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"(…) krumme und schmutzige Wege": Kunst, Fälschung und Kunsthandel in Literatur und Film

"(…) krumme und schmutzige Wege": Über das Verhältnis von Kunst, Fälschung und Kunsthandel in einigen Büchern und Filmen scroll to top

In Literatur und Film hat das Fälscherthema im 20. und 21. Jahrhundert fast durchgängig Konjunktur, wohl auch, weil – wie momentan gerade – immer wieder aktuelle, spektakuläre Fälle die öffentliche Aufmerksamkeit sowohl auf vergleichbare Fälle der Vergangenheit und jeweiligen Gegenwart wie auf das Phänomen an sich lenk(t)en.

 

So verwundert es auch nicht, dass 2013 gleich zwei Romane in zwei unterschiedlichen Sprachen vorgelegt wurden, die zudem aus verschiedenen Zeiten stammen; ihnen lassen sich sodann zwei gleichfalls aus unterschiedlichen Produktionsjahren stammende Filme vergleichend an die Seite stellen, denn allen vier Werken ist – neben dem generellen Thema des/der Fälscher-Protagonistin/en –  gemein, dass sie das Verhältnis des Fälschers zu seiner Kunst und zum Kunstmarkt auf ganz ähnliche Weise entwerfen und beschreiben.

 

2013 legten gleich zwei Verlage – einmal der „Gerettete Schriften“-Verlag (Untertitel: „Verlag für Entdeckungen“) und einmal der Verlag „tredition“ – Walter Harichs Roman „Der Fälscher“ aus dem Jahre 1930 neu auf. Ermöglicht wurde diese parallele Neuveröffentlichung wohl durch den Umstand, dass der Text des 1888 geborenen und 1931 verstorbenen deutschen Autors inzwischen gemeinfrei geworden war. Zudem scheint Harichs Buch (Untertitel: „Die Flucht aus der Zeit“) seinerzeit kein allzu großer Erfolg beschieden gewesen zu sein, was ein Stück weit insofern verständlich ist, als der Roman recht durchschaubar konstruiert ist: Um zwei im Mittelpunkt stehende, als Gegensatzpaar angelegte Künstler und ihnen an die Seite gestellte Frauen wird in geradezu konzentrischen Kreisen sukzessive eine ganze Phalanx aus weiteren Personen aus den unterschiedlichen Bereichen und Schichten der Gesellschaft angeordnet, um eine Art von übergreifendem Sittenportrait der Zeit zu ermöglichen: Harich hatte in einem im Vorjahr erschienenen Aufsatz „Der Fortsetzungsroman“ (erschienen Oktober/November 1929 in der Monatsschrift „Die Literatur“) geklagt: „Fast niemand hat heute, wenn er ein zeitgenössisches Buch liest, das Gefühl: Das bin ich, das ist mein Schicksal!“ und er hatte als Ziel daraus abgeleitet: „Dahin aber müssen wir kommen.“

 

Dies ist wohl auch der Punkt, an dem Harich sich für das Phänomen der Fälschung zu interessieren beginnt, denn dieses ist dem von ihm formulierten Anspruch geradezu diametral entgegengesetzt: Die verpflichtende Ausgabe des Künstlers sei es, so wird es an einer Stelle [S. 56 in der tredition-Ausgabe, nach der hier zitiert wird] auch noch einmal postuliert, „der Zeit dazu verhelfen, ihre Form zu finden. (…) Alles andre ist Flucht“. In der Tat portraitiert der gerissene, unmoralische und weltmännische Maler und Gelegenheitsbildhauer Erich Torner seine Geliebte Hildegard Durlacher dann auch in einem Bild, von dem es [S. 119] heißt: „Sie liebten beides dieses Bild, fanden ihre Zeit darin auf eine selten gelungene Art zusammengefaßt und enthüllt“.

