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Es kommt Wind auf. Die Wissensräume der Gartenkunst

Wind und dessen materielle Manifestation in den Gewändern und Haaren hatte bereits Aby Warburg in seiner luziden Analyse der Primavera fasziniert. Wind kann verändern, dynamisieren und fegt bisweilen auch über Gegenstandsbereiche der Kunstwissenschaft, die lange Zeit eher windstille Gebiete waren: Ich meine hier die Gartenkunstgeschichte, die kaum an den kunsthistorischen Instituten vermittelt wird und deren allgemeiner Charakter als „Plaisirforschung“ hier im Blog schon eingehender konstatiert wurde.

 

Jüngst lässt sich aber seit dem 31. Kunsthistorikertag in Würzburg mit einer Sektion zu den „Quellenproblemen der Gartenkunstgeschichte“ eine neue Beschäftigung mit der Gartenkunst feststellen, die jenseits der immer wieder bemühten (und überdies falschen) Reduzierung auf stilistische Systeme von sogenannten absolutistischen französischen Gärten versus freiheitlichen englischen Landschaftsgärten neue Wege bestreitet: Gartenkunst als Medien übergreifende Gattung, als Experimentierfeld naturwissenschaftlicher und technischer Erkenntnisse und kulturellen Erinnerungsraum.

 

Diese neuen Perspektiven zeigen auch zwei kürzlich erschienene Publikationen auf. So kartiert die Geschichte der Gartenkunst in Deutschland erstmalig eine transdisziplinäre Zusammenschau der vielfältigen an der Gartenkunst beteiligten Disziplinen (Botanik, Technikgeschichte, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Philosophie etc.) und verdeutlicht den wechselhaften Aufstieg der Gartenkunst als eigene Gattung im System der Künste. Und Horst Bredekamp fordert mit seinem Essay über Leibniz und die Revolution der Gartenkunst eine neue Bewertung des Barockgartens ein. Wenngleich diese Lesart bisweilen auch kritisch zu betrachten ist (vgl. hierzu die Rezension von Marcus Köhler), zeigt der Essay grundsätzlich, dass die Gartenkunst eine Gattung ist, die als Wissens- und Experimentierraum verstanden neue Fragen aufwirft. 

 

Insofern darf also Hoffnung bestehen, dass die Gartenkunst auch als paradigmatischer Gegenstandsbereich heutiger Fragen der Kunstgeschichte nach Wissenstransfer, kulturellem Austausch und der Relation von Kunst und Technik mehr in den Blick gerät.

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