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Heute der Kopf eines Knaben, morgen ein neuer Leonardo? ODER Warum der Enkeltrick immer wieder funktioniert

Am 30.06. 2016 wurde Im Auktionshaus Hampel in München ein BILDNIS EINES KNABEN MIT ROTER KAPPE der lombardischen Schule des 15./ 16. Jahrhunderts aus dem Umkreis von Bernardino Luini (um 1480/85 Runo – 1532 Mailand) verkauft (7000,-Euro).
Das 26 x 19 cm kleine Bild ist auf eine parkettierte Weichholztafel gemalt. Man müsste aber besser sagen "auf eine Weichholztafel aufgeklebt", denn das Krakeele nimmt keinen Bezug auf die Weichholztafel und ist das Ergebnis eines beschleunigten Alterungsprozesses.  So einiges muss dem aufmerksamen Betrachter außerdem auffallen, denn bei den im Katalog vermerkten "Einige[n] alte[n] Retuschen" handelt es sich um zahllose sinnlose Retuschen und für dieses Malwerk gilt analog zur cranachartigen Venus des Hauses Liechtenstein (vgl.Blogbeitrag vom 28.04.2016): würde man alle augenscheinlichen Restaurierungsartefakte entfernen, so bliebe keine Ruine (wie wiederholt behauptet) sondern lediglich die rissdurchfurchte Grundierung übrig.
Eine ganze Reihe von technischen Auffälligkeiten und nicht zuletzt die qualitätsvollen Bildarchitekturen beider Werke lassen an denselben Fälscher denken, von dem auch die Venus aus Liechtenstein stammt. Aber nicht nur das!
Fühlt man sich beim Anblick des mädchenhaften Knaben nicht an die Kassiererin Sally erinnert, deren Konterfei der einschlägig vorbestrafte Fälscher Shaun Greenhalgh für sich beansprucht, und in dem (nicht nur) der Leonardo da Vinci Experte Martin Kemp den großen Meister zu sehen im Stande ist?
Siehe artnet und International Business Times
Liest man sich ein wenig in die Pressemeldungen über Fälscher von Altmeistergemälden ein, so stößt man gleich auf einen weiteren Geniestreich, bei dem deutlich wird: was Leonardo mit links machte, können Fälscher auch mit rechts, ganz gleich in welcher Technik.
Siehe Tagesspiegel
Und noch eines wird dabei klar: es gibt mehr unentdeckte Fälschungen als entdeckte. Dies sollte uns Kunsthistorikern zu denken geben.

Cranach Research Institute (cri)
Schloss Wolfsbrunnenweg 48
69118 Heidelberg
www.cranach.net

1 Kommentar(e)

  • Hubertus Kohle
    09.07.2016 20:15
    Weiter so

    Lieber Herr Hofbauer
    ich hoffe, Sie lassen sich mit Ihren Bemerkungen nicht entmutigen und schreiben weiter zu dem Thema - und das auf diesem blog! Allerdings müssten Sie dafür sorgen, dass sie auch an der richtigen Stelle bemerkt werden: das ist die Kunst der social media!

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