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Louise Lawler - Adjusted

Die amerikanische Konzeptkünstlerin Louise Lawler, eine der renommiertesten Vertreterinnen der Appropriation Art, hat gewissermassen die Perspektive des Betrachters zum Sujet ihrer künstlerischen Auseinandersetzungen erhoben. In einer umfassenden Schau im Kölner Museum Ludwig bildet ihr fotografisch fixierter Blick auf Arrangements von Kunst mit sonstigen Sammlerstücken in Privaträumen wie in Museen den gleichsam kommentierenden Auftakt zur Neupräsentation der Museumssammlung ("Not yet titled"), mit der sich der neue Leiter Philipp Kaiser vorstellt. Das Bilderdefilé im Erdschoss gleicht derzeit fast einer hall of fame bekannter Kunstwerke, ja Ikonen – nur sind diese hier nicht im Original zu sehen, sondern dank Lawler fotografisch reproduziert in Cibachrome-Hochglanz und in jeweils spezifischen Sammlungszusammenhängen bzw. -kontexten. Nein, sie sind nicht einfach dokumentiert, sondern vielmehr durch einen immer besonderen Blickwinkel und in Ausschnitten (mitunter ironisch) komponiert. Die in New York lebende Künstlerin (Jahrgang 1947), wie etwa Sherrie Levine oder Cindy Sherman der sogenannten Picture generation angehörend, versteht sich nicht als Fotografin, sondern "nutzt das Medium als Instrument, sich Situationen anzueignen und in dezidierten Fokussierungen Dinge sprechen zu lassen, die unartikuliert geblieben sind", so Kaiser in seinem Vorwort zum Katalog.

Ob ein Schlitzbild von Fontana unter einem Kronleuchter hängt (Chandelier) – die Szenerie wird schwach beleuchtet durch einen vertikal unterteilten Lamellenvorhang – oder ein Gerhard Richter-Bild quer an einer Wand lehnt und offenbar der Hängung harrt (Nude), immer wieder ist es gerade das scheinbar Nebensächliche oder vermeintlich Irrelevante, das die Aufmerksamkeit des nach Lawler nächsten Betrachters auf eben diese Focussierung lenkt. Der Blick auf die Kunst ist niemals wertfrei, und es wird darüber hinaus deutlich, dass ihre räumliche Kontextualisierung auch deren Rezeption determinieren. Hans-Jürgen Hafner hebt in seinem Kommentar zu Lawlers Teilnahme an der Documenta 12 besonders darauf ab, dass ihre Fotografie "ein komplexes soziales und psychologisches Gefüge reflektiert", das sich in Besitzverhältnissen wie Geschmack artikuliere. http://www.artnet.de/magazine/anleitungen-zu-einer-produktiveren-documenta-lekture 

Als Künstlerin geht es ihr meist weniger um eigene Bildfindungen als um die Konkretisierung bzw. das Herausarbeiten bestimmter Mechanismen, die bestenfalls – und somit im Sinne Duchamps, dem Ur-Konzeptualisten – jenseits der 'retinalen Kunst' zum Vorschein kommen. Manchmal transformiert sie den einen oder anderen fotografischen Bildausschnitt in sogenannte "Tracings", großformatige Umrisszeichnungen, die an Vorlagen in Ausmalbüchern erinnern. Eine augenzwinkernde Volte der unendlichen Übertragbarkeit und Reproduzierbarkeit ihrer eigenen Kunstproduktion.

Lawlers Beiträge bilden, wie angedeutet, wirkmächtig den Auftakt der Sammlungsneuaufstellung im Museum Ludwig, sie sekundieren indessen auch Werke anderer KünstlerInnen im gesamten Haus. Auf Lawler direkt folgen unmittelbar im ersten Stock Arbeiten von Andrea Fraser und Hans Haake, die konsequent den theoretischen – inwieweit wirklich Institutions-kritischen (?) – Hintergrund des Hausherrn manifestieren und in der Folge des Rundgangs, somit wenig überraschend, für einen etwas verkopften Parcours sorgen. Umso mehr entflammt spontane Freude angesichts mancher dem Depot entnommenen Kunstwerke: so etwa ein wunderbarer Cornell oder ein beeindruckendes Filmdokument des Architekturfotografen Andreas Feininger.

Dass die Veränderung von Blickachsen bzw. Neuarrengements von Kunstwerken die Rezeption verändern, erkennen die Besucher mit Sicherheit nicht erst durch die nachdrückliche Präsenz von Louise Lawler und ihren Bildkommentaren. Solch intensiver, fast pädagogischer Seh-'Schulung' hätte es zwar nicht bedurft, unterläuft sie doch oft genug die ironische Brechung ihrer 'Aneignungen', willkommen sind sie dennoch als erfrischende, Distanz schaffende Intermezzi.


(Ausstellung Lawler bis 26.1.2014)

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