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Einblick in die Arbeit der Heidelberger Fälschungs-Studiensammlung HeFäStuS

Die Untersuchung einer seit Jahrzehnten als Fälschung betrachteten Grafik von Pierre-Auguste Renoir führte überraschend zu einem erfreulichen Ergebnis.

Im August 2023 kam die Heidelberger Fälschungs-Studiensammlung HeFäStuS durch die Schenkung einer Privatsammlerin in den Besitz einer vermeintlichen Renoir-Fälschung. Im folgenden Wintersemester stellte Milena Fleer, Masterstudentin der Europäischen Kunstgeschichte, Prof. Dr. Henry Keazor und den Studierenden des Oberseminars „Kunstgeschichte und Kunstfälschung: Beispiele aus der Heidelberger Fälschungs-Studiensammlung HeFäStuS“ ihre bisherigen Untersuchungsergebnisse vor. Nach anderthalb Stunden Präsentation und Diskussion konnte kein eindeutiges Urteil gefällt werden. Handelte es sich hierbei wirklich um eine Fälschung?

Vor rund 50 Jahren gelangte das Werk ohne begleitende Dokumente aus dem Nachlass eines Münchener Galeristen in Privatbesitz. Eine anschließende Anfrage bei der New Yorker Galerie Lefebre fiel damals ernüchternd aus: Es handelte sich demnach nicht um ein Original Renoirs, sondern angeblich nur um eine gut gemachte Bleistiftzeichnung. Auf das 2021 an der Universität Heidelberg gestartete Projekt aufmerksam geworden, entschloss sich die Sammlerin nun, ihre vermeintliche Fälschung der Forschung und Lehre zur Verfügung zu stellen.

Doch bei näherer Betrachtung kamen zunehmend Zweifel an der bisherigen Bewertung auf. Zu exakt waren die Übereinstimmungen mit der 100 Exemplare umfassenden Auflage einer Lithografie mit dem Porträt der französischen Schauspielerin Amélie Laurent Dieterlé aus der Mappe „Germinal“ [1], herausgegeben von Julius Meier-Graefe im Jahr 1899 (Werkverzeichnisse Delteil 26, Stella 26, Roger-Marx 1). [2],[3],[4] Nach der Ausrahmung und Anschauung unter Verwendung eines Mikroskops mit 100facher Vergrößerung konnte eine Bleistiftzeichnung ausgeschlossen werden. Stattdessen wurde eine Flachdrucktechnik vermutet. An dieser Stelle konnte Ernst Schöller, Kriminalhauptkommissar a. D. des LKA Baden-Württemberg, behilflich sein. Er war kurze Zeit später für seinen regelmäßig angebotenen Workshop zur Erkennung gefälschter Druckgrafiken vor Ort. Nach Rücksprache mit Prof. Sebastian Dobrusskin, Professor für Konservierung und Restaurierung von Grafik und Fotografie an der Hochschule der Künste Bern, konnte er mitteilen, dass es sich bei dem fraglichen Objekt tatsächlich um eine Kreide-Lithografie handelt, wobei die ursprüngliche Zeichnung mittels geripptem Autotypiepapier auf den Stein übertragen worden war. Die Oberflächenstruktur des Steins und des Papiers sind noch erkennbar.

Als Nächstes erfolgte ein direkter Vergleich mit einem nummerierten und in der Platte signierten Exemplar der Lithografie im Saarlandmuseum[5] in Saarbrücken mit der Restauratorin Ingrid Schwarz. Dabei wurde deutlich, dass zwar das Papier übereinstimmte, die Farbintensität des Drucks jedoch stark abwich. Für die Auflage waren zwei anschließend zerstörte Steine verwendet worden, jeweils einer für Grau- und einer für Schwarzwerte. Bei der fraglichen Version ist demnach nur in Grau gedruckt worden, weshalb diese im direkten Vergleich deutlich heller erschien. Ebenfalls abweichend fehlt dem Heidelberger Blatt auch der Blindstempel „LMM“ der Galerie "La Maison Moderne" von Julius Meier-Graefe, der in einschlägigen Publikationen überraschenderweise gar nicht erwähnt wird.

Anschließend ging der Druck nach Berlin zur Papierrestauratorin Hildegard Homburger, welche die Annahme bestätigte, dass hier nur einer der Steine verwendet worden war. Beide wurden zudem wohl nach dem Druckvorgang der Auflage zerstört. Eine behutsame Probe ergab nun, dass die Signatur „Renoir“ lose Partikel enthielt. Da sich die bei der Auflage übliche Signatur auf dem schwarzen Stein befand, fehlt diese hier und wurde daher nachträglich händisch aufgetragen. Einen Signaturstempel schloss die Restauratorin dagegen aus. Die ersten drei Buchstaben weichen augenscheinlich leicht ab, aber die durch vergleichende Messungen ermittelte nahezu identische Position und Größe der händisch aufgebrachten sowie der gedruckten Signaturen erscheinen kaum zufällig. Ob jedoch die Signatur vom Künstler selbst dort aufgetragen wurde, ist ungewiss.

Eine weitere Gegenüberstellung mit einem Exemplar der Grafik im Städel Museum [[6] in Frankfurt brachte wiederum Aufschluss über die Nummerierung der Blätter. Diese unterscheidet sich in Frankfurt und Saarbrücken offensichtlich in ihrer Machart. Grund dafür ist eine nachträglich vorgenommene Nummerierung durch die späteren Besitzer, denn ursprünglich war lediglich das Titelblatt der Mappe bezeichnet worden. In der Heidelberger Version ist dagegen keine Nummer vorhanden.

Dies würde auch der sich im Laufe der vergangenen Monate immer weiter verdichtenden Vermutung entgegenkommen, dass es sich hierbei um einen der in den Werkverzeichnissen erwähnten seltenen Probedrucke handelt, weshalb hier auch eventuell die Position der Signatur von Hand ausprobiert wurde. Beispielsweise wurde ein solcher Probedruck 1948 durch die Schweizer Galerie Gutekunst & Klipstein (heute Kornfeld) in Bern für 540 Schweizer Franken verkauft. [7],[8] Heute liegen die Preise für reguläre Exemplare der Auflage bereits bei bis zu 20.000 US-Dollar.

Die von den Ergebnissen erfreute Sammlerin bot großzügiger Weise an, auf die mögliche Rückabwicklung der Schenkung zu verzichten, weshalb die Lithografie auch weiterhin als Lehrmaterial dienen kann. Anschließend ging die Druckgrafik erst einmal in die Hände einer Restauratorin, um sie von den Resten des Klebebands zu befreien und den bräunlichen Rand zu entfernen, der mutmaßlich auf die Verwendung eines säurehaltigen Passepartouts zurückzuführen ist. Abschließend könnte die Authentizität noch durch Renoir Expert:innen zertifiziert werden.

Dass sich eine Fälschung durch die Untersuchung in HeFäStuS doch als Original entpuppt, ist keine Premiere. Denn bereits zuvor konnte ein vermeintlich gefälschtes Bild, welches scheinbar von Paula Modersohn-Becker gemalt worden war, als Arbeit von Otto Modersohn identifiziert werden. Und ein in täuschender Absicht signiertes und dadurch als Werk von Peeter Neeffs ausgegebenes Gemälde stammt in Wahrheit von seinem (preisgünstigeren) Zeitgenossen Hans Jurriaensz. van Baden. Und nun gäbe es bereits eine weitere Frage zu klären: Denn zusammen mit der Renoir-Lithografie übergab die Sammlerin auch einen bislang ebenfalls als nicht authentisch eingestuften Picasso-Krug aus derselben Quelle.

[1] Meier-Graefe, Julius (Hrsg.): Germinal: Album de XX Estampes Originales. Paris 1899.

[2] Delteil, Loÿs: Pierre-Auguste Renoir - l'oeuvre gravé et lithographié, the etchings and lithographs. San Francisco 1923.

[3] Stella, Joseph G.: The graphic work of Renoir. Catalogue raisonné. Bradford 1986.

[4] Roger-Marx, Claude: Les lithographies de Renoir. Monte-Carlo 1951.

[5] Auguste Renoir, Bildnis einer jungen Frau (Jeune femme en buste - Mlle Diéterle), Kreidelithographie auf Büttenpapier, 54 x 40,2 cm (Blatt) ca. 51 x 40,2 cm (Darstellung), Saarbrücken, Saarlandmuseum, Inv. KW 701 <https://www.bildindex.de/document/obj18800283> (13.01.2025).

[6] Auguste Renoir, Jeune femme en buste (Mlle. Diéterle), Lithografie in Schwarz auf Velinpapier, 533 x 402 mm, Frankfurt a. M, Städel Museum, Inv. 533 x 402 mm <https://sammlung.staedelmuseum.de/de/werk/jeune-femme-en-buste> (13.01.2025).

[7] Kunsthandlung Gutekunst & Klipstein (1948): Auktionskatalog Graphik moderner Meister - Cézanne, Delacroix, Kirchner, Klee, Lehmbruck, Liebermann, Manet, Marc, Munch, Picasso, Renoir, Ludwig Richter, Toulouse-Lautrec und andere Versteigerung in Bern am 27. November 1948, Nr. 354, S. 29 und Tafel 12.

[8] 3. Sonderdruck der „Nachrichten für den Kunsthandel“. Auktionspreise Sommer/Herbst 1948, 3 (1948), S. 152 <https://doi.org/10.11588/diglit.49590#0156> (27.02.2025).

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