, die kein Mensch nachvollziehen kann.

    Meine Frage ist eben: warum setzt Kunstvermittlung nicht eben dort an, wo es spannend wird, sondern bleibt trotz aller Bekundungen auf einer oberflächlichen Ebene? Wenn ich nach einer solchen Ausstellung weiß, wie der Meister von Flemalle oder Rogier van der Weyden oder ein anderer Maler die Stadt seines Aufenthalts abgebildet hat, ist das sehr schön. Ich werde es, falls ich ein trainiertes, visuelles Gedächtnis habe, es wann immer und wo immer abrufen können und mich daran erfreuen. Ob mir dieses so gespeicherte Bild einer nordeuropäischen Stadt jemals den Blick auf andere Realitäten versperren wird, ist eine andere Sache (die hier nicht erörtert werden soll). Wenn ich aber als Besucher erfahre, warum in dem Verkündigungsbild von diesem (und keinem anderen Maler sonstwo auf der Welt) zu jener (und zu keiner anderen Zeit davor oder danach) Maria vor der Sitzbank kauert, statt auf ihr Platz zu nehmen, werde ich ansatzweise verstehen und auf alle Fälle neugierig werden auf: a) wie Sprache funktioniert, b) wie Bildzeichen entstehen, c) wie geistiges Gut visualisiert wird, d) was Werte sind, e) wie äußere Welten aussehen, f) wie innere Welten aussehen, g) was die Renaissance war, h) was das Mittelalter war, i) was ist Ästhetik, j) wie sie funktioniert usw. usw. usw. Das ist es eben.

  • Albrecht Pohlmann
    16.03.2010 10:37

    Mit erscheint diese Diskussion ebenso überfällig, wie he, der (dem?) ich in allem zustimmen kann. Die Verständigungsschwierigkeiten zwischen Kunstgeschichte und Publikum sind tatsächlich gravierend und tragen zur Isolation der Wissenschaft und unserer Anliegen als Kunstbewahrer (ich bin Restaurator) und Kunstvermittler bei. Die alltägliche Museumspraxis zeigt dies naturgemäß deutlicher, als die „Kunstvermittlung“ an der Universität, weil von den Studierenden größere geistige Anstrengung verlangt werden kann.
    Ich vermute, daß diese Verständigungsschwierigkeiten auch einer Methoden- und Theorielastigkeit der Mehrheit kunsthistorischer Texte geschuldet sind, die heute in deutscher Sprache erscheinen. Es lohnt sich immer, beim Lesen solcher Texte eine Art Rückübersetzung in gewöhnliches Deutsch vorzunehmen. Dabei zeichnen sich, vergröbert dargestellt, zwei Richtungen ab: die einen haben durchaus plausible oder diskussionswerte Dinge geschrieben, nur in einer unnötig verkomplizierten Sprache. Die anderen haben schlichtweg Stuß geschrieben, der sich ob seiner komplizierten Sprache als Gelehrsamkeit tarnt.
    Oft drängt sich der Verdacht auf, daß die untersuchten Kunstwerke nur zur Illustration einer der gerade gängigen Theorien dienen. Andererseits fragt es sich oft auch, ob das, was an Neuem herausgefunden wurde, die anspruchsvolle Theorie überhaupt benötigt. Schon der Gebrauch dieser Theorien krankt an einer Überfülle neuer Ausdrücke, welche häufig keine Übersetzungen ins Deutsche, sondern Übernahmen aus dem Französischen oder Englischen darstellen. Damit erhöht sich die Zahl der für Außenstehende unverständlichen Wörter sprunghaft.
    So unterschiedlich die genannten Tendenzen zu bewerten sind – ihnen ist eines gemeinsam: Das „höhere Sprechen“, mit welchem man immer und zuerst anzeigt, daß man sich an den (naturgemäß kleinen) Kreis der Eingeweihten richtet. Solches Sprechen schließt die Mehrheit aus. Wollen Kunstvermittler solche Texte für ihre Arbeit fruchtbar machen, müssen sie sie für ihr Publikum „übersetzen“, was nicht ohne Mißverständnisse abgeht. Am Ende langt die kunsthistorische Arbeit in ziemlicher „Verdünnung“ beim Publikum an, was sich oft eindrucksvoll in den Gemeinplätzen der Audioguide-Texte niederschlägt. Mitunter – jedenfalls aber zu häufig – unterbleiben ernsthafte Rückübersetzungsversuche, so etwa bei Vorträgen im Museum. In diesen, den übelsten Fällen, wird dem Publikum am deutlichsten gemacht, wie dumm es ist. Ein Geschäft, welches die Zeitung mit den großen Buchstaben subtiler erledigt.

