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Mehr Kritik wagen

In seinem Blog  veröffentlichte Uwe Wittstock ein Interview mit Wolfgang Ullrich. Hier ein kurzer Auszug, der Kritik am eigenen Fach beinhaltet, auch wenn Ullrich im Ungefähren bleibt und uns Beispiele vorenthält.

Uwe Wittstock: Kunstwissenschaftler sind, schreiben Sie, hauptsächlich damit beschäftigt, Kunstwerke als besonders bedeutend und bewundernswert hinzustellen. Sie steigern also den Wert auf dem Kunstmarkt. Das kritische Urteil ist unter Wissenschaftlern fast ausgestorben. Muss ich den Wissenschaftlern also konsequent misstrauen, da sie mit ihrer Arbeit ohnehin nur die Kunstpreise hochtreiben?

Wolfgang Ullrich: Das ist eine seltsame Selbstbeschränkung viele Kunstwissenschaftler. Vielleicht entsteht sie auch durch Gewohnheit oder Gedankenlosigkeit: Kunstwerke werden von ihnen nahezu unterschiedslos gefeiert. Dabei sind sie fast die Einzigen im Kunstbetrieb, die auch die Freiheit haben, differenziert zu werten und Schwaches schwach zu nennen. Museumsdirektoren müssen die Bedeutung ihrer Sammlung herausstreichen, das ist ihre Aufgabe. Autoren von Auktionskatalogen sind dazu gezwungen, die angebotene Kunst zu loben und für bedeutsam zu erklären. Der staatlich bestallte und bezahlte Kunsthistoriker jedoch ist frei im Urteil – und mich wundert, weshalb diese Freiheit so selten genutzt wird.

Der Ausstellungsbetrieb richtet sich, unter drängenden ökonomischen Zwängen stehend, mehr und mehr nach den Faktoren des globalen Kunsthandels aus, was sich auch auf die Qualität der Exponate niederschlägt. Eine Kritik an diesen Strukturen beginnt langsam aufzukommen. Auch die Kunstgeschichte sollte diese Bedingtheiten analysieren und durchschauen lernen.  Die Kollegin und Kunstkritikerin Julia Voss hat gerade in einer neuen Publikation ("Hinter weißen Wänden") auf die Aktivitäten des Kunsthandels hinter den Kulissen des Ausstellungsbetriebs hingewiesen. Es wäre zu wünschen, dass sich solche Stimmen mehren.

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