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Bildwissenschaft und Architekturgeschichte?

Die „Theorie des Bildakts“ spaltet die Feuilletons. Doch warum eigentlich bildet die Architektur im Feld der Bildwissenschaften eine noch immer so große Leerstelle? Damit wären wir sogleich in einer noch ungelösten, aber Virulenz gewinnenden Debatte: die um das Verhältnis von Bildwissenschaft und Architektur.

 

Mit der jüngst von der Abteilung Architekturgeschichte der Universität zu Köln und dem Internationalen Kolleg Morphomata (ebenso Köln) ausgerichteten Tagung Diagrammatik der Architektur (27.-29. Januar) ist nun ein weiterer Schritt des Zusammendenkens von Architektur und Bild vorbildlich vollzogen worden. Hierbei erwies sich der Diagrammbegriff als vielversprechende Kategorie in der Analyse von Entwurfs- und Wissensprozessen innerhalb der Architektur und des Bildes.

 

Zugleich kann diese Tagung auch als ein Appell an die Architekturgeschichte gelten, die methodologischen Neuorientierungen als Stärkung der an den kunsthistorischen Instituten und Seminaren immer weniger in der Lehre vertretenden Disziplin anzuerkennen und als diskursive Praxis zu erproben.

 

Entscheidend scheint mir, dass die Überwindung der Grenze von Bildwissenschaft und Architektur - und vice versa - maßgeblich über die Diskussion graphischer Medien wie der Architekturzeichnung und des Diagramms möglich ist.

14 Comment(s)

  • Julian Jachmann
    11.05.2011 12:02

    Seit der Kölner Tagung zur „Diagrammatik der Architektur“, deren erste Ergebnisse online einzusehen sind, halte ich den Begriff des Diagrammatischen für eine mögliche Verbindungsstelle zwischen Architekturgeschichte und Bildwissenschaft, wobei sich hier beide Disziplinen auf Augenhöhe begegnen. Es geht m.E. nicht vornehmlich um die Analyse von Diagrammen im architektonischen Kontext als visuelle Artefakte, sondern eine wesentliche Methode des Entwurfs, der Architekturvermittlung und –aneignung. Diagrammatischer Umgang mit Architektur im Sinne einer auf Verfahren bezogenen Theoriebildung zielt erstaunlich präzise auf einige genuine Probleme der Baukunst:
    Erstens die Interdependenz räumlicher und sachlicher Ordnung (bspw. Raumfolgen und Nutzung), zweitens die Integration von unterschiedlichen Zwängen und Möglichkeiten im Rahmen einer zeitlichen Abfolge über heterogene Personengruppen und Interessen hinweg (der Weg vom Entwurf über Auftraggeber und Ausführung bis zu Benutzung und Interpretation des Bauwerkes), drittens die Nutzung von visuellen Techniken mit einer kodifizierten Relation von Darstellung und Objekt einerseits und dabei einem sehr variablen Maß an Abstraktion und inhaltlicher Aufladung andererseits (maßstabsgetreu konstruierte Grundrisse als Diagramm?), viertens der sehr komplexe Umgang mit den Kontext (Topographie, Nachbarschaft etc.) des Bauwerkes, der durch die potentielle Negation des Grundes in einer diagrammatischen Darstellung erleichtert wird.

    Möglicherweise ist ein – auch nur gedachtes – Diagramm als Ordnung prinzipiell strukturell offener als Text oder Bild, implizieren die zueinander geordneten Elemente eine Wandelbarkeit im Sinne einer Bewegung, eines Weiterdenkens, Anschließens, Modifizierens?

  • he
    21.04.2011 16:16

    Nehmen wir doch mal beispielsweise die neunzehn Seiten auf die hier im Blogroll verlinkt wird. Manche sind nicht mehr aktuell, aber unter denen, die noch aktuell sind, behandeln zwei Architekturthemen, wobei die eine Seite sich ausschließlich der Architektur widmet (architekturvideo.de), während die andere - Artworld Salon - auch Themen zur Architektur hat. Wieso gild dann Architektur in den Medien als unterrepräsentiert?