 

Freilich muss sich Torner zu solchen Leistungen durchringen, denn er gesteht, zuweilen der Versuchung erliegen zu wollen, sich (wie z.B. bei einer Fälschung) in die Stile und Motive vergangener Zeiten zurückzuziehen [S. 56]: „Ich möchte mich still hinsetzen und alte Zeit kneipen. Manchmal stelle ich mir so den Himmel vor, daß man da in alten Stilen herumplätschern darf. Hier auf der Erde darf man es, glaube ich, nicht.“  Hinter dieser Rückwärtswendung wird dabei auch [S. 15] „eine Sehnsucht nach durchgeistigteren Zeiten (…), eine Angst vor dem Seelenvakuum der Gegenwart“ ausgemacht, der jedoch von Torner selbst die geradezu heroisch apostrophierte Verpflichtung gegenüber gestellt wird [S. 120]: „Wozu sollen wir überlebte Vorstellungen ins Leben zurückrufen? Wir müssen vorwärts, durch die ganze Einsamkeit und Glücklosigkeit dieses Lebens hindurch.“

 

Da der Künstler jedoch – gerade in seiner Kontrastierung mit dem eher weltscheuen, freundlichen Maler und Bildhauer Anton Marcks – als moralisch wenig gefestigt gezeichnet wird (was alleine schon dadurch betont wird, dass Torner dem Kollegen Marcks erst die Frau ausgespannt, sie dann aber fallen gelassen hat), scheint es naheliegend, dass er sich hinter dem titelgebenden Fälscher verbirgt, der in Harichs Roman sein Unwesen treibt: Mittelalterliche Skulpturen des 13. bis 15. Jahrhunderts, scheinbar aus einem Kloster in Spanien sowie einer Kapelle in Franken stammend, verunsichern Kunsthändler wie Käufer (unter ihnen auch der Bruder von Hildegard Durlacher, der Juniorchef des Bankhauses Düsen & Durlacher, Hans), nachdem ein Museumsassistent bei deren Begutachtung plötzlich physiognomische Parallelen zwischen den angeblich aus verschiedenen Jahrhunderten stammenden, „spanischen“ Heiligen-, Engels, Mönchs- und Sibyllen-Figuren aufgefallen sind, die sich später im Roman dann auch auf eine vorgeblich deutsche Madonnenstatue ausdehnen lassen (hinter diesen Erfindungen Harichs stehen wohl als Vorbild die sogenannten tatsächlichen „Marcy-Fälschungen“, von dem unter dem Namen „Louis Marcy“ firmierenden Italiener Luigi Francesco Giovanni Parmeggiani ab Ende des 19. Jahrhunderts im Umlauf gebrachte Falsifikate mittelalterlicher Kunst) .

 

Harich rekurriert hier sehr schön auf ein häufig in der Geschichte von Fälschungen anzutreffendes Entlarvungsmoment: Jemand bekommt die Gelegenheit, die vorgeblich aus verschiedenen Jahrhunderten, Geographien und Künstlerhänden stammenden Hervorbringungen eines Fälschers zusammen zu sehen und entdeckt darin dessen Personalstil, der die Falsifikate als solche verrät (Gleiches in dem Roman gilt für die Methode, in der die z.T. langgesuchten, verschollenen Werke „wieder“ entdeckt“ werden: Brandstiftung sorgt jeweils dafür, dass die Aufmerksamkeit plötzlich auf die zuvor anscheinend übersehenen Stücke gerichtet wird).


Die Beobachtung des Museumsassistenten gibt Harich nun nicht nur die Gelegenheit, wiederholt auf den (seinerzeit tatsächlich noch existierenden) „Internationalen Museenverband“ zu verweisen (vollständiger Name: „Internationaler Verband von Museumsbeamten zur Abwehr von Fälschungen und unlauterem Geschäftsgebahren“, der zwischen 1898 und 1939 bei der Fälschungsbekämpfung äußerst aktiv war) und ironisch als „Fälscherverband“ apostrophieren zu lassen (S. 26: „Weil er alles Echte unecht macht.“), sondern damit auch das Motiv der „Ähnlichkeit“ einzuführen, mit dessen Hilfe der Leser immer wieder getäuscht und verwirrt wird. So wird zunächst mehrfach betont, dass die Gesichter der „mittelalterlichen“ Figuren den Zügen der Schauspielerin Sybille Marcks, der Tochter des Künstlers Anton Marcks ähnelten…bis sich herausstellt, dass tatsächlich deren Mutter Nora Velten (die Ex-Frau von Marcks und dann vernachlässigte Geliebte Erich Torners) das wirkliche Modell für die Statuen ist.

