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Kunst (in) der Karikatur – in zwei Ausstellungen

Runde oder auch halbrunde Geburtstage werden immer wieder gerne als Anlass genutzt, daraus ein großes Ding zu machen und die Kunst zu feiern. Im vergangenen Jahr bejubelte die Caricatura Galerie in Kassel den 70. Geburtstag von Gerhard Glück mit einer Ausstellung, die in diesem Sommer (noch bis zum 13.9. – Eile ist geboten!) im Caricatura Museum in Frankfurt zu sehen ist. Das Museum für Neue Kunst in Freiburg dagegen lud dagegen Peter Gaymann ein, dessen 65. Geburtstag in der dann 30 Jahre jungen Institution zu feiern (bis 25. Oktober). Gratulation an beide, wenn auch mit Verspätung! Beide Cartoonisten gelangten also in ihre jeweilige alte Heimat zurück. Ist dies ein Zufall? Ein weiterer Aspekt verbindet die beiden so unterschiedlich arbeitenden Cartoonisten und Illustratoren: Sowohl in Frankfurt als auch in Freiburg liegt der Schwerpunkt der Präsentation in der Auseinandersetzung mit der Kunst und dem Kunstmarkt.

„Glück im Museum“ ist die Schau in Frankfurt betitelt und sie „beglückt“ die Museumsbesucher mit einer äußerst umfangreichen Bilderschau. Gerhard Glück bietet eine wahre Kunstgeschichtsbetrachtung der etwas anderen Art. Er durchleuchtet die Entstehungsmythen mancher Meisterwerke, die unzählige Kulturbeflissene einzeln oder in Gruppen (treffend das Bild „Frauengruppe unterwegs zu irgendeinem Kulturevent“) in die Museen und zu den Ausgrabungsstätten treibt. Wer hätte schon ahnen können, dass Leonardo das verzogene Gör Mona Lisa, das plärrend um dessen Aufmerksamkeit heischt, zurechtweisen muss und mit dem Porträtwunsch auf später vertröstet. Das Ergebnis ist hinlänglich bekannt. Dank der in den Medien vor etwa 100 Jahren aufgebauschten Kunstraubaktion geriet das Porträt zu einem Bildnis, das wie ein Magnet das Publikum anzog und es noch immer tut. Auch dies lässt Glück nicht unkommentiert und schildert „Aus dem Leben der Mona Lisa“, wie sich ihr Dasein im Louvre anfühlen muss. Es entspricht den Tatsachen. Erst kürzlich habe ich mich vom Zustand selbst überzeugt! Ob der von Glück gemalte Spiegel allerdings die Betrachter vom Betrachten und Knipsen abhalten wird, bezweifle ich.

Als Kunsthistorikerin hatte ich meinen ganz persönlichen Spaß an den Bild(er)findungen Glücks zu den Größen der Kunst und den Kunsttempeln. Was sich im Museum tut, wenn keiner hinschaut („Im Barocksaal gibt es manchmal kleine Probleme“), beflügelt die Fantasie. An Van Gogh und Mondrian, an Vermeer und Rembrandt kommt man nicht ohne Schmunzeln vorbei. Selbst die Entstehungsgeschichte um das „Frühstück im Freien“ von Manet erklärt Glück zum Glück der Betrachter. Hin und wieder fühlt man sich ertappt, einen ähnlichen Gedanke selbst gehabt zu haben, nur traute man sich nicht, ihn auszusprechen oder gar in Bildern festzuhalten. Oder die eigene Verhaltensweise der Beflissenheit in der Kunstbetrachtung wird überführt (da faszinierte mich „Der Haken“ ganz besonders). Die bis in die Details ausgearbeiteten Pastelle mit ihren schrägen Typen des Alltags, die im Museum eine Abwechslung suchen, wurden schon mehrfach mit dem Deutschen Karikaturenpreis ausgezeichnet. Absolut sehenswert – auch wegen der zahlreichen weiteren Karikaturen und zweier Kurzfilme, die zu sehen sind. Also: schnell noch hinfahren!

„Kunst kommt von Kaufen“ erklärt die Freiburger Ausstellung von Peter Gaymann. Das Plakatmotiv stellt Baselitz auf den Kopf, zumindest, was dessen Marktwert anbelangt. Gaymann interessiert sich für die Marktmechanismen und der rund um die Kunst betriebene Kommerz. So betritt man denn auch die Ausstellung zunächst durch einen fiktiven Museumsshop (in der Museumsrealität endet die Ausstellung meist im Shop) mit allerhand Merchandising-Produkten, verziert mit dem Markenzeichen Gaymanns, dem Huhn. Barbies Ken trägt eine Küchenschürze. Er ist zum nackten Hausmann degradiert. Auch Schmuckstücke und Wohnaccessoires wie beschriftete Teller und Sofakissen werden angeboten neben bislang ungeschriebenen Büchern. Eine Besonderheit sind die eigens für die Ausstellung geschaffenen Keramikarbeiten à la Picasso.

Gleich um die Ecke kann man das Atelier des Künstlers betreten. Gaymann hat für die Dauer der Ausstellung auf alle Utensilien und Erinnerungsstücke verzichtet. Selbst seine Bleistifte und Radiergummis liegen parat. Jederzeit könnte er den Raum betreten und mit dem Arbeiten beginnen. Es ist eine seltene Gelegenheit, dem Künstler buchstäblich über die Schulter zu schauen, obgleich er nicht vor Ort ist. In einem Filminterview, das im Raum gezeigt wird, schildert er seine Vorgehensweise und man kann ihn beim Arbeiten beobachten. Er beschäftigt sich nicht alleine mit dem Zeichnen von Karikaturen, sondern schafft auch kleine Installationen für seine Fotoaktionen. David Hockneys Poolbilder haben es ihm angetan. Mit Hilfe von Barbies Ken (wir kennen ihn schon als Schützenhelden) inszeniert er die Poolszenen in einer alten Badewanne im Garten nach. Es bleibt allerdings beim Plätschern an der Bildoberfläche. Ganz aus den Fugen gerät eine weitere Inszenierung als Persiflage auf Ai Weiweis Aktion „Dropping a Han Dynasty Urn“ (1995), bei der eine historische Vase zu Bruch geht, reduziert Gaymann auf Wortspielereien, wenn er eine Handvoll Hühnereiern fallen lässt. Im Film kommentiert er dies so: „Aus Ai Weiwei wird Ei Gay Gay [kurze Sprechpause] Man kann das auch lustig finden!“ Leider ist es aber ein Witz, der völlig daneben geht.

In einem weiteren Raum sind dann endlich 24 Originalzeichnungen zu sehen, die sich mit dem Thema der Ausstellung befassen. Umgeben sind die auf 8 Tischen à 3 Zeichnungen übersichtlich präsentierten Arbeiten mit Vergrößerungen als Wandtapeten. Das ist schade, denn an Ideen scheint es Gaymann nicht zu mangeln, veröffentlicht er doch mehrere Bücher jährlich und ist auch sonst in Zeitschriften omnipräsent mit seinem Bildwitz. Quasi als Entschädigung gibt es im nächsten Raum dann Kunst am laufenden Meter. Große Papierbahnen sind an der Wand befestigt und zeigen Cartoons in der Endlosschleife – ein Bild greift in das nächste über. Man kann sich einen Meter abschneiden lassen – Kostenpunkt: 490 €. Dafür erhält man ein Original mit einem Ausschnitt aus einem größeren Ganzen. Den Sinn darf sich der Käufer / die Käuferin anschließend selbst erschließen.

Dass sich auch andere Künstler mit der Kunst auseinandersetzten, erfahren die Besucher im nächsten Raum: Da gibt es 99 Cartoons zu sehen – nicht alle auf einmal, denn auf den Zetteln, die ausgehängt sind, stehen nur ein Barcode und in drei Sprachen die Betitelung der Karikatur. Was sich dahinter verbirgt, erfordert die mittlerweile immer wieder geforderte „Interaktion“ des Besuchers. Man darf sich Zettel aussuchen und an einem Pult über einen Barcodelesegerät einscannen und per Beamer an die Wand schicken lassen. Abschließend lädt ein weiterer Raum zum selbst Kreativwerden ein mit einer Werkstatt. Es finden dreimal wöchentlich kostenlose Kurse statt, aber auch sonst kann man mit dem bereit gestellten Material Bilder selbst ausmalen und Texte hinzuerfinden oder Postkarten übermalen oder bekleben. Zum Abschluss dann noch ein Buchladen mit Leseecke, um in den zahlreichen Büchern Gaymanns zu stöbern und das eine oder andere dann im real existierenden Museumsshop zu erwerben. Dort gibt es auch ein reichhaltiges Sortiment an Postkarten – leider nicht mit den Motiven, die in der Ausstellung zu sehen sind. Insgesamt eine schlüssige Schau mit fantasievollen Inszenierungen, wenn auch ein Mehr an Originalen wünschenswert gewesen wäre.

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