  • Fitzner
    13.03.2011 19:25

    Ein interessantes Entwurfsverständnis, das Peter Zumthor hier formuliert: Jenseits rationaler und typologischer Verfahren erlangt das Zeichenblatt als Folie spontaner und vor allem körperlich verstandener Entwurfsfiguren Raum. "Manchmal ist etwas da" - in der Tat! Dies beweist nicht zu letzt das fulminante und atmosphärisch dichte neue Museum Kolumba von Zumthor in Köln.

  • Fitzner
    13.03.2011 19:23

    Ein sehr schöner Hinweis. Dem sei hier noch hinzugefügt, dass eikones in Basel seit geraumer Zeit ein gemeinsames Denken von Architektur und Bild vorantreibt: Mit dem für Sommer 2011 angekündigten Band "Das Auge der Architektur: Zur Frage der Bildlichkeit in der Baukunst" wird die Diskussion sicher eine neue Grundlage erhalten.

  • he
    11.03.2011 15:29

    Entschuldigung! Ich habe mich ja schon einmal entschuldigt, aber ich entschuldige mich gerne noch einmal. Es war ja nicht so gemeint... Ihre Beiträge sind wirklich sehr gut und ich lese sie gerne nicht nur einmal. Da kann man gut mehrmals nachschlagen und wieder lesen, weil sie sehr informativ und inhaltlich sehr gut sind. Danke übrigens! Die Bildwissenschaft wird auch permanent oder vorwiegend hier angesprochen, auch wenn sie nicht so im Mittelpunkt steht oder nicht so ausdrücklich der Schwerpunkt ist. Trotzdem ist sie präsent. Das ist auch gut so, wie ich finde. Ich darf hier zwar nicht posten (ich darf nur kommentieren), aber das wäre auch nicht anders, wenn ich posten würde. Vielleicht wären da ein paar mehr Beiträge zum Thema "Bild", aber viel würde das nicht ändern und mit Sicherheit wären sie formal und inhaltlich nicht so stark wie jene Beiträge zur Architektur. Also nochmal: vielen, vielen Dank und Entschuldigung!

  • Martin Höppl
    11.03.2011 14:54

    Da ich hier über Architekturgeschichte schreiben soll und fast alle Post zu diesem Thema und das starke tag "Architektur" im Wesentlichen auf meine Beiträge zurückgehen, muss ich mich an dieser Stelle angesprochen fühlen. Dass die Bildwissenschaftsexperten ihre tags nicht so stark machen, ist nicht meine Schuld. Wenn man bedenkt, dass sich fast alle anderen Schlagwortkategorien irgendwie um Bildkünste drehen, kann von einer Übergewichtung der Architektur nun wirklich überhaupt keine Rede sein. Jedem, der die kunsthistorische Diskussion einigermaßen aufmerksam mitverfolgt, muss klar sein, dass der Architekturdiskurs heutezutage meistens unterbelichtet ist.

  • he
    06.03.2011 18:48

    Interessant, dass das Gespräch in "rheinsprung11" mit Peter Zumthor mit der Frage nach einer potentiell ikonoklastischen Phase im Schaffensprozess beginnt (Entschuldigung, aber das Stichwort "Ikonoklasmus" kommt jetzt nicht von mir!) und seitens des Architekten mit einem klaren Bekenntnis zum Bild endet! Das zeigt unter anderem einmal mehr, wie täuschend Wahrnehmung sein kann... :) Am besten hat mir aber die Äußerung über die Zeichnung und die Rolle des Zufalls beim Entwurf gefallen: "Was mich aber am Zeichnen sehr interessiert, ist an einem Frühbeginn zu sehen, was einem in die Hand rutscht. Es gibt einen Moment, wo etwas erscheint, was der Körper weiss, aber der Kopf nicht. Man muss lernen, dass durch die Hand ein Strich auf das Papier kommt, den der Kopf noch nicht kennt. Manchmal ist das dumm. Manchmal ist etwas da." (S. 4) Sehr schön auf den Punkt gebracht!

  • fs
    06.03.2011 15:38

    Auch bei den Basler Bildkritikern nähert man sich der Architektur. Aufschlussreich ist folgendes Interview mit Peter Zumthor und Toni Hildebrandt in der aktuellen (und ersten?) Ausgabe von Rheinsprung11: http://www.rheinsprung11.unibas.ch/ausgabe-01/dialog.html

  • Ioana Herbert
    04.03.2011 18:04

    Ob Architekturstudenten heute noch so zeichnen können, kann ich leider nicht beantworten, aber diese Zeichnungen ist phantastisch. Sie umfasst, wie mir scheint, das Wesentliche, was an Venedig immer wieder und immer neue Menschen so begeistert: der offene und zugleich von Elementen der Architektur gegliederte Raum. Galerien, Durchgänge, Loggia - wind-, wasser- und lichtdurchlässige, traumhafte Räume in einer realen Stadt. Ich glaube Bellini hat sich stark von seiner unmittelbaren Umgebung inspirieren lassen und/oder hat sie mit gestaltet. Dieser hier gezeigte Aufriss mit den Skulpturen und Reliefs ist ein Fest für die Augen und ein idealer Rahmen für die aufgereihten Figuren. Ich kann mir keine schönere Himmelfahrt vorstellen! Vielen Dank für diesen Link!

  • C.M.
    04.03.2011 09:29

    Ganz kurz: neulich bin ich auf Jacopo Bellini gestoßen, habe seine Zeichnungen angesehen und mich ernsthaft gefragt, ob die Architekturstudenten heute noch manuell so faszinierende Zeichnungen anfertigen können. Er gilt ja als Maler der venezianischen Schule.
    Hier ein Bild:

    http://www.backtoclassics.com/images/pics/jacopobellini/jacopobellini_dormitionofthevirgin.jpg

  • he
    04.03.2011 09:04

    p.s.
    Außerdem geht es hier in dem überwiegenden Teil der Postings eigentlich ganz klar um Bilder und Bildwissenschaft. Das muss man auch mal sagen! Vermutlich sind auch 99 Prozent der Kommentare auch in diesem Sinne verfasst. Es ist also nicht ganz falsch, sich hin und wieder anderen Themen, wie beispielsweise Architektur zuzuwenden. Und so ein Beitrag, der gerade die Grenzen zwischen den Disziplinen thematisiert, ist natürlich sehr willkommen!

  • he
    04.03.2011 08:34

    Ok, ok, ok! Ich nehme das zurück! Entschuldigung!

    Den Beitrag habe ich mit großem Interesse gelesen, auch wenn sich der Begriff der "Diagrammatik" für mich noch nicht ganz erschlossen hat. Es ist nicht nur spannend sondern für mich auch vollkommen neu über die Überwindung der Grenzen zweier wissenschaftlicher Bereiche in der Kunstgeschichte mittels der graphischen Medien zu lesen. Das ist jetzt ganz aufrichtig gemeint. Es ist durch diesen Beitrag eine ganz neue Perspektive in die Diskussion gekommen. Danke schön!

  • hubertus kohle
    04.03.2011 07:45

    entschuldigung, aber die kommentare von he sind zuweilen doch schon mal besser gewesen!

  • he
    03.03.2011 20:29

    Wir sind hier für die Bildwissenschaft. Wir können nicht gleichzeitig auch für Architekturgeschichte sein. Das geht nicht! Architekturgeschichte hat in diesem Blog schon 15 Postings und "Architektur" gibt es auch ganz fett als Schlagwort. Die Bildwissenschaft gibt es nicht einmal als Kategorie und wie auch "Bild" schon gar nicht als Schlagwort. Sie sehen, wir sind hier in der Minderheit und müssen für Gleichberechtigung kämpfen. Das ist schon hart genug! :)

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