 

Auch zwischen Marcks und Torner werden (u.a. mittels solcher Parallelen und Beziehungsverläufe und bei aller grundsätzlichen Gegensätzlichkeit) Ähnlichkeiten gestiftet, die ebenfalls dazu angetan sind, den Leser falsche Schlüsse ziehen zu lassen. Enthüllt wird zunächst einmal nur schrittweise, dass hinter den Fälschungen in letzter Instanz ein Kunsthändler steht, der im Roman bezeichnenderweise zunächst einmal nur als „Der Dunkle“ benannt wird, und der einen Künstler dazu nötigt, Falsifikate in seinem Auftrag und zu seinem Nutzen anzufertigen – „wie einen Sklaven“ [S. 218] hält sich „Der Dunkle“ den Künstler, von dem es zuletzt auch heißt [ebd.]: „Er wurde von Werk zu Werk weitergehetzt“.

 

Alles deutet zunächst auf den eher gewissenlosen Erich Torner hin, aber nachdem auch noch ein Mord geschehen ist (der Kunsthändler Schabrack wird ermordet aufgefunden), klärt sich alles auf: Der so freundliche Marcks, von dem Torner bereits [S. 123] bezeichnenderweise gesagt hatte „ich weiß nicht, ob er in der Gegenwart lebt“, erweist sich als der in Geldnot von dem Kunsthändler Schabrack versklavte Fälscher, der sich am Schluss gewaltsam gegen seinen Tyrannen erhoben hat; er verehrte seine frühere Ehefrau Nora so sehr, dass er sie zur Grundlage der gefälschten (bezeichnenderweise Engel und Heiligenfiguren darstellenden) Skulpturen genommen hat.

 

Harichs Roman ist nun, bei aller Zeitverhaftetheit in der den Gesellschaftsroman in den Blick nehmenden Form, in zweierlei Hinsicht interessant: Zum einen, weil der Autor immer wieder mittels der Dialoge seiner Figuren eine z.T. differenzierte Erörterung des Für und Wider der Fälschung liefert.

 

Dies beginnt damit, dass dem Kunstwerk hier eine quasi auch läuternde Funktion zugeschrieben wird. So sagt Torner an einer Stelle [S. 73] über sich: „Ich wirke fortgesetzt meine verbrecherischen Instinkte aus, aber was herauskommt[,] sind keine Verbrechen, sondern Kunstwerke.“ Fälschungen wird demgegenüber die Funktionen zugewiesen, dass der Künstler sich in ihnen paradoxerweise von seiner wahren Seite zeigen kann: Als Torner verdächtig wird, der Fälscher zu sein, heißt es in einem Gespräch [S. 183]: „Vielleicht sind diese Fälschungen Torners echteste Arbeiten!“ „Wie das?“ „Weil er in diesen Arbeiten etwas von sich mitteilte, was er sonst ängstlich zu verschweigen suchte. Hinter der fremden Maske konnte er sich vielleicht am unmittelbarsten aussprechen.“

 

Eben dies könnte in der Tat nicht nur für Torner gelten, der ja (siehe oben) wiederholt seiner Müdigkeit in Bezug auf das Innovations- und Aktualitätsgebot der Moderne Ausdruck verleiht, sondern es trifft am Schluss dann auch auf den tatsächlichen Fälscher Marcks zu, der seine Liebe zu Nora dadurch am unmittelbarsten äußern konnte, dass er sie in den Fälschungen als Heilige und Engel darstellte; da diese jedoch der Ikonographie einer vergangenen Zeit zugehören, fälschte er diese Werke in die Vergangenheit hinein, wodurch diese zurückliegende und vergangene Epoche zugleich zur Chiffre der vergangenen Liebe zwischen Anton Marcks und seiner Ex-Frau Nora wird: Die Fälschung, obgleich ihm aufgezwungen, wird so zu einer Chance zur „Flucht aus der Zeit“ und aus dem von ihr auferlegten Innovations- und Modernegebot.

