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Michelangelo und kein Ende

Nach der neuerlichen Debatte um Michelangelo-Zeichnungen anlässlich der Veröffentlichung der monumentale Monographie von Frank Zöllner, Christof Thoenes und Thomas Pöppel und der kontrovers diskutierten Ausstellung im Frankfurter Staedel-Museum lässt die angebliche Entdeckung des Erstlingswerks von Michelangelo die interessierte Öffentlichkeit aufhorchen. Eine kleinformatige Tafel mit der Versuchung des Heiligen Antonius, die schon einmal in einer Ausstellung über Michelangelos Jugendwerk in Florenz zu sehen und im Katalog mit dem Etikett „Ghirlandaio-Werkstatt“ versehen war, ist jetzt vom Kimbell Art Museum erworben worden. Dem ging eine Restaurierung, gemäldetechnologische Untersuchung und Begutachtung im Metropolitan Museum of Art voraus. Ob Sie nun von Michelangelo selbst stammt oder von einem anderen Mitarbeiter der Ghirlandaio-Werkstatt: das kleine Gemälde scheint eine von Condivi kolportierte Anekdote zu belegen, die die Kopie eines Schongauer-Stichs der Versuchung des Heiligen Antonius als Erstlingswerks des vielbewunderten Meisters ausgibt. Die Provenienz des Werkes kann nur bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgt werden. Derweil lässt das italienische Parlament ein hölzernes Kruzifix ausstellen, das das Kultusministerium für einen nicht unerheblichen Kaufpreis erworben hat. Sie haben es erraten: auch hier soll es sich um ein bisher unbekannt gebliebenes Jugendwerk von Michelangelo handeln. Es ist wohl kaum anzunehmen, dass uns glückliche Zufälle eine so sensationelle, kunsthistorische Ernte beschert haben. Vielmehr ist wohl eine große Sehnsucht nach Anfängen und Neuanfängen zu konstatieren, von denen man hofft, dass sie trotz aller Widrigkeiten in ein allseits geachtetes und geschätztes Lebenswerk gipfeln.

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