blog.arthistoricum.net
Open Access und die neue Kunstgeographie
Gastbeitrag von Jacek Maj zur Open Access Week 2015
Das Fundament wissenschaftlicher Untersuchungen sind neue Entdeckungen und das Publizieren der Festlegungen und Interpretationen. Das zur Zeit herrschende System des Urheberrechts hält die Wissenschaft von der vollen Ausnutzung ihres Potenzials ab, weil es den Gedankenaustausch im Internet blockiert. Um die (sehr oft haushaltsfinanzierten) Forschungsergebnisse kennenzulernen, muss der Leser noch einmal bezahlen, z.B. für das Buch oder den Online-Zugang (die Bibliotheken subskribieren Datenbanken aus unseren Steuern).
Die offene Wissenschaft ist die günstigste und effektivste Weise der Wissensverteilung - auch in den Geisteswissenschaften, worüber in letzter Zeit u.a. Martin Eve schrieb (Open access and the humanities. Contexts, controversies and the future), Cambridge 2014).
Die offene Wissenschaft spielt eine wichtige Rolle in der modernen Wissensgesellschaft, weil sie den Bereich und den Gebrauch von Effekten der Arbeit von Wissenschaftlern erweitert. Nicht nur verbessert sich dadurch die Übermittlung der Informationen und die Kosten werden gesenkt, sondern es werden die Forderungen nach der Demokratisierung der Wissenschaftsdistribution realisiert und es wirkt der Ausgrenzung entgegen.
Open Access - Why Open Science?
Kurzfilm von Centrum Cyfrowe für die Open Access Woche (Creative Commons Attribution-ShareAlike 3.0 Poland license)
Die Umsetzung von Open Access ist jedoch kompliziert und voller Fallen. Die wissenschaftlichen Verlage schützen ihre Marktposition (sie verdienen immer noch an den Wissenschaftlern, von denen sie die Texte kostenlos bekommen) und wenden am häufigsten ein Hybridmodell an, das auf der Subskription basiert, wobei aber der Verfasser für die Befreiung seines Artikels (z.B. in einem Repositorium) bezahlen kann. Die britischen Erfahrungen zeigen jedoch, dass solche eine halbe Lösung die teuerste Weise der Bereitstellung von wissenschaftlichen Publikationen ist (vgl. Bericht Monitoring the Transition to Open Access, 2013-2015 vorbereitete von University UK Open Access Coordination Group). Deshalb kann man die Feststellung riskieren, dass für die Entwicklung der Wissenschaft der Fall des Monopols der großen wissenschaftlichen Verlage notwendig ist.
Open Access verkleinert auch die ökonomischen und historischen Barrieren, weil es Wissenschaftlern aus schlechter entwickelten Ländern, die sich die Anschaffung von Publikationen nicht leisten können, eine Einsichtnahme in den neuesten Forschungsstand ermöglicht. Wiederum finden Publikationen z.B. von Ländern hinter dem Eisernen Vorhang neue Leser in der ganzen Welt. Die offene Wissenschaft ist also das beste Gegenmittel für die Mängel der Bibliothekssammlungen.
Die Bereitstellung der Werke aus der Mittel- und Osteuropäischen Kunstgeschichte öffnet eine Welt, die oft abwesend ist in den Handbüchern aus dem 19. und 20. Jahrhundert, und hilft die bisherige Kunstgeographie zu revidieren. Wieso kann die Perspektive der Peripherien interessant sein? Das Zentrum hat eine Veranlagung für die einspurige Perspektive: sie sieht alles ringsherum als abgeleitet, als Nebenerscheinung gegenüber sich selbst. Inzwischen ist die Perspektive der Peripherien breiter und pluralistischer, weil es eben viele Zentren zeigt. Die „horizontale Kunstgeographie”, welche die hierarchische Folge Zentrum-Peripherie nivelliert, eröffnet neue Forschungsmöglichkeiten (s. Piotr Piotrowski, Framing of the Central Europe, in: Moscow Art Magazine, 1998, Nr. 22, S. 55-66).
Die Universitätsbibliothek Heidelberg digitalisiert seit einigen Jahren konsequent die kunsthistorische Literatur für Mittel- und Osteuropas als Kollektion ART-Dok Central and Eastern Europe und bietet auch die größte Sammlung der gegenwärtigen polnischen Kunstzeitschriften weltweit an.
Das Heidelberger Projekt ist mit vielen Partner realisiert und wird um die nächsten Länder erweitert, aber schon jetzt gilt es als eine der Hauptquellen für Kunstgeschichte Mittel- und Osteuropas.
Informationen zur Open Access Week 2015
0 Kommentar(e)