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Die neue Mannheimer Kunsthalle: Auch ein digitales Museum

Die neue Mannheimer Kunsthalle kommt fast wie die Karikatur des allseits beschworenen white cube daher. Strahlend weiß, so dass einem fast die Augen schmerzen, und kantig-kubisch, was im übrigen auch in der Bezeichnung der einzelnen Ausstellungsräume als Kubus 1, 2 etc. zum Ausdruck kommt. Am sinnfälligsten wird das, wenn man vom riesigen Foyer in den alten, noch vom Jugendstil geprägten Gründungsbau überwechselt. Die aggressive Lichthaltigkeit des Neubaus wird hier konterkariert von weichen, biomorphen Formen in stark gedimmter Gediegenheit, geprägt von den changierenden Farben des roten Sandsteins und edlen Marmors.

Der aufwändigste Museums-Neubau des Jahres kommt unter der Leitung der umtriebigen Direktorin Ulrike Lorenz auch konzeptionell innovativ daher. Zwar stimmt die in der Presse häufig ventilierte Beobachtung nicht, die Chronologie der Werke spiele hier überhaupt keine Rolle mehr und es sei alles nach ganz anderen Prinzipien geordnet, aber manches ist doch sehr originell, um nicht zu sagen: idiosynkratisch präsentiert. Ein riesiger Kiefer neben einem daneben fast wie eine Briefmarke wirkenden Caspar David Friedrich wäre da zu nennen, oder eine nicht näher bezeichnete überdimensionierte Spieluhr neben dem berühmtesten Werk des Museums, Manets Erschießung Kaiser Maximilians von 1868/69. Vieles ist zudem wenig platzsparend gehängt, auch in Mannheim gilt, dass die Kunsthalle sich mindestens so sehr selber ausstellt wie die hier versammelten Werke, welche im wesentlichen der Zeit seit der Mitte des 19. Jahrhunderts entstammen und von solchen Ikonen der deutschen Museumsgeschichte wie Fritz Wiechert und Gustav Hartlaub angeschafft wurden. In fast schon wohltuendem Kontrast zur gleißenden Ästhetik der Ausstellungsräume dann das dunkle und geradezu überfüllt wirkende Schaudepot, in dem Werke gezeigt werden, die qualitativ teilweise mehr hergeben als das, was andere Museen in ihrer ständigen Sammlung vorweisen können.

Die Direktorin hat angekündigt, sie wolle die Zusammenstellung der Werke in den Austellungsräumen häufig verändern. Egal, wie man zu dieser Entscheidung stehen mag, man sollte meinen, dass hierin auch in Einfluss des Digitalen zum Ausdruck kommt, womit wir bei dem Punkt wären, um den es an dieser Stelle eigentlich gehen soll.

Direktorin Ulrike Lorenz vor der "Wall". Foto: Dieter Schwer

Gleich im Foyer befindet sich ein Monitorcluster, das unter dem Titel "The Wall" firmiert, was eine klare Anspielung an die noch entschieden megalomanischere digitale Wand im Museum of Art in Cleveland zu verstehen ist. Der Neubau wurde ganz wesentlich von einer Großspende vom SAP-Mitgründer Hans Werner Hector ermöglicht, vielleicht auch ein Grund für die aufgeschlossene Haltung des Museums gegenüber den digitalen Medien. Die elektronischen Reproduktionen der Mannheimer Werke werden auf dieser Wall projiziert, Nutzer*in kann sich eine davon auf dem berührungsempfindlichen Monitor heraussuchen und mit Informationen versehen lassen, in eine variable Reihe von Kontexten einbinden oder auch schlicht in großer Version aufrufen. Gerade mit der unterschiedlichen Kontextualisierung dürfte das präformiert sein, was dann auch in die erwähnte Programmatik der Museumshängung eingeht. Eine feste Verdrahtung des Einzelwerkes in einem klaren Zusammenhang ist heute ziemlich unmöglich geworden, Diversität, verstanden als vielfältige, unterschiedliche, wenn nicht geegensätzliche Aspekte hervorhebende  Präsentationsweise entspricht dem Zeitgeist viel mehr. Man darf gespannt sein, wie sich diese Programmatik über die Jahre entfalten wird.

 

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