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Der deutsche Hochschulverband

Eine echt deutsche Standesvertretung nach oben

Wer sich auf den mühsamen Weg einer Hochschullehrerkarriere macht, tut gut daran, möglichst bald in den Deutschen Hoschulverband einzutreten. Denn dort werden seine Rechte extrem professionell und kompromisslos vertreten. Einen Vorgeschmack davon bekommt man auch in der monatlich erscheinenden Verbandszeitschrift Forschung & Lehre. Darin führt man einen beherzten Kampf gegen alles, was vom guten traditionellen Weg abweicht, z.B. das, was mit dem Begriff Bologna assoziiert wird. Mag auch in diesem Kampf einiges einleuchten, geht mir die allgemein reaktionäre Stoßrichtung, die eigentlich bundesweit nur noch von der FAZ getoppt wird, einigermaßen auf die Nerven. Gespannt ist man bei dieser Ausgangslage auch auf das, was die Professoren-Standesvertreter zur Digitalität zu verkünden haben. Wie erwartet, kaum etwas Gutes. In der letzten Nummer ist der Artikel "Offener Zugang. Zur universitätern Präsenz der Digitalität" von einem gewissen PD Philipp Theisohn erschienen (erstaunlicherweise sogar open acces zugreifbar, und zwar hier. Den sowieso schon skeptischen Grundton dieses Aufsatzes verschärft die auf Krawall gebürstete Redaktion dadurch, dass sie folgende fett gedruckte Zwischenüberschriften setzt: "Ungewiss ist, ob die digitale Rechnung für alle Beteiligten in gleichem Maße aufgeht" - "Die Natur- und Technikwissenschaften nehmen die Digitalisierung überwiegend als eine Steigerung der Effizienz und Synergie wahr," - "'Digitale Verfügbarkeit' kann auch Selbsttäuschung und Blenderei bedeuten" "Dass man durch dicke Bücher selbet ganz hindurch muss, zur Not mehrmals - das besitzt in der Geisteswissenschaft nicht nur einen erzieherischen Wert". Ist man durch diese Trompetenstöße schon mal gleich in seiner professoralen Sicherheit bestätigt, dass früher alles besser war, findet man in dem Artikel zwar gönnerhafte Bemerkungen zu den Vorteilen von Open Access (wer will schon bestreiten, dass es schön ist, versteckte Traktate unmittelbar zugänglich zu haben?), der Tenor ist aber doch ablehnend, und zwar mit einer typisch geisteswissenschaftlichen Kerndisposition, die der schon spätmittelalterlich geäußerten Kritik an Buchregistern ähnelt. Die nämlich würden den Leser bedauerlicherweise vor der eigentlich notwendigen Lektüre des gesamten Buches bewahren, da sie ihm oder ihr das direkte Springen zu der gesuchten Passage ermögliche. Ansonsten wird mal wieder der Gegensatz zu den Natuwissenschaften aufgemacht, die in ihren Texten nur auf Information aus- und daher natürlich für Open Access wären. Ich bin mal gespannt, wie der/die Naturwissenschaftler/in auf diese plumpe Anmache eines Geisteswissenschaftlers reagiert, wenn er/sie mal wieder seine/ihre mangelnde Komplexität vorgehalten bekommt!

8 Kommentar(e)

  • Klaus Graf
    14.11.2012 23:57
    Weitere Kritik

    http://archiv.twoday.net/stories/216965002/

  • Sebastian Fitzner
    14.11.2012 12:29
    Welkende Erkenntnis

    Medien sind nicht nur technische Hilfsapparate. Wer nicht versteht, dass sie/er etwa mit Google Books finden kann, was sie/er schon immer suchte oder nicht wagte zu finden, wird eine/ein schlechte/er Geisteswissenschaftlerin/er sein. Neugier und Interesse sind die Motoren von Wissenschaft und Erkenntnis. Sich alte Tugenden auf die Fahne zu schreiben und wahre Wissenschaft in der Isolationshaft mit dem einzelnen Buch zu suchen mag ein hehres persönliches Ziel sein. Diese Praktik aber, wie von Philipp Theisohns, als die moralisch gute Geisteswissenschaft zu verkaufen tötet jede Chance auf Erkenntnis, die sich im Digitalen auf eine neue und höchst beachtliche Weise entfaltet.

  • Lilian Landes
    14.11.2012 10:17
    Verblühende Landschaften

    Wenn wir die Geisteswissenschaften endgültig auf's Abstellgleis befördern wollen, sollten wir Philipp Theisohns Argumentation folgen. Wenn nicht, weiß man offengestanden nicht so richtig, wo man anfangen soll, gegen ebendiese anzuschreiben.

    • Hubertus Kohle
      21.11.2012 15:38
      Ja, aber

      @Julia Schreiner
      Ich finde zwar, dass die Damen und Herren Professoren sich mal überlegen sollten, wer ihr Brötchengeber ist, und dass dieser vielleicht doch auch einen gewissen Einfluss auf die Form der Veröffentlichung der Ergebnisse haben sollte, die er immerhin finanziert hat, aber es stimmt: Zwang führt zum Gegenteil. Speziell Geisteswissenschaftler/innen reagieren wie der Pawlowsche Hund, wenn man sie zu irgendetwas zwingen will!

    • Sabine Scherz
      20.11.2012 21:04
      Ausgerechnet Wikipedia!

      @Julia Schreiner

      Vielleicht kommt die Lösung des Problems bald aus einer bisher unvermuteten Ecke, nämlich von Wikipedia: http://games.hypotheses.org/753

    • Julia Schreiner
      20.11.2012 20:39
      Verordneter Open Access

      Der Beitrag von Philipp Theisohn macht im Gegenteil sehr deutlich, in welche Sackgasse staatlich verordneter Open Access führt, in die Sackgasse der Unübersichtlichkeit und Nicht-Sichtbarkeit. Die Wahlmöglichkeit muss bestehen bleiben.
      Aber natürlich gibt es auch Open Access, der nicht auf Universitätsservern stattfindet, sondern bei Verlagen. "Kostenlos" ist Open Access so oder so nicht zu haben.

  • C.M.
    13.11.2012 21:10
    Und die Antwort

    gibt ein Hirnforscher in Zusammenhang mit Kreativität:

    http://www.welt.de/wissenschaft/article110854609/Multitasking-ist-die-Vernichtung-von-Kreativitaet.html

    Man kann beide Medien so und so verwenden. Beides kann "gut" und "schlecht" sein.

  • C.M.
    13.11.2012 20:46
    Frage

    Als eine Person die in Bayern Abitur gemacht hat und gerade in ihrem Bücherregal noch Sekundärliteratur zu "Abitur 2000. Sozialkunde Leistungskurs Gymnasium Bayern, Prüfungen und Lösungen" sowie "[...] Erläuterungen und Materialien Aldous Huxley: Schöne neue Welt [...]" gefunden hat, frage ich mich, ob diese Bücher nun auch dazu beitragen, dass "die Gefahr, dass geisteswissenschaftliche Kernkompetenzen nur noch vorgespiegelt, aber nicht mehr in der Lektüre entwickelt werden." Madame Curie hat doch gleich was entwickelt? Mit welchem Ziel? Und was wurde daraus gemacht? Und wer trägt hier die Verantwortung?

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