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Schandpfahl für Venedig - das geplante Hochhaus des Pierre Cardin

Der französische Modeschöpfer Pierre Cardin (90) will auf dem Gelände eines ehemaligen Chemiekonzerns in Porto Marghera bei Venedig einen 244 Meter hohen „Lichtpalast“ mit 69 Stockwerken errichten. Eine solche eitle Beeinträchtigung des historischen Ensembles schien bisher undenkbar. 

Die Meldung ging schon anlässlich der Eröffnung der Architektur Bienale im Sommer 2012 durch die Medien. Anlässlich von Projekten dieser Größenordnung (ca. 2 Mia. €) ist es mehr als erstaunlich, dass die erforderlichen Genehmigungen offizieller Gremien so schnell alle vorliegen. Nur wenige Stimmen erheben noch Einwände. So wurde der venezianische Kunsthistoriker Tomaso Montanari zitiert: „sein Turm ist etwas für Scheichs, die immer höhere Wolkenkratzer bauen, um ihren Reichtum zur Schau zu stellen. Das ist nichts für Venedig“. Italia Nostra versuchte mit einer Eingabe, die bisher nicht tätig gewordene UNESCO zu einer Stellungnahme zu bewegen.

Didier Rykner, der über die Darstellung dieses Projektes durch Pierre Cardin im französischen Fernsehen berichtete, sieht darin ein weiteres Beispiel der Degenerierung der italienischen Kultur. Dass letzteres keine Übertreibung ist, bezeugt der renommierte Kunsthistoriker Salvatore Settis, welcher sogar davon spricht, dass die Italiener Feinde der Kunst geworden seien. Sicher lässt sich der zunehmende Ausverkauf von Venedig zwischen Massentourismus riesiger Kreuzfahrschiffe und den Privatmuseen reicher Sammler dokumentieren. Es ist aber zu befürchten, dass diese Kommerzialisierung des kulturellen Erbes keine italienische Besonderheit ist. 

3 Kommentar(e)

  • Christian M. Geyer
    07.07.2013 16:58
    Projekt verhindert

    Wie in der aktuellen Tribune de l'Art berichtet, hat Pierre Cardin nach zahlreichen Protesten auf sein monströses Projekt in Venedig verzichtet.
    http://www.latribunedelart.com/le-projet-cardin-annule-a-venise-epargnons-paris-de-la-tour-triangle

  • Christian M. Geyer
    06.12.2012 17:55
    Polemik erlauben

    Lieber Noricus,
    da wir mit Worten ja wenig ändern können, versuchen wir vielleicht manchmal, diesen durch mehr Lautstärke Nachdruck zu verleihen. In dem Sinn bitte ich meine Formulierung vom "Schandpfahl" als zulässige Polemik zu verstehen. Like und Dislike verstehe ich - aber gibt es Normen für cooles Verhalten in Blogs, gegen die ich verstossen habe und wofür man eine sechs bekommt?

    Manchmal hilft unsachliche Polemik ja: in der Stanford University wird ein bombastischer Turm als "Hoovers last erection" verspottet, was dem edlen Sponsor gar nicht gefiel und Nachahmer hoffentlich abschreckt. Es wäre doch schön, wenn dieses Hochhausmonster so verschrieen wäre, daß man sich geniert, da einzuziehen.

    Ich maße mir als Deutscher sicher nicht an, eine ganze Nation zu beurteilen und habe im Schlusssatz betont, daß es sich nicht um ein italienisches Problem handelt. Aber ich habe Stimmen von namhaften Italienern zitiert, die aus langjährigen zermürbenden Erfahrungen ihre Schlussfolgerungen zogen.

  • Noricus
    05.12.2012 17:05
    So sehr...

    man beim Gedanken an das gigantomanische Projekt erschauern mag (und beileibe nicht wohlig), so sehr befremden die Überschrift ("Schandpfahl"?) und der nicht nur implizit erhobene Vorwurf der Degeneration einer ganzen Nation. D’Welt steht auf kein’ Fall mehr lang... Setzen, sechs!

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