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Show me the Monet Turner Twombly!

Turner Monet Twombly – Later Paintings nach oben

Die Stuttgarter Staatsgalerie vereinte bis Ende Mai 2012 Werke von William Turner, Claude Monet und Cy Twombly in einer viel besuchten Gruppenausstellung. Frei von einem sichtbaren Konzept, scheinbar nach Gefühl, kuratiert von dem Briten Jeremy Lewison beweist diese Schau, dass die Zukunft publikumswirksamer Kunstausstellungen nicht didaktisch oder gar kunsthistorisch aufgebaut sein muss. Wer sich als nicht eingefleischter Turner-Fan durch die ehrwürdige Londoner Tate mit ihren gefühlten 500 Turners quälte oder im Münchner Museum Brandhorst im ersten Stock von nur Twomblys angeödet wurde, konnte hier beide Künstler neu entdecken.

„Turner Monet Twombly – Later Paintings“ kombiniert also ohne Konzept und nach persönlicher Vorliebe (warum auch Twombly’s Zyklus „Vier Jahreszeiten“ mit dem „Frühling“ beginnen lassen?) und arbeitet dennoch wesentliche und teils überraschende Zusammenhänge dieser drei Künstler heraus: Twombly’s Plastik „Thermopylae“ von 1991 bezieht sich vor Monets Blumenbildern nicht mehr auf die Verteidigung Spartas durch Leonidas angesichts der persischen Invasion, sondern lässt dekorative 3D-Blumen assoziieren. Andere Werke der drei haben irgendwie mit Feuer oder wieder andere mit Wasser zu tun. Obwohl mal sich als Kunsthistoriker nicht ernst genommen fühlt, muss man zugeben, dass dieses Nichtkonzept funktioniert. Wobei es bei Monet und Turner fragwürdig ist, von „Later Paintings“ sprechen: gehören Monets (gestorben 1926) um 1900 oder Turners (gestorben 1851) aus den 1820er Jahren entstandene Arbeiten wirklich zum Spätwerk?

Laut Lewison hat das Werk aller drei Künstler Sterblichkeit und Altern, Licht, Atmosphäre und Melancholie gemeinsam. Das kann man wohl über fast jeden älteren Maler sagen. In solch schwammigen Assoziationshülsen frei von überflüssigem Hintergrundwissen mögen sich eventuell Kunstliebhaber im passenden Alter angesprochen fühlen. Für diese dennoch sehr stimmig aufgebaute Schau sind Schautafeln mangels didaktischem Konzept eh nicht von Relevanz - im Gegenteil, man hätte sogar, wie man das mit allen übrigen Begleittexten machte, auf diese Raumüberschriften verzichten können und stattdessen die Werke einfach miteinander in fruchtbaren Dialog treten lassen können. Aber sowohl diese Tafeln wie auch der Katalog scheinen diesem Freikonzept oder Nichtkonzept nicht ganz zu trauen oder sind als überflüssiges Zugeständnis an traditionelle Museumsbesucher gedacht, die an Führung gewöhnt sind.

Die Darstellung der Realität tritt insbesondere bei Monet und Turner im Vergleich zu anderen, kunstgeschichtlichen Kontexten, wie sie etwa zwischen den Werken in der Londoner National Gallery herausgestellt werden, völlig in den Hintergrund. Stattdessen geht es um Farbe, Licht, Verdecken, Verbergen, Bewegung und das Erweitern der Grenzen von Malerei. Dies ist insbesondere Twombly, dem Stiefkind dieser Ausstellung, zