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Der Einsatz von Technik im Ägyptischen Museum in München

Audioguides sind ja mittlerweile Standard, und sogar die Münchner Pinakotheken verfügen darüber. Was es aber jetzt an neumodischen Präsentations- und Visualisierungsmöglichkeiten im Ägyptischen Museum gibt, das toppt doch alles, was ich bisher in Münchner Kunstmuseen gesehen habe und darüber möchte ich berichten.

Ich war letztens gemeinsam mit meinem Mann, einem eher sporadischen Museumsgänger, im Ägyptischen Museum in München. Es begann mit dem Multimedia-Guide, den ich entlieh. Der ist normalerweise im Eintrittspreis enthalten, bzw. kostet am Sonntag einen freundlichen Euro. Das lädt doch schon mal dazu ein,  so ein Gerät in die Ausstellung mitzunehmen. Jedoch brach ich die etwas langatmige Einführung zu früh ab und wurde gleich dafür bestraft: Ich konnte das Ding nicht bedienen. Wie ich es auch drehte und wendete, es erschloss sich keinesfalls intuitiv. So etwas würde die Technik aber hergeben: zu funktionieren, ohne großartige Erklärung. Bzw. die Erklärung, die man dafür braucht, ist so kurz, dass man dafür keine huldvolle Begrüßung und Einführung benötigen würde.

Ich drückte den Multimedia-Guide schließlich meinem Mann in die Hand und hoffte, dass er irgendwie herauskriegen würde, wie er funktioniert. Die Zwischenzeit nutzte ich, um mich bei anderen Besuchern zu erkundigen, wie sie zurechtkämen. Einer meinte: "Ich schmeiß das Ding gleich auf den Boden." Mit einem anderen fachsimpelte ich etwas ausgiebiger. Er kam aber auch nicht zurecht, vermutete, dass das an der übersprungenen Einführung lag und verwies mich an seine Frau, die offensichtlich ihr Gerät im Griff hatte. Diese meinte, dass man nur auf der Führungslinie bleiben bräuchte und das Gerät würde automatisch erkennen, in welchem Raum man sich befände. Die Exponate, für die Erklärungen bereitstünden, wären dann gekennzeichnet. Mit dieser Info stattete ich meinen Mann aus, bevor ich mich den weiteren Visualisierungsmöglichkeiten widmete.

Die Leuchttische – und einer davon steht gleich im ersten Saal - haben eine hübsche bunte Glasoberfläche. Wenn man mit dem Finger darauf tippt, werden Informationen zu dem Begriff, auf den man zuvor getippt hat, angezeigt. In einigen Fällen boten diese Visualisierungen einen Mehrwert. Etwa die Papyrusrolle, die man mit einem darunter angebrachten Monitor entlangfahren kann und auf dem zum jeweiligen Abschnitt der Rolle Zusatzinformationen angezeigt werden. Zwar verfügt der Monitor über große Griffe, aber man darf nicht vergessen, dass man sich in einem Museum befindet, in dem man nichts anfassen darf. Also wer kommt auf die Idee, den Monitor zu bewegen? Erwachsene nicht, wie ich feststellen konnte. Ein Kind wohl. Hier wäre ein entsprechender Hinweis, dass der Monitor beweglich ist, hilfreich.

Ebenfalls eine schöne Visualisierung war die Zeitleiste, auf der der Besucher einen Zeiger bewegen kann. Zum gewählten Zeitbereich werden Informationen jeweils zu Politik, Geschichte und Kunst dargestellt.

Die meisten Leuchttische jedoch waren nicht mehr als digitalisierte Flyer. Spielerei in meinen Augen. Technik im Museum einzusetzen, dürfte nicht ganz preiswert sein, weil es sich immer um maßgeschneiderte Lösungen handelt. Deshalb sollte ihr Einsatz wohl durchdacht sein und einen echten Mehrwert bieten, der über analoge Möglichkeiten der Informationsdarstellung hinausgeht. Alles andere ist alter Wein in neuen Schläuchen und hätte auf dem Multimedia-Guide auch noch Platz.

Mein Mann kam in der Zwischenzeit mit dem Gerät gut zurecht. Er machte mich darauf aufmerksam, dass bei einigen Exponaten Rekonstruktionen visualisiert wurden, die in der Vitrine nicht zu sehen waren. Wunderbar! Genau das, wozu Technik im Museum dienen kann! Sie zeigt, was war und wie es ausgesehen hat und fasziniert damit den Besucher.

Die weißen Vitrinen erschließen sich nicht auf den ersten Blick. Ich war bereits das zweite Mal in dem Museum und bei meinem ersten Besuch habe ich nicht verstanden, was hier gezeigt wird. Vielleicht gibt es irgendwo eine Erklärung, aber ich habe keine gesehen. Und wer liest schon jeden Text, der irgendwo steht? Besonders am Ende eines Rundgangs.

Die Besonderheit dieser Vitrinen liegt in der dreidimensionalen Darstellung kleiner Exponate, was man aber nur mit dem richtigen Blickwinkel erkennen kann. Meinem Mann ist es gelungen, das zu erfassen. Dann sahen wir überall diese kleinen 3D-Objekte. Wirklich schön. Ich bemerkte folgendes: Der Effekt fällt gerade bei den vorderen Vitrinen nicht so stark aus. Hier befinden sich viele Fingerabdrücke auf dem Glas. Ob der Effekt von Haus aus nicht so stark ist und die Besucher – das Touchen gewohnt – hier auch die Oberfläche berühren wollen, um eine Reaktion zu erreichen, oder ob der 3D-Effekt wegen der Fingerabdrücke nicht so stark ist und deshalb noch mehr getouched wird, entzieht sich meiner Kenntnis. Vielleicht können Sie die Fingerabdrücke auf dem Foto (sh. oben) erkennen. Bei den Vitrinen im hinteren Teil des Raums ist der 3D-Effekt deutlicher und hier gibt es dann auch keine Fingerabdrücke mehr auf den Vitrinen. 

Positiv fand ich die Möglichkeit für Sehbehinderte, in einem Raum Abgüsse ertasten zu können. Dazu eignet sich ein Museum, das hauptsächlich dreidimensionale Objekte ausstellt, besonders. In Zeiten von 3D-Druckern könnte man allerdings viel mehr Skulpturen zum Anfassen ausdrucken. Wie wäre es, Sehbehinderte nicht nur mit einem kleinen Extra-Raum zu bedenken, sondern gleichzustellen? Das ist eine Herausforderung und wäre mal wirklich was Neues! Für Kinder ist das auch was, denn sie wollen alles anfassen und entsprechende Exponate wären toll für sie.

Insgesamt war der Besuch des Ägyptischen Museums lohnend und man kann mehrmals hingehen, auch weil der Multimedia-Guide soviel Informationen bietet, die man nicht bei einem Besuch verarbeiten kann. Das ist ein weiterer Grund für den Einsatz von Technik: Wenn Besucher merken, dass es noch so viel mehr zu entdecken gibt, als sie mit einem Mal erfassen können und dann wiederkommen. 

Mein Mann war zum Schluss ganz begeistert von dem Multimedia-Guide, mit dem er jetzt richtig gut klar kam. Er zeigte mir, dass jedes Exponat, zu dem er sich Informationen angehört hatte, mit einem Häkchen gekennzeichnet wurde. Elemente, die einen Fortschritt anzeigen, und das ist hier ja so ähnlich, kommen aus dem Bereich der Gamification. Scherzhaft meinte er, dass das Museum jetzt auswerten könnte, was er angesehen hat und was nicht; ob er ein fauler oder fleißiger Besucher gewesen sei. Bei der Rückgabe des Geräts machte er eine entsprechende Bemerkung und man versicherte ihm, dass es keine Auswertung gäbe. Aber warum eigentlich nicht? Wenn es nicht personalisiert ist, passiert doch nichts, außer dass das Museum Einblick in das Verhalten, wie z.B. die Aufmerksamkeit der Besucher erlangen könnte. Erkenntnisse daraus ließen sich wissenschaftlich auswerten und könnten zukünftig bei der Ausstellungsplanung Berücksichtigung finden. Mal sehen, wann ein findiger Kunstwissenschaftler auf die Idee kommt, das tun zu wollen.

Auf den Boden der Tatsachen gerieten wir in puncto Technik danach in der Sonderausstellung "Das Alte Testament" in der Alten Pinakothek. Ein Audioguide zur Ausstellung wurde nicht angeboten. Zum Ticket gab es einen Orientierungsplan auf Papier dazu. Weitere Informationen zu den Bildern konnten über einen kleinen Katalog zum Preis von 7.80 Euro käuflicherworben werden.

 

--- Tja.

1 Kommentar(e)

  • Anne Fischer
    31.07.2013 12:46
    okay

    Loriot oder brauche ich einen Mann, um mich im technologisierten Museum zurechtzufinden? Vielen Dank für diese ausführliche Einführung. Macht auf jeden Fall Lust, es auszuprobieren und Mut, durchzuhalten.

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