blog.arthistoricum.net

Original und Kopie

Schon längst zugunsten der Kopie entschieden? nach oben

Dass München nach dem Zweiten Weltkrieg mehr oder weniger genauso wieder aufgebaut wurde, wie es seiner historischen Erscheinungsweise entsprach, gilt bis heute vielen als Antimodernismus und Heimatseeligkeit, wenn nicht reaktionäre Verstocktheit. Ich weiß noch, wie so etwas in meiner Studienzeit immer als Mickey-Mouse-Syndrom erledigt wurde. Heute, wo 3D-Scanner Furore machen, könnte dieser Antimodernismus auf einmal viel moderner wirken als alles das, was bislang unter Modernität gelaufen ist. Wenn Eric Schmidt und Jared Cohen in ihrem Buch über “The new digital age” davon reden, dass man die Bamyian Buddas, wenn sie nur exakt gescanned wären, “identisch” wieder aufbauen könnte, dann weisen sie den Weg: Vor die Alternative gestellt, eine lieb gewordene architektonische Konstellation gar nicht mehr, oder nur noch in einer – allerdings ziemlich perfekten – Kopie betrachten zu dürfen, werden auch die kritischsten Analytiker letzteres vorziehen. Zumindestens werden sie große Schwierigkeiten haben, die Alternative in der Öffentlichkeit durchzusetzen. Die sowieso schon vielfach vollzogene Substitution des Originals durch Restaurierungen/ Kopien wird sich in Zukunft verschärft fortsetzen. Wie lange es wohl noch dauern wird, bis unsere gesamte gebaute Umgebung zu einer (unerkannten) Kopie geworden ist? Aber auch die Gegenargumente sind gewichtig: Befördert man nicht in letzter Konsequenz die Tendenz zum Abriss historischer Denkmäler, wenn man darauf hinweist, dass sie ja doch "identisch" wiederhergestellt werden können?

0 Kommentar(e)

Kommentar

Kontakt

Kommentar

Absenden