 

In eben diesem Sinne argumentiert dann auch verteidigend Marcks‘ Tochter Sibylle am Schluss des Romans [S. 217]: „Und es ist doch nicht richtig, daß es Fälschungen sind! Nie sind persönlichere Werke geschaffen worden als diese. Muß man denn immer arbeiten, was heute modern ist? Darf man nicht arbeiten, was in zweihundert Jahren wieder modern sein wird?“ Darauf antwortet der Kunsthistoriker Günther Filscher: „Man soll schaffen, was morgen modern sein wird.“ Dem entgegnet Sibylle: „Das hat mein Vater nicht getan (…). Mein Vater konnte das nicht. Er verstand es nicht, sich mit der Zeit abzufinden. Er bangte sich nach Zeiten, die erfüllter und gottnäher waren. Es war nur ehrlich von ihm, daß er auf die alten Stile zurückgriff. Er liebte das Mittelalter, die Gesimse verwitterter Dome, Wälder von Säulen, die Wunderhöhlen dunkler Altarnischen, den Prunk goldener Gewänder, den Ernst grauer Harnische, Rosse, Könige, Heilige, und meine Mutter mußte er in eine solche Welt hineinsetzen. (…) Um solche Arbeiten schaffen zu können, hat er sogar sein Gewissen geopfert.“ 

 

Was damit gemeint ist, wird eine Seite später nachgeliefert, wenn es von Marcks heißt [S. 218]: „Er hatte es (…) noch nicht aufgegeben, auf dem Umweg über die alten Stile zu seinem eigenen Stil vorzudringen. Immer mehr Eignes brachte er in seinen Arbeiten hinein, bis es ihm schließlich bei seinem letzten Werk gelang, das zu schaffen, was ihm vorgeschwebt hatte. Schabrack sollte dieses Werk nicht bekommen, aber durch Geldnot wurde mein Vater schließlich doch gezwungen, es ihm zu überlassen.“

 

Dies erinnert an eine frühere Passage, in der der Fälscher [S. 191] es so empfindet, dass seine Werke, „[s]olange sie bei ihm sind, (…) rein“ sind. Erst, wenn sie zum Objekt eines Handels werden, verlieren sie diesen Status der Reinheit: „Er weiß, daß seine Werke krumme und schmutzige Wege gehen.“

 

Damit wird zugleich auch eine Kritik an Kunsthandel und am Sammeln angedeutet, die im Roman immer wieder artikuliert wird. Als Hans Durlacher erkennen muss, dass eine vom ihm gekaufte und geliebte Statue nur eine Fälschung ist, wird gefragt [S. 155]: „Wäre es Ihnen dann weniger wert?“, woraufhin er antwortet: „Es wäre nichts wert!“ – er richtet seine persönliche Einschätzung des zuvor von ihm verehrten Objekts also ausschließlich nach dem ökonomischen, nicht nach dem persönlichen Wert.

 

Zugleich wird angedeutet, dass diese Art des Sammelns auch (ebenso wie die Fälschung) eine Flucht aus der Zeit ist – in Bezug auf sich sagt Durlacher daher auch ganz bezeichnend [S. 199]: „Ich blieb bei der Gotik, sie hatte mich völlig ergriffen. Es ist eine Flucht aus der Zeit darin, die mich unwiderstehlich fortriß.“

 

Interessant ist Harichs Roman jedoch zum anderen auch insofern, als er sich eines Motivs bedient, das häufig in der Interpretation von Fälschergeschichten angetroffen werden kann: Schuld ist in letzter Instanz demzufolge nicht der Künstler, der ja – wie gesehen – eigentlich rein und unschuldig bleibt, sondern schuld ist der Kunstmarkt, hier personifiziert in der Gestalt des „Dunklen“, hinter dem sich ein Kunsthändler verbirgt, der auf den bezeichnenden Namen „Schabrack“ hört (ein Name, der an „Schabracke“ denken lässt, einen Begriff, der u.a. sowohl zur Bezeichnung von einem Dinge verdeckenden Stück Stoff wie auch umgangssprachlich für Abgenutztes verwendet wird).

 

In eben diesem Punkt lässt sich Harichs Buch dann auch mit dem alles in allem sehr viel weniger interessanten und komplexen, 2013 erschienenen Roman der amerikanischen Autorin B. A. (Barbara) Shapiro vergleichen, denn auch hier ist es ein Kunsthändler, der die im Zentrum der Handlung stehende Malerin Claire Roth dazu verführt, eine Fälschung anzufertigen: Sich den 1990 erfolgten Diebstahl von insgesamt 13 Kunstwerken aus dem Isabella Stewart Gardner Museum in Boston zum Ausgangspunkt nehmend, entwirft Shapiro einen Plot, demzufolge der Kunsthändler und Galerist Aiden Markel an eines der Gemälde aus der Beute (das fiktive Degas-Gemälde „After the Bath“) herangekommen ist, das er nun angeblich an das Museum zurückgeben möchte – nicht jedoch, ohne zuvor noch eine heimlich zuvor bei Claire in Auftrag gegebene Kopie des Gemäldes – nach dem Vorbild des 2004 verurteilten Betrügers Ely Sakhai– an einen indischen Sammler als vermeintliches Original verkauft zu haben. Shapiros Roman ist ein typischer „Page-Turner“, bei dem die Handlung zügig und mit immer neuen Wendungen vorangetrieben wird, worüber auch ein paar kleinere Ungereimtheiten verdeckt werden (wieso z.B. bedurfte es überhaupt des angeblich wieder aufgetauchten Originals von Degas‘  Bild, um einen indischen Sammler mit einer Kopie zu täuschen? Zur Anfertigung der Kopie hätten – ganz wie dies der Film „The Forger“ von Lawrence Roeck aus dem Jahr 2012 vorführt, wo übrigens auch ein nicht-westlicher Sammler mit dem arabisch klingenden Namen „Amir“ hereingelegt werden soll  – auch gute Fotografien genügt). Claire empfindet den an sie ergehenden und mit Aussichten auf Geld sowie eine steile künstlerische Karriere verknüpften Auftrag dann auch als „a deal with the devil“ [S. 11] und so, sowie durch das wahre Wesen, das Markel gegen Ende des Romans enthüllt, wird deutlich, dass sie zu der Untat durch den teuflischen Kunsthändler verführt wurde (Shapiro baut hier, um ihre Protagonistin vor dem strengen Urteil des Publikums zu schützen, sogar noch eine weitere Sicherung ein, indem sich das von ihr kopierte Gemälde von Degas im weiteren Verlauf selbst als Fälschung erweist, zu dessen Entlarvung Claire beiträgt, so dass sie nicht nur in letzter Instanz gar keine Untat begangen, sondern, ganz im Gegenteil, durch ihre Kopie sogar noch zur Aufklärung eines anderen Betrugs beigetragen hat).

 

In der gleichen Weise definiert nun auch der zuvor erwähnte amerikanische Spielfilm „The Forger“ von 2012 das Verhältnis zwischen dem jugendlichen Künstlergenie Josh und dem Kunsthändler-Duo Everly Campbell und Barnie, die den Jungen dazu missbrauchen, ein scheinbar wieder entdecktes Meisterwerk Winslow Homers an einen gutgläubigen Sammler zu verkaufen. Auch hier wird der ahnungslose Josh zur der kriminellen Fälscherhandlung verführt, auch hier gibt es eine Figur, die aus Geldmangel zur Fälschung gezwungen wurde, und auch hier ist es zuletzt (wie bei Shapiro) der Künstler selbst, der zur Entlarvung der Fälschung beiträgt und so zugleich die eigentlichen Drahtzieher überführt.

