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Evergreens – zur Adaption von Pflanzenstudien in der Dürer-Werkstatt

Albrecht Dürers Pflanzenstudien zeugen nicht nur von der künstlerischen Finesse des Nürnberger Künstlers, sondern auch von seiner wissenschaftlichen Beobachtungsgabe. Detailgetreu zeichnet Dürer verschiedene, im Mai blühende Pflanzen samt ihren botanischen Merkmalen. Aufgrund der korrekt wiedergegebenen Pflanzenanatomie von der Wurzel bis hoch zur Blüte, lassen sich die einzelnen Gewächse wie die „blaublühende Schwertlilie“ (Bremen, Kunsthalle, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. 1851/25 Z) sowie Löwenzahn, Rispengras oder Breitwegerich auf dem „großen Rasenstück“ (Wien, Albertina, Inv.-Nr. 3075) eindeutig identifizieren.
Diese Pflanzenstudien dienten in Dürers Werkstatt als unmittelbare Lehrobjekte und Inspirations-quelle, wurden von den Künstlern vielfach aufgegriffen und in verschiedene, umfangreiche Bild-programme integriert.

„Copy and Paste“ – die Madonna mit der Iris scroll to top

Eindrückliches Zeugnis für diese Praxis des Wiederverwendens und der Adaption der Pflanzenstudien ist das Gemälde „Die Madonna mit der Iris“ (London, The National Gallery, Inv.-Nr. NG559), das heute der Dürer-Werkstatt zugeschrieben wird (vgl. Foister 2024, S. 276-295). Inmitten eines reich mit Pflanzen bewachsenen, umzäunten Gartens (Hortus conlusus) sitzt die Gottesmutter Maria in ihrem leuchtend roten Gewand auf einer Rasenbank und stillt das Jesuskind. Hier begegnen uns Adaptionen von „Alte Bekannten“ aus den Pflanzenstudien – darunter links der Madonna die namensgebende blaublühende Schwertlilie (Iris) und einzelne Pflanzen des „großen Rasenstücks“. Auf der rechten Seite sind „Günsel und Maiglöckchen“ (London, British Museum, Inv.-Nr. 1895,0915.986) vor der Blüte und eine tiefpinke Pfingstrose zu sehen. Letztere ähnelt stark einer Studie von Martin Schongauer aus dem Jahr 1472/ 1473 (Los Angeles, The J. Paul Getty Museum, Inv.-Nr. 92.GC.80), die sich wohl in Dürers Besitz befand und so ebenfalls der Werkstatt zur Verfügung stand.

Mehr als Zierde: Pflanzen als Träger theologischer Bedeutung scroll to top

In ihrem neuen Kontext werden die floralen Motive zusätzlich mit theologischem Gehalt aufgeladen. Das zentrale Bildmotiv der Maria umgeben von Pflanzen im Hortus conclusus ist seit dem Mittelalter geläufig und ist dem Hohelied Salomos entlehnt. Darin wird eine Frau als „Blume des Scharon und eine Lilie der Täler“ (Hld 2,1) und als „verschlossener Garten“ (Hld 4,12) bezeichnet. Auch die abgebildeten Pflanzen dienen als Marienattribute. So werden Iris und Rose mit den „Sieben Schmerzen“ der Jungfrau in Verbindung gebracht, die Iris ist gleichzeitig Symbol für die Reinheit der Maria, während die Weinrebe als Symbol der Eucharistie und Vorbote der Passion Christi gilt.
Mustergültig verdeutlicht das Gemälde der „Madonna mit der Iris“ somit das Aufgreifen und die Weiterentwicklung von Bildmotiven in der Dürer-Werkstatt.

Digital vernetzt – Pflanzenvielfalt in duerer.online scroll to top

Während die Pflanzenstudien in verschiedenen Sammlungen verteilt sind, können sie gemeinsam mit dem Gemälde der „Madonna mit der Iris“ auf duerer.online  recherchiert werden. Das virtuelle Forschungsnetzwerk duerer.online ist ein seit 2020 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördertes Kooperationsprojekt der Universitätsbibliothek Heidelberg und der Museen der Stadt NürnbergAlbrecht-Dürer-Haus-Stiftung e.V.. Unter Einsatz der Wissenschaftliche Kommunikationsinfrastruktur (WissKI) entsteht eine Forschungsumgebung, die perspektivisch ein vollständiges Werkverzeichnis der Druckgrafik, Gemälde und Zeichnungen des Künstlers sowie des Nachlebens enthalten wird. Dabei werden einzelne Werke, wie die Pflanzenstudien, auf vielfältige Weise – durch Verlinkungen in den Kommentartexten, festgelegte Bezüge oder Klassifikationen via Iconclass – semantisch mit weiteren Datensätzen verknüpft. Über den implementierten IIIF-Viewer können verschiedene Objekte zudem nebeneinander betrachtet werden. So eröffnet duerer.online vielfältige Möglichkeiten zur vergleichenden Erforschung von Dürers Pflanzenwelt.

Über die vielfältigen Verknüpfungs- und Vergleichsmöglichkeiten der Objekte in duerer.online, verschiedene Suchmöglichkeiten und die Darstellbarbarkeit von Zuschreibungsdiskursen geht es im nächsten Termin von Tür auf! bei duerer.online. Ganz im Sinne von Dürers Familienwappen öffnet das virtuelle Forschungsnetzwerk duerer.online für alle Interessierten jeden 3. Donnerstag im Monat, um 13.00 Uhr, seine Türen.

 

Ob Dürer-Fan, Student:in oder Wissenschaftler:in – fühlen Sie sich herzlich willkommen!

Nächster Termin:
Do, 15. Mai 2025
13.00–14.00 Uhr
Raum-Link:  heiconf.uni-heidelberg.de/9awa-rxha-6xux-m6jm

Eine vorherige Anmeldung ist nicht erforderlich.

Gerne können Sie uns spezifische Fragen, die Vorbereitung erfordern, bereits vorab zukommen lassen.

info@duerer.online

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