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Le Journal de la Marbrerie et de l’Art décoratif – eine Rarität in der Universitätsbibliothek Heidelberg

Die Universitätsbibliothek Heidelberg hat in ihrem Bestand eine große Anzahl an verschiedensten Kunstzeitschriften des 19. und 20. Jahrhunderts, die in ganz Europa beziehungsweise weltweit erschienen sind. Insbesondere Paris als bedeutendes europäisches Zentrum für Kunst, Kunstgeschichte und Kunstkritik war die Wiege zahlreicher Zeitschriften aus diesen Fachgebieten. Zu den wichtigsten gehören natürlich die Gazette des Beaux-Arts, die Zeitschrift L’Art oder das Journal des Beaux-Arts. Diese Publikationen finden sich heute im Bestand vieler Bibliotheken und Institutionen. Andere Zeitschriften mit spezielleren Themen sind viel seltener zu finden, vor allem außerhalb Frankreichs.

Das Journal de la Marbrerie et de l’Art décoratif, wörtlich übersetzt: „Journal der Marmorarbeit und des Kunstgewerbes“ gehört zu diesen Raritäten. Zu den wenigen Institutionen, in deren Bestand sich diese ab 1903 veröffentlichte Zeitschrift befindet, gehören die Universitätsbibliothek Heidelberg, die BnF in Paris und die Universitätsbibliothek Lille-1. Die Universitätsbibliothek Heidelberg hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Bände zu digitalisieren und der Öffentlichkeit online zugänglich zu machen.

Das Journal setzt sich aus drei Teilen zusammen: Das Hauptheft wird von zwei unterschiedlichen Beiheften ergänzt, dem Supplément und der Revue générale de la construction.

Das Supplément gibt überwiegend kommerzielle Informationen zu Marmorverarbeitung und –handel und spricht Empfehlungen über auf Marmor spezialisierte Steinmetzbetriebe in Frankreich aus. Das Beiblatt kann also, in gewisser Weise, als Werbeheft betrachtet werden. Die ersten Hefte des Beiblatts erschienen mit vollem Seitenumfang trotz weitestgehend fehlender Werbeanzeigen. Anstelle der Anzeigen sind mehrere Platzhalter in unterschiedlichen Formaten zu sehen; das ergibt ein sehr amüsantes Bild.

Nachdem sich das Journal etabliert hat, wurde im Jahr 1904 die Revue générale de la construction gegründet, um den Themenbereich der Zeitschrift auf die ganze Bauwirtschaft zu erweitern. Die Revue enthält allgemeine Berichte über unterschiedliche Aspekte des Bauwesens, und auch über Firmen und Werkstätten. Dabei geht es teilweise auch um überraschende Fragestellungen, wie zum Beispiel die Vermeidung von Rauchentwicklung in Fabriken. Dieser Artikel sowie die Verwendung eines Fachjargons spiegelt die starke Spezialisierung der Publikation, die sich fast ausschließlich an ein Fachpublikum richtet.

Das eigentliche Journal ist ganz dem noblen Material „Marmor“ gewidmet. Es geht aber nicht, wie man leicht vermuten könnte, um seine Verwendung in den schönen Künsten beziehungsweise in der Bildhauerei. Wie der Titel der Publikation unterstreicht, geht es um die Beziehung zwischen Marmor und Kunstgewerbe. Das selbstformulierte Ziel war vor allem, die Nutzung von Marmor im Bauwesen zu fördern, da er in den vorangegangenen Jahren häufig durch Gips oder Papiermaché ersetzt wurde (siehe Programm der Zeitschrift). So findet man Beiträge zu nahezu allen Aspekten der Marmorverarbeitung, vom Steinbruch bis hin zum kleinsten Marmorobjekt.

Das Themenspektrum der Zeitschrift reicht vom Marmorhandel über die Marmorgewinnung und -verarbeitung bis hin zu den Berufsgruppen, die den Marmor nutzen, wie Architekten und Dekorateure. Bemerkenswert ist, dass die Artikel keine kunsthistorischen und kunstanalytischen Themen aufgreifen.

Das alles macht Le Journal de la Marbrerie et de l’Art décoratif zu einem Unikum, welches auch die Bestände und das digitale Angebot der Universitätsbibliothek Heidelberg bereichert. Bis jetzt scheint das Journal auch in Frankreich wissenschaftlich wenig beachtet. Ein Grund hierfür ist mit Sicherheit der fehlende kunsthistorische Bezug und die Gewichtung auf das Handwerk. Trotzdem kann die Zeitschrift Kunsthistorikern und allen, die sich für Kunsthandwerk und Kunstgewerbe des 19. und frühen 20. Jahrhunderts interessieren, eine nützliche Quelle sein.

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