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„Nehmt euch das Netz!“ und alle Social Media Plattformen dazu...

"Nehmt euch das Netz!" So lautete unlängst der Appell von Swantje Karich in einem in der F.A.Z. publizierten Aufruf an die Museen in Deutschland. Aber warum kennen sich eigentlich immer noch so wenig Geisteswissenschaftler im Bereich Social Media und digitaler Kommunikation aus? Und stimmt das denn eigentlich überhaupt?

 

Impuls Twitter

Die Nutzen sowohl in den Bereichen der musealen Forschung, Präsentation wie auch der Vermittlung liegen ja eigentlich auf der Hand. Interessante Impulse kommen aktuell vor allem aus dem Angelsächsischen Raum oder den U.S.A., wo Universitäten beispielsweise bereits von positiven Erfahrungen beim Einsatz von Twitter in der Themenvorbereitung für den Unterricht berichten können. (Vgl. Daniela Retelny u.a.:  Tweeting for Class, 2012). Ein weiteres Beispiel ist die Tate Modern (U.K.), die gerade eine Evaluierung mit dem Microbloggingtool Twitter durchgeführt hat, um mit Hilfe dieses Kommunikationsinstruments die Besuchererfahrung in ihrem neu etablierten Kunstraum „The Tanks“  zu ermitteln. Man wollte herausfinden, ob und wie der neue Kunstraum bei den Besuchern aufgenommen wurde. Die Verwendung als Erhebungstool ist beachtenswert und zeigt, die Vielfältigkeit dieses Instruments. (Vgl. Elena Villaespesa: Driving into the Museums Social Media Stream, 2013)

 

U.K. Web im Archiv

Zudem machte fast unbeachtet im Web machte letzte Woche die eigentlich spektakuläre Nachricht seine Runde, dass die British Library in einem Kooperationsprojekt zusammen mit fünf weiteren Bibliotheken das gesamte U.K. Web zukünftig archivieren möchte. Unter dem Material sind Internetseiten, Blogs, aber auch Nachrichten der Social Media Kanäle Facebook und Twitter. Dies ist sicherlich ein Schritt, um nicht nur zukünftig wertvolles Recherchematerial im Hinblick auf die Lebens-, Seh- und Kommunikationsgewohnheiten im Web zu gewinnen, sondern auch die Zukunft der Bibliothek als Rechercheeinrichtung mit genuinem Archivmaterial zu sichern. Unter dem Hashtag #digitaluniverse  kann man das Projekt auf Twitter verfolgen.

 

Tweetups im Kulturbereich

Auch im Museumsbereich tut sich einiges – ebenso in Deutschland. Einzelne Museen sind gerade im Web extrem erfolgreich, wie das NRW-Forum in Düsseldorf oder auch das Städl in Frankfurt. Als ’virtuelle Sternschnuppen’ waren in letzter Zeit die verschiedenen Tweetups zu verstehen, die ganz aktuell in der Villa Stuck in München (Kulturkonsorten), als QR-Code Tweetup im DHM in Berlin (museup) oder auch als Vorstoß in die Theater- und Opernwelt bei einer Probe im Theater Heilbronn (kultup) durchgeführt wurden. Eine Bewegung, die sich von den Kulturkonsorten in München seit 2011 ausgehend mittlerweile in die Städte Frankfurt, Köln, Hamburg, Berlin und Dresden ausgebreitet hat.

 

Sonifikation: #tweetscaps

Toll sind sicherlich ebenso das Projekt #tweetscapes (2012), das alle deutschsprachigen Tweets in Echtzeit in eine Visualisierung und Sonifikation im Web für jeden zugänglich überführt. Einzelne Hashtags tauchen hier je nach Relevanz auf und werden in Töne umgewandelt, die wiederum eine einzigartige Klangsituation schaffen. Es zeigt sich hier eine Möglichkeit, Forschungsdaten akustisch wie visuell auszuwerten und so sinnlich erfahrbar zu machen, was sicherlich auch gut im Museumskontext zur Aufbereitung von umfänglichem Datenmaterial wie Forschungsergebnissen komplementär in Ausstellungen zum Einsatz kommen könnte.

 

Der Internationale Museumstag 2013 wird viral

Die Museumslandschaft in Deutschland hat gerade auch einen großen Schritt in Richtung Social Media getan. Denn der diesjährige Internationale Museumstag hat beschlossen, den IMT13 auch in den digitalen Medien stark zu machen. Dahinter steht der Deutsche Museumsbund (DMB), die ICOM Deutschland sowie die Förderpartner und auch die regionalen Museumsorganisationen und –verbände, die den Internationalen Museumstag seit Anfang der 70er gemeinsam tragen. Vom Erfolg dieses zunächst einmal als Pilotprojekt angesetzten Unterfangens hängt daher einiges ab. Schön wäre es, wenn dies der Auftakt zu einer neuen Perspektive der Museen im virtuellen Raum würde. Daher an dieser Stelle auch mein Aufruf an alle Museen und Kulturinteressierte, beteiligen Sie sich am #IMT13! Liken, posten, kommentieren, retweeten und pinnen Sie uns! Sie finden den IMT13 auf Facebook, Twitter und Pinterest.

 

#IMT13-Tweetup

Nehmen Sie die Gelegenheit wahr, Teil dieses Experimentes zu werden: Denn der  1. bundesweite Tweetup ist für den 12. Mai, den Aktionstag des Internationalen Museumstags, geplant. Alle notwendigen Informationen dazu finden Sie hier. Das Motto wird "Hier und Jetzt" lauten. Daneben läuft gerade eine Blogparade zum Thema „IMT13 – Wir machen mit!“, wo Museen auch ohne Erfahrungen im Social Media Bereich kurzentschlossen sich beteiligen können. Kontakt zur IMT13-Online-Redaktion: digital@imt13.de 

Fit machen für Social Media können sich Kultureinrichtungen, Museen und Kreative am 20.April beim stARTcamp München, das bereits zum 2. Mal in Kooperation der Kulturkonsorten mit der Landesstelle für die nichtstaalichen Museen in Bayern stattfindet. Anmelden kann man sich hier. Einige Themen stehen schon fest: Apps für Museen, Augmented Reality, Bloggen im Museum, Collaborative/Crowdscources Art – Projekt, QR-Codes, Contentgenerierung und Entstehungsprozesse von Museums-Apps, Tweetups im Kulturbereich, oder auch Participant Generated Content. Die Sessions haben Workshop-Charakter und geben eine gute Gelegenheit, sich zu informieren, zu vernetzen und Fragen direkt zu stellen.

Man sieht, es ist doch schon Bewegung in die Kulturlandschaft in Deutschland gekommen. Gerade Twitter entwickelt hier sein bislang noch unterschätztes Potential. Aber ich denke, erst die Spitze des Eisberges ist erreicht. Die Institutionalisierung und damit die Professionalisierung im Bereich Social Media haben gerade erst begonnen. Es fehlt leider oftmals noch an Wissen, Möglichkeit und Mut, die zur Verfügung stehenden Social Media Instrumentarien und Techniken für die eigenen Bedürfnisse gezielt einzusetzen, umzumünzen und so auch gewinnbringend für den Kulturbereich weiterzuentwickeln.

8 Comment(s)

  • Annika-Valeska Froese
    18.04.2013 13:14
    Arts Organizations and Digital Technologies

    Hier ein Hinweis auf ein interessantes Survey aus Amerika zum Thema:
    http://www.pewinternet.org/Reports/2013/Arts-and-technology/Summary-of-Findings.aspx?view=all

  • Thomas Tunsch
    18.04.2013 11:09
    Geisteswissenschaftler in den Museen sind Spezialisten ...

    ... und daher eher auf ihre jeweiligen Fachwissenschaften fokussiert. Das läßt sich nicht erst bei den "Social Media" feststellen, sondern gilt auch für das Verhältnis zu inzwischen etablierten Bereichen des Web 2.0 wie Wikipedia. 2007 durfte ich als Museumswissenschaftler ein "Professional Forum" zu Wikis ("Museum Documentation and Wikipedia.de") auf der Konferenz "Museums and the Web" gestalten, als sich nur relativ wenige Enthusiasten für dieses Thema interessierten. Erst im vergangenen Jahr scheint mit dem Artikel "Historians in Wikipedia" das Thema in der American Historical Association endgültig akzeptiert worden zu sein – und Deutschland braucht wohl noch etwas mehr Zeit für diese Erkenntnis.
    Vielleicht brauchen wir zusätzlich zu den unverzichtbaren Experten in den geisteswissenschaftlichen Disziplinen mehr Generalisten in den kulturellen Gedächtnisorganisationen (Archive, Bibliotheken, Museen u.a.), die für die Vernetzung der Spezialfächer untereinander und mit der Öffentlichkeit Sorge tragen?

    Links:
    Museum Documentation and Wikipedia.de: museums.wikia.com/wiki/Museum_Documentation_and_Wikipedia.de
    Historians in Wikipedia: http://blog.us.glamwiki.org/2012/12/historians-in-wikipedia/
    Informationswissenschaftliche Herausforderungen für kulturelle Gedächtnisorganisationen http://museums.wikia.com/wiki/Informationswissenschaftliche_Herausforderungen

  • Wiebke Hauschildt
    17.04.2013 13:06
    Danke

    für die ausführliche Zusammenfassung der Initiativen und die Erwähnung unseres Museups!

    Bei der Erwähnung der "nicht zeitgemäßen Website" einiger Kommentatoren sofort ertappt gefühlt, allerdings arbeiten wir schon mit Hochdruck an einem Relaunch.

    Wir freuen uns sehr auf den IMT13, Blogparade und Tweetup!

  • Sabine Scherz
    16.04.2013 12:06
    Wissen sie, was sie tun?

    Ich habe den Eindruck, dass die Social Media die Museen gerade überrollen. Sie wollen mitmachen, wissen aber nicht genau wie. Um bei dem dabei zu sein, von dem sie nicht wirklich wissen was es ist, mischen einige auf Low-cost-Ebene ein bisschen mit. Nicht weil sie plötzlich innovativ werden, denn ein bisschen Social Media macht kein Unternehmen und damit kein Museum innovativ. Sondern weil sie das Gefühl haben, etwas zu verpassen, von dem sie aber auch wieder nicht wissen, was es eigentlich ist.

    Dabei sollten Museen bedenken, dass die Außenwirkung, die sie über ihre digitalen Kanäle von sich geben, auf kommunikatorischer Ebene die Wertschätzung reflektiert, die sie ihren Besuchern gegenüberbringen. Das verhaltene Engagement, das man hier festzustellen kann, ist auf jeden Fall positiv zu bewerten, muss aber eine finanzielle Basis bekommen, um ernsthaft betrieben werden zu können und beim Besucher den Eindruck zu hinterlassen, es sei ernst gemeint. Eine nicht zeitgemäße Website in Kombination mit ein bisschen Social Media wirkt einfach komisch.

  • Thierry Chervel
    16.04.2013 08:42
    Erst die Websites

    Swantje Karich hatte sehr recht in Ihrem Artikel, der sich unter anderem an den Preußischen Kulturbesitz wandte. Die Internetadressen deutscher Kulturinstitutionen sind blamabel. Die Social-Media-Aktivitäten der Museen sind zwar eine ganz nette Angelegenheit, aber sie sollten nicht über die Schwäche der Websites hinwegtäuschen, die erstmal behoben werden sollte. Was könnte man damit alles machen! Facebook für Museen ist oft Augenwischerei.

  • Anne Fischer
    15.04.2013 14:24
    Wachstum

    "Es fehlt leider oftmals noch an Wissen, ...! Das hier war doch schon jede Menge. Vielen Dank für die links, Infos und Anmeldehinweis.

  • Kulturgeschnatter
    15.04.2013 10:41
    Wo bleibt das Museum 2.0

    Es ist eine berechtigte Frage: Wo ist das Museum 2.0?
    Oder eher: Wo ist der Geisteswissenschaftler 2.0?
    Die Frage ist aber insofern irritierend, als gerade größere Universitäten seit ein bis zwei Jahren verstärkt an der Etablierung von eLearning-Konzepten, Aufzeichnungen von Veranstaltungen, Selbstlerneinheiten und Onlinekompetenzen arbeiten.
    Junge Studenten verknüpfen sich selbst auf Social Media-Plattformen, größere Institutionen haben ihre eigene Repräsentation in den entsprechen Netzwerken.
    Die große Onlinepetition zum Erhalt der Denkmalpflege in NRW (zur Info: http://archaeologik.blogspot.de/2013/03/ende-der-denkmalforderung-nrw-online.html), die bereits über 16 000 Unterstützer gefunden hat, schildert es detailliert.

    Aber die große Frage ist, wenn die "junge Generation" die Netzkompetenz mitbringt, wo ist der Hiatus? Hängt es vielleicht damit zusammen, dass durchaus die augebildeten und motivierten Nachrückefachkräfte da wären...aber die älteren Strukturen in den großen Museen des Landes noch fest etabliert sind?
    Stehen wir in diesem Sinne vielleicht erst noch vor der "Social Media Revolution", die sich erst in 5 bis 10 Jahren durch das allmähliche, oder auch schlagartige Nachrücken junger, Medienkompetenter Geisteswissenschaftler ergeben wird?
    Wer weiß...warten wir es ab und bleiben gespannt darauf?!

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