 

Wie weit zurückgehend und fest verwurzelt diese Denkfigur des dem betrügerischen Kunsthändler hörigen Fälschers ist, kann schließlich daran ersehen werden, dass sogar reale Begebenheiten, wenn sie fiktional aufbereitet werden, über diesen Leisten geschlagen werden: 1949 legte Fritz Kirchhoff mit seinem Film „Verführte Hände“ seine filmische Interpretation des Falles um Han Van Meegeren vor, der ab den 30er Jahren Vermeer-Fälschungen auf den Markt gebracht hatte und 1947 wegen Betruges und Feindbegünstigung angeklagt wurde, weil er – scheinbar – im Krieg nationales Kulturgut an den deutschen Feind verkauft hatte. Tatsächlich jedoch hatte es sich bei dem an Hermann Göring verkauften Bild um eine Vermeer-Fälschung gehandelt, so dass Van Meegeren zuletzt nur noch wegen Fälschung und Betrug zu der Mindeststrafe von einem Jahr verurteilt wurde. Obgleich Van Meegeren aus eigenen Stücken und weitestgehend selbständig gehandelt hatte, schaltet Kirchhoff in seiner Version die wohlvertraute Figur des skrupellosen Kunsthändlers zwischen den Künstler und seine Fälschungen: Verkooren (Han Van Meegerens filmisches Alter Ego) wird von dem habgierigen Kunsthändler Dr. Aslan Trollop u.a. über die Drogenabhängigkeit des Künstlers kontrolliert und dazu verdammt, eine Fälschung nach der anderen abzuliefern. Aus der physischen wie psychischen Abhängigkeit kann sich Verkooren zuguterletzt nur befreien, indem er, unterstützt von der Tochter des Kunsthistorikers Ebenwyl, ein Gemälde in dem lange unterdrückten, eigenen Stil schaffen kann.

 

Warum können solche Beobachtungen nun überhaupt von Relevanz sein?

 

Zum einen, weil sie uns vielleicht etwas grundsätzlich über die in unserer Gesellschaft unterschwellig tradierten Vorstellungen in Bezug auf das Verhältnis von Kunst und Markt verdeutlichen können: Denn blickt man hinter die in den erörterten Romanen und Filmen stets anzutreffende Konstruktion, so wird klar, dass Kunst demzufolge eine hehre, reine, selbstlose und stets mit dem Guten assoziierte Sphäre darstellt – die dort tätigen Kreativen haben nie verbrecherische oder auch nur auf Profit ausgerichtete Absichten, sondern es ist stets der böse und perfide Kunsthändler, der „krumme und schmutzige Wege“ in eine Praxis eröffnet, in der es nur noch um Bereicherung und Täuschung geht: Das Gesamtsystem „Kunst“, so gewinnt man den Eindruck, wird hier aufgeteilt in einen Bereich, in dem der gute Künstler ganz für seine Ideale und seine Werke lebt, und ein dem fast diametral entgegen gesetztes Feld, in dem der verschlagene Kunsthandel operiert, der sich den Künstler in seiner Reinheit und Selbstlosigkeit gefügig macht und ausnutzt.

 

Dies hilft vielleicht auch dabei zum anderen, den allgemeinen, fast amüsierten Schock der Gesellschaft zu erklären, den manche Fälschungs-Skandale für sie darzustellen scheinen, denn in Fällen wie z.B. demjenigen Wolfgang Beltracchis wird unleugbar deutlich, dass es durchaus auch die Künstler selbst sein können, die hier ganz allein Drahtzieher und Akteure des Ganzen sind.