  • >dass auch eine Untersuchung zum Verhältnis von Formbeschreibung, Historisierung und der Aufnahme künstlerischer Medien...

    Zweifelsfrei, zumal darauf die Sprache keine geringe Rolle zu spielen scheint (vgl.a. ich sehe, was ich weiß).

  • Caroline Gabbert
    15.03.2010 17:14

    Offenbar setzt sich in der Vermittlung von Kunstgeschichte im Museum immer die konservativere Form der Vermittlung durch. Interessanterweise lässt sich das seit dem 19. Jahrhundert beobachten: die Präsentation von Kunstgeschichte im Museum hinkt dem wissenschaftlichen Diskurs in ihren Methoden stets hinterher.

    Es ist aber nicht so, dass sich die Kunstgeschichte nicht bemüht, diese Fragen nach dem Funktionieren der Wahrnehmung von Kunst nicht zu klären, bspw. hier:
    http://www.khi.uni-heidelberg.de/projekte/neueabt/bbw/bbw.html.

    Auch ohne den Einsatz empirischer Hilfsmittel könnte ich mir vorstellen, dass auch eine Untersuchung zum Verhältnis von Formbeschreibung, Historisierung und der Aufnahme künstlerischer Medien in die Kunstgeschichte, dazu Antworten liefern kann.

  • Und es geht letztendlich ums Wettbewerb und ums Geld. Produkte werden nicht mehr verkauft, die (Straßen-)Werbung sieht schrecklich aus (übrigens so schrecklich, wie in keinem anderen europäischen Nachbarland), eine Steigerung visuell-aggressiver Werbekampagnen ist nicht mehr möglich, da eine absolute Verflachung erreicht ist. Fazit: Straßenwerbung kann sich ändern und wird sich ändern, allerdings an Fachleuten für ästhetische Fragen (sprich für Wahrnehmung) vorbei. Vorausgesetzt ich, oder ein anderer aus diesem Metier, würde u.U. von einer Firma im Hinblick auf eine Steigerung der Nachfrage bei einem bestimmten Produkt mittels besser aussehender Werbung verpflichtet werden, was könnte ich in der jetzigen Lage bieten? Welche (Sprach-)Ebene sollte, visuell umgesetzt, als erstes und als nächstes erreicht werden? Selbst ethische Fragen erübrigen sich in der vorhandenen Situation. Ich kann mit dem jetzigen, vereinzelt wechselnden Fachjargon in Fragen einer größer angelegten Gestaltung von Werbung weder, wenn ich dafür noch, wenn ich dagegen wäre, ernsthaft mitreden. Und das ist nur ein Beispiel der Züge die, wir mir scheint, an diesem Fach leider vorbeifahren. Deshalb schreibe ich mir hier die Finger wund um die Themen Bildbeschreibung, Sprache, Internet, Sprache als Medium, Stilkritik, Medium und Sprachmittel usw. usw. usw. in der Hoffnung, dass eine Diskussion endlich in Gange kommt, um Fragen, die wirklich brennen und nur hier geklärt werden können.

  • Ja, klar! Bei Führungen weiß ich nach den ersten drei Sätzen, wo ich meine Gruppe "abholen" muss. Die Frage ist hier, was mache ich bei Audioguides und grundsätzlich, was mache ich bei Publikationen, damit sie gelesen werden?

  • Caroline Gabbert
    15.03.2010 13:42

    Im Zusammentreffen zwischen Laien und Kunsthistoriker(n) in der Betrachtung von Kunst geht es sicherlich auch darum, daß die Beteiligten erstmal eine gemeinsame (Sprach-)Ebene festlegen (müssen). Die Bereitschaft des Vortragenden, einen Dialog mit den Betrachtern zu ermöglichen, ist ein Teil davon. Den "Austausch" sehe ich hier allerdings weniger in einem Dialog über das "Wissen des Kunsthistorikers". Im besten Fall gelingt Kunstvermittlung, wenn alle Beteiligten dieses Dialogs – also der Kunsthistoriker als "Experte" und die Laien - bereit sind, sich bspw. während einer Führung über ihre Wahrnehmung von Kunstwerken zu verständigen. Im besten Fall bietet dann Kunstvermittlung eine Moderation der unterschiedlichen Wahrnehmungsweisen von Kunst an und der ganze kunsthistorische Apparat bleibt im Hintergrund bzw. bildet den Rahmen der Unterhaltung. Manche Besucher lassen das zu und teilen sich mit, entwickeln Fragen ausgehend am Objekt. Manche eben nicht – hier kann man eben nur das Angebot machen und dann in eine beschreibende Interpretation des Kunstwerks liefern.

  • p.s. Um es vielleicht noch deutlicher zu machen: in den hiesigen Hörproben wird ein Wissen vom medialen Kontinuum zusammengehalten und mehr oder weniger an das separat zu betrachtende Bild herangetragen. Mir hingegen fehlt die mediale Kontinuität vom Bild zum Wissen. So etwas wie hier: "A cet instant d’action suggéré (...) s’ajoute un motif: le modèle tient dans ses mains une musette, instrument de musique dérivé de la cornemuse traditionnelle, (...). Il est accompagné d’un chien tourné vers son visage.
    Les attributs précisent le champ de signification du portrait: chien et musette définissent le modèle comme berger, rôle souligné par l’arrière-plan décrivant une campagne bucolique. Le spectaculaire costume dont les motifs fleuris et les tons changeants d’or, de brun, de rouge et de bleu évoquent la soie et le brocart précieux (...)."
    :)
    (Entschuldigung, ich konnte die deutsche Version so schnell nicht finden.)

  • Das ist eben Teil meines Problems: inwiefern findet dieser Austausch statt und vor allem auf welcher Sprachebene? Mir scheint eben, dass eine Sprache fehlt, in der man sich über Kunst austauschen kann und frage mich, woran es liegen könnte?

    Ich gebe ein Beispiel um das zu erläutern: Wenn ich in Frankreich öffentlich über das leuchtend warme Gelb bei den Sonnenblumen Van Goghs spreche, hören mir - obwohl ich im Grunde genommen nichts sage - Laien wie Fachleute zu und viele können damit was anfangen. Wenn ich hingegen in Deutschland über die Schattenfiguren vor dem Abendrot in Caspar David Friedrichs Gemälden spreche, wenden sich Fachleute wie Laien (aus unterschiedlichen Gründen) ab, obwohl ich damit mehr sage, als mit dem Gelb bei Van Gogh.

    Ich habe natürlich übertrieben, aber nur um deutlich zu machen, was ich bemängele. Es ist, wie ich meine, keine Frage des Wissens, keine der Bildung, oder gar der Kultur. Es gibt im aktiven Wortschatz hier keine gemeinsamen Begriffe, oder nur wenige aus der Kunstgeschichte, die Sprachebenen driften sehr stark auseinander - scheint mir - oder sind es schon. Fachleute hören mir hier zu ab "die Selbstreferenzialität der paradigmatischen Ansätze" (ich ironisiere natürlich) aufwärts und Laien hören mir aktiv zu unter "der Granatapfel links im Bild ist ein Symbol für die Liebe".

    Und ich frage mich eben, ob es nicht Aufgabe der Kunsthistoriographie wäre, verstärkt und medial über die Sprache auf eine Bereicherung des aktiven Wortschatzes um eine aufgelockerte Terminologie hinzuwirken, im Hinblick auf einen breiteren Austausch über Kunst? Und ich frage mich, ob es nicht daran liegen könnte, dass das nicht stattfindet, weil Beschreibungen aus der Fachliteratur fast gänzlich fehlen, oder - falls es sie gibt - von schwer zu vermittelnden und nachzuvollziehenden Begriffen versehen sind und in der Regel nicht unter Bildlektüre sondern unter "methodischem Ansatz" laufen? Wie könnte das geändert werden und wie könnte das neue Medium hierbei hilfreich sein?

    Dass Audioguides Wissen vermitteln finde ich sehr gut, aber wer kann sich auf der unwahrscheinlich hohen Ebene, die diese Vermittlung bereits anstrebt, noch austauschen? Vieles läuft am Ende auf ein gegenseitiges Belehren hinaus oder Hervorbringen des eigenen Wissens vorbei an alle Audienz. Kurz: mir fehlt eigentlich mit meiner Sprache der Austausch jenseits eines engsten Kreises, ich finde das unmöglich und ich stelle fest, dass das nicht nur mein Problem ist. Deshalb der Kommentar.

  • Caroline Gabbert
    15.03.2010 09:19

    Hallo,
    ein selektives Hineinhören in den Audio-Guide der Ausstellung "Schöne Madonnen am Rhein" in Bonn bestätigte die Schilderung des vorigen Kommentars. Damit bildete dieser Audio-Guide eine Ergänzung zu den Texten in der Ausstellung und stellte einen Gegensatz zum größtenteils stilgeschichtlich ausgerichteten Ausstellungskonzept dar.

    Ein Pluspunkt war die Audioführung für Kinder – über deren Qualität ich allerdings mangels Testpersonen leider wenig sagen kann. Die Stimme des Sprechers war sehr angenehm, die Leihgebühr mit 1,- Euro mehr als moderat.

    Bei der Vermittlung von Kunst ersetzen und ergänzen Audioführungen offenbar mehr und mehr Wand- und Vitrinentexte. Als eines von mehreren Medien, die den Zugang zu einer Ausstellung erschließen, regen sie die Besucher vielleicht dazu an, zusätzlich eine Führung zu besuchen. Diese bietet eine Möglichkeit zum Austausch, der dem stillen Besucher versagt bleibt.

  • Kunstvermittler? Auf jeden Fall! Mir scheinen sie dringender notwendig zu sein, als sonst.

    Es fällt schwer, die Hörproben, auf die hier verlinkt wurde, zu kritisieren. Das, was ich gehört habe, ist exzellent. Dennoch: ich sehe ein Problem, gerade dort, wo die Verkaufszahlen das Gegenteil belegen, und zwar in dem auf Vermittlung von Wissen konzentrieten, didaktischen Anspruch. Nach zwei-drei Minuten Hörprobe weiß ich beispielsweise (falls ich mir das merken will) eine Menge über Rodin, über Beethoven, über Darstellung von Porträts in der Antike sowie im späten 19. Jahrhundert, über Mittel der Gestaltung in der Bildhauerei usw. usw. Zugleich erfahre ich aber, bei der konkreten Bildwerkbeschreibung, dass das, was mich an dem Kunstwerk zu beeindrucken hat, (ich gebe nur ungefähr den Inhalt des Textes wieder) die faszinierende Art ist, wie es der Künstler verstanden hat, das Porträt realistisch zu gestalten. Das ist kurz gesagt, mein Anliegen: als Besucherin einer Kunstaustellung kann ich ausgehend vom Kunstwerk, niemals anhand einer Führung (oder nur in seltenen Fällen) nachvollziehen, warum ich mich mit diesem oder jenem Artefakt weiter beschäftigen soll? Warum wird mir ein Porträt von Rodin vor Augen gestellt und nicht hundert andere Porträts von hundert anderen Künstlern, die es ebenso realistisch hinbekommen haben und zudem vielleicht sogar nach eigenem Ermessen faszinierender sind? D.h. die Beschreibung des Kunstwerks öffnet mir nicht die Augen auf das Kunstwerk und belegt schon gar nicht jene Inhalte, mit denen ich vor und nach diesem einzigen konkreten Satz zu dem Kunstwerk überschüttet werde. Ich (d.h. ich schon, aber viele andere Besucher nicht) weiß beim Verlassen einer Ausstellung nicht, was Kunstwerke zeigen, nicht allgemein und nicht im Detail, nicht wie sie das zeigen und auch nicht warum sie das tun. Und das scheint mir ein Problem zu sein, das ich nicht auf Audioguides in Ausstellungen begrenzen würde, aber an diesem Exempel durchaus erkennbar wird.

  • Vielen Dank für den kritischen und ausführlichen Nachtrag und auch für den Literaturtipp.

    Bei oben genannten Einwänden frage ich mich, ob dann nicht konsequenterweise auch Führungen durch Kunstvermittler abgelehnt werden müssten?!

    Es stellt sich ja immer die Frage, wie man mit Audioguides umgeht. Ich war kürzlich in der Seurat Ausstellung und habe zu meinem Rezensionsexemplar des Katalogs auch einen Audioguide bekommen, den ich sonst vermutlich nicht mitgenommen hätte. Ich habe mir zunächst das jeweilige Bild angesehen, habe mir im Anschluss erst den dazugehörigen Audioguidekommentar angehört und mich dann wieder vors Bild begeben. Das erfordert natürlich einige Ausdauer! Gestört habe ich also bei der Kunstbetrachtung niemanden, auch nicht mich selbst.

    Einen Audioguide als Marketinginstrument abzutun, greift m.E. zu kurz. Zudem frage ich mich, ob Besucher mit "geringen Vorkenntnissen in Sachen Kunst" sich im Anschluss an einen Ausstellungsbesuch einen Katalog kaufen und darin lesen, um Fragen zu klären - Kataloge beinhalten doch in der Regel wissenschaftliche Fachtexte, die einem Laien evtl. nicht sehr viel Freude bereiten (und überdies nicht gerade günstig sind). Da hat sich das Städel übrigens etwas Nettes einfallen lassen: Zu den Ausstellungen gibt es ein knappes, meist wunderbar geschriebenes Begleitheft, das den Inhalt betreffend einem Audioguide Text entsprechen dürfte.

  • ja. das denke ich auch. danke!

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