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Die Kunst in der Photographie

„But is it art?“

Mit diesen Worten kommentiert Lucy in einem bekannten Peanut-Comicstrip Schroeders Klavierspiel. Ähnlich infrage stellten (und stellen) Kunsthistoriker und Kritiker die Bedeutung der Fotografie. In einem Artikel aus dem Jahr 2014 monierte der Kunstkritiker der Britischen Zeitung The Guardian Jonathan Jones die Rekordsumme, die der Verkauf einer Fotografie von Peter Lik erzielte mit den Worten: „This record-setting picture typifies everything that goes wrong when photographers think they are artists.” Die Debatte um die Anerkennung der Fotografie als Kunstform ist also noch lange nicht beigelegt, doch gehen wir ein gutes Jahrhundert zurück. Selbst Mitglieder der Royal Photographic Society stritten im ausgehenden 19. Jahrhundert um den Anspruch des noch jungen Mediums und ein Wortbeitrag zu einem Londoner Symposium kritisierte die Fotografie als „allzu wörtliche Abbildung der Wirklichkeit, um es mit Kunstwerken aufzunehmen“ und damit nicht in der Lage „der Vorstellungskraft Flügel zu verleihen.“ Einer, der sich damit nicht abfinden wollte war der Berliner Amateurfotograf Franz Goerke, der der Freien photographischen Vereinigung angehörte und eines ihrer Gründungsmitglieder war.

Innerhalb dieses Verbundes aus Hobbyfotografen entstand 1896 die Idee, eine Fachzeitschrift zu gründen, die Fotografen und fotografische Entwicklungen aus aller Welt vorstellen und der Fotografie als Kunstform Anerkennung verschaffen sollte. Im Jahr 1897 erschien die erste Ausgabe von Die Kunst in der Photographie bei Julius Becker in Berlin. Bis 1908 sollten 66 Ausgaben bei wechselnden Verlagen publiziert werden.

Die Kunst in der Photographie gilt laut Frank Heidtmann als weltweit erstes Organ, das sich ausschließlich dem fotografischen Bild und seiner Ästhetik widmete und die Fotografie als internationale Bewegung verstand. Neben Abbildungen von Werken namhafter Fotopioniere und Fotokünstler wie Alfred Stieglitz, Sarah Choate Sears, Rudolf Eickmeyer Jr., Constant Puyo, Robert Demachy, Gustave Marissiauy, Mary Devens wurden besonders auch Amateurfotografien bis 1900 als großformatige Fotogravüren, danach als Fotogravüren oder Autotypien publiziert. Textbeiträge wurden durch kleinformatige Fotografien illustriert. Die Betonung lag auf den künstlerischen Aspekten der Fotografie, namentlich der Werke der Pictorialisten und auf ihrem ästhetischen Gehalt. In anspruchsvollen und kenntnisreichen Textbeiträgen, die jedoch ab 1901 stark abnahmen und dann, abgesehen von einem kurzen Vorwort, komplett eingespart wurden, wurden einzelne Fotografen, fotografische Klubs und Verbände im In- und Ausland und bedeutende Ausstellungen behandelt. Die Texte stammten von Autoren wie Alfred Horsley Hinton, Alfred Lichtwark, Hildegard Lehnert, Richard Stettiner u.a. Viele der wichtigsten Texte entstammten jedoch der Feder von Franz Goerke. Im Vorwort zum ersten Band formulierte er die Zielsetzung der Zeitschrift wie folgt: „Mögen dem Wesen der künstlerischen Photographie auch Grenzen sein, die sich nicht überschreiten lassen, so sollte doch wenigstens das erfolgreiche Streben anerkannt werden, künstlerische Leistungen hervorzubringen und so die Photographie zu dem erheben, was sie sein will – zu einer Kunst.“

Die Kritiker nahmen die Bemühungen der Amateure gemischt auf. Die Photographische Rundschau und die Photographischen Mitteilungenlegten ihren Lesern die neu gegründete Zeitschrift bzw. die jeweils aktuelle Ausgabe ans Herz, während Ludwig Schrank, ein Berufsfotograf, in der Photographischen Korrespondenzfast jede neue Ausgabe und die darin abgebildeten Werke mit ironischer oder beißender Kritik kommentierte.

Es ist nicht zu leugnen, dass Die Kunst in der Photographie einen entscheidenden Beitrag zur Verbreitung fotografischer Bilder, zur Entwicklung der Fotografie in der westlichen Welt und zur Vernetzung der internationalen Fotoszene leistete. Nicht zu unterschätzen ist ihr Einfluss auf nachfolgende Publikationen wie Camera Work, herausgegeben von Alfred Stieglitz. Aus heutiger Sicht ist die Zeitschrift ein wichtiges und leider weitgehend unterschätztes Zeitdokument für die Geschichte der Kunstfotografie, das bisher noch nicht im Detail erforscht wurde, in kaum einer deutschen Bibliothek vollständig erhalten ist und äußerst selten auf den Kunstmarkt gelangt – dann jedoch in Einzelbänden sehr hochpreisig gehandelt wird. Die Universitätsbibliothek Heidelberg digitalisiert die erhaltenen Ausgaben aktuell in Kooperation mit verschiedenen Leihgebern.

 

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