 

Interessant ist es, dann zu beobachten, wie mit diesem unleugbaren Umstand umgegangen wird – im Falle Beltracchis nahm die Argumentation die (von Beltracchi mit seiner Autobiografie „Selbstporträt“ kräftig sekundierte) Form an, dass man geradezu aufatmend auf dessen Hippie-Vergangenheit verwies und seine Aktivitäten fast entschuldigend dahingehend deutete, dass es sich bei ihm eben um geradezu einen Außenseiter der Gesellschaft handele, der einfach nur gut habe leben wollen und daher – sozusagen eher als Hobby-Maler – immer nur dann einmal wieder etwas gefälscht habe, wenn er Geld gebraucht habe: So wird eine fast in doppelter Weise funktionierende Legitimation enzwickelt, die einmal den Fälscher exkulpiert (er ist ohnehin ein Außenseiter und auch nicht wirklich böse oder kriminell veranlagt, sondern – als „Hippie“ – mit einem offenbar sehr „flexiblen“ Rechtsempfinden ausgestattet) und einmal die Sphäre der Kunst (diese bleibt insofern „rein“, als es sich bei Beltracchi ja offenbar nicht um einen echten Künstler handelte).

 

Konkret bedeutet dies, dass man das System „Kunst“ so in jedem Fall „rein“ erhält, denn zum einen reinigt man den Drahtzieher von seinen bösen Motiven und spricht ihm zum anderen auch gleich den Künstlerstatus ab.

 

In diesem Licht überrascht es dann auch umso weniger, dass Beltracchis Fälschungen nach deren Entlarvung immer wieder als an und für sich harmlose, da schlecht gemalte und mithin eigentlich leicht zu enttarnende Machwerke dargestellt wurden: Neben der damit erfolgenden Selbstversicherung der Experten (nach dem bislang noch nach jedem Fälschungsfall formulierten Erleichterungs-Motto „Das wird uns künftig nicht noch einmal passieren, wenn wir nur genauer hinsehen“) schließt eine solche Sichtweise den Fälscher auch gleich aus dem System der Kunst aus.

 

Es bleibt jedoch die Frage, ob man es sich damit nicht in jeder Hinsicht zu einfach macht, denn zum einen hat sich der Fälscher in jedem Fall mindestens als ein fähiger Maler und kreativer Handwerker erwiesen, dessen Fälschungen offenbar so gut waren, dass sie nicht nur nachhaltig getäuscht haben, sondern auch Spitzenpreise und Lobeshymnen erzielten; zum anderen ist zu fragen, ob in eine solch undifferenzierte Betrachtungsweise von Fälschungsfällen nicht auch die beobachtete Grundstruktur der einander gegenübergestellten Sphären von reiner Kunst hier und schmutzigem Kunstmarkt dort mithineinspielt. Dass diese in jedem Fall einen Faktor bei der Beurteilung des Beltracchi-Falls darstellt, zeigen auch Publikums- wie Presse-Reaktionen auf Arne Birkenstocks 2014 vorgelegten Film „Beltracchi – Die Kunst der Fälschung“, der immer wieder dahingehend gedeutet wurde, dass er verdeutliche,  dass der Kunstmarkt doch letztendlich selbst schuld an dem durch die Fälschungen entstandenen Schaden sei und dass Beltracchis Handlungsweise daher sogar zuzustimmen sei, da er dem Kunstmarkt und den Sammlern eins ausgewischt – sprich: gewissermaßen Rache an ihnen geübt habe.


Am Ende von Harichs Roman scheidet der Fälscher durch Selbstmord aus dem Leben, aber nicht, ohne zuvor sein letztes Werk ebenfalls „umgebracht“ zu haben, wodurch der Anblick von totem Künstler und zerstörtem Werk etwas vom Tatort eines Doppelmords bekommt: Die Madonna, an der Marcks zuletzt gearbeitet hat, wurde von ihm geköpft, der Künstler liegt selbst tot daneben. Hätte Marcks den Kunsthändler Schabrack nicht vorher schon selbst ermordet, würde das nach Rache schreien…

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