Beitrag

FONTES 63: 1627-1630: Die Münchner Kammergalerie, ein Mittelpunkt der "Dürerrenaissance"

 

 

Inventarium der gemalten und andern Stuckhen, auch vornemmen sachen, so auf der Cammer Galeria zuefünden seind. Das Inventar der Kammergalerie Kurfürst Maximilians I. von Bayern. Herausgegeben und eingeleitet von Peter Diemer. Mit Beiträgen von Friederike Wappenschmidt (FONTES 63)

 

 

Das in der zu arthistoricum.net gehörenden Reihe FONTES als Nr. 63 erstmals vollständig veröffentlichte Inventar verzeichnet detailliert und klassifiziert den Bestand der „Kammergalerie“ in der Münchner Residenz, nach den Maßstäben der Epoche, auffallend kennerschaftlich im Zustand von 1627-30. Diese Sammlung hat einen festen Platz in der Geschichte des europäischen Kunstsammelns als ein Grundpfeiler der Alten Pinakothek und als eine frühe Dürer-Sammlung. Herzog Maximilian I. von Bayern (1573-1651, 1598 Regent, 1623 Kurfürst) hatte sie 1607 in der Galerie zwischen seinem Appartement und dem seiner Gattin eingerichtet und mit der Zeit zu einer Kollektion von eminenter Qualität ausgebaut. Dritten war sie kaum zugänglich.

 

Die Bestände spiegelten Maximilians gediegenen, retrospektiven Geschmack, seine Vorliebe für exquisites Kunsthandwerk, Albrecht Dürer und die Malerei der Dürerzeit. Mit dem (1729 verbrannten) Heller-Altar, dem Paumgartner-Altar, Lucretia und den Vier Aposteln besaß er Hauptwerke Dürers. Maximilian machte München zu einem Zentrum der um 1600 sonst vor allem am Prager Kaiserhof Rudolfs II., gepflegten „Dürerrenaissance“.

 

Nur wenige Jahre nach der Abfassung des Inventars, 1632, erlitt die Kammergalerie Verluste bei der Plünderung der Münchner Residenz durch König Gustav Adolf von Schweden und seine deutschen und schwedischen Offiziere und Verbündeten. Maximilian bemühte sich in der Folge um Restitution und suchte die Verluste durch Neuerwerbungen auszugleichen. Zunehmend öffnete er seine Galerie auch jüngeren Werken der Malerei. Den späteren Zustand der Sammlung überliefern Inventare von 1635 (?) und 1641/42, letzteres ist seit 1980 publiziert.

 

Gegenüber der Spätzeit zeigt das Inventar von 1627-30 die Sammlung in ihrer über zwei Jahrzehnte konsequent aufgebauten, noch ungestörten Gestalt. Damit ist es eine zentrale Quelle für Maximilians Kunstverständnis und Kunstpolitik, ja für den Dürer-Kult um 1600 im weiteren. Aus dem späteren 17. Jahrhundert sind dann summarische Beschreibungen der Kammergalerie erhalten. Im frühen 18. Jahrhundert wurde sie als zusammenhängende Präsentation aufgelöst. Ihre Bestände gingen im Kunstbesitz der Dynastie Wittelsbach auf und bildeten zusammen mit diesen später einen Grundstock der Münchner Staatlichen Museen.

 

 

>> FONTES 63

 

 

 

 

 

This monographic number of FONTES publishes, for the first time, an important inventory of the ‚Kammergalerie’ (a private  ‚chamber gallery’) of the Munich Residence. In a detailed fashion, this lengthy document classifies and lists the contents of the ‚Kammergalerie’, as they were in 1627-1630. Compared with the standards of the time, it manifests a remarkable level of connoisseurship and a notable knowledge of works of art. This collection enjoys a well-established place in the history of European art collecting, both as a cornerstone of the Alte Pinakothek (Munich) and as an early collection of Dürer’s works. Duke Maximilian I of Bavaria (1573-1651; Regent: 1598; Elector: 1623) established the collection in the gallery between his apartment and that of his spouse, and, in the course of time, he enlarged it, building a collection of eminent quality. For outsiders it was nearly inaccessible.

The holdings of the collection mirror Maximilian’s piously exacting and retrospective taste and painstaking inspection, his predilection for exquisite hand-crafted works of decorative art, and for the paintings of Albrecht Dürer and his contemporaries. Maximilian owned works that number among Dürer’s finest masterpieces, among them: the Heller Altarpiece (destroyed in a fire in 1729), the Paumgartner Altarpiece, the ‚Lucretia’, and the ‚Four Apostles’. Maximilian transformed Munich into a centre of the ‚Dürer Renaissance’ (ca. 1570-1630), which elsewhere was cultivated primarily at the court of Rudolf II in Prague around 1600.

Only a few years after the 1627-1630 Inventory was drawn up, the ‚Kammergalerie’ suffered grave losses, in 1632, during the plundering of the Munich Residence by King Gustavus Adolphus of Sweden and his German and Swedish officers and allies. In the aftermath of this tragedy, Maximilian attempted to secure the restitution of lost works and sought to make good his losses through new acquisitions. Increasingly he opened the doors of his Gallery to more recent works of painting. Later stages in the history of the ‚Kammergalerie’ collections are documented in inventories of 1635 (?) and 1641-1642, the latter inventory published in 1980.

In contrast to these later testimonies, the inventory of 1627-1630 affords an authentic picture of the collection in its early configuration, in the form, that is, in which it had been assembled, with consistent aims, over the course of two decades and before it had been diluted by later additions. Thus the inventory published here is a central primary source for Maximilian’s understanding and appreciation of works of art and for his policies in the field of art, and, indeed, for the ‘cult of Dürer’ around 1600 in general. Only summary descriptions of the collection survive from the later seventeenth century. In the early eighteenth century the collection, as a coherent ensemble, was disassembled. The contents of the gallery passed into the collections of the Wittelsbach dynasty, and, together with these works, they contributed decisively to the initial holdings of the Munich State Museums.

 

6 Comment(s)

  • ih
    23.11.2011 09:06

    Ich stelle aus das Inventar! Größerer Rahmen - der 30jährige Krieg, kleinerer Rahmen - die Kunstgalerie, Kern - das Inventar. Wie ich das alles gestalte, sage ich aber hier nicht, weil das eben bis zur Vernissage ein Geheimnis bleiben muss. Übrigens sollen das so viele Leute wie möglich sehen, also mache ich daraus eine Wanderausstellung. Ist das ok so? :)

  • ih
    22.11.2011 16:29

    Also gut, den Raum haben wir. Das alte Gemäuer an der Salzach gibt auch einen guten Kontrast zu dem Thema der Ausstellung (die Münchner Kunstgalerie), das kann man gut verwerten. Jetzt müssen wir nur noch klären, was ausgestellt werden soll?

  • ih
    22.11.2011 16:02

    Ooops! Der Link funktioniert nicht, wie er sollte. Entschuldigung! Wenn Sie "Ausstellung" eingeben, erhalten Sie die Ergebnisse. Ich denke, die Ausstellung muss ja nicht unbedingt in München stattfinden oder beginnen. Nicht? Außerdem habe ich nicht so viel Geld und die Preise sind in der Provinz niedriger. Vor allem hat aber der Raum in Burghausen, von dem ich eben schrieb, viel Atmosphäre. Darauf kommt es doch an, richtig? :)

  • ih
    22.11.2011 15:08

    Welchen Raum soll ich nehmen? Ich habe mal bei der Bayerischen Schlösserverwaltung recherchiert. Hier das Ergebnis: http://www.schloesser.bayern.de/deutsch/raeume/ergebnis.asp
    Am besten gefällt mir die gotische Halle in Burghausen. Wäre das ok?

  • ih
    18.11.2011 09:12

    ok, dann mache ich sie eben! Anregungen und Wünsche bitte hier äußern, dem digitalen Zeitalter muss Rechnung getragen werden. Danke schön! :)

  • ih
    18.11.2011 08:07

    Sehr interessant, danke! Neben Gemälden mit biblischem Sujet und Porträts - eine Menge kostbarer exotischer Gegenstände, teils heute verloren oder zumindest nicht identifiziert. Die Aufstellung aller in der für heutige Verhältnisse relativ kleinen Kammergalerie muss atemberaubend gewesen sein... Im Anschluss an dieser Edition wäre eine Ausstellung, die den damaligen Bestand teilweise rekonstruiert wünschenswert. Ob so etwas geplant ist? Das wäre schööön! :)

Kommentar

Kontakt

Kommentar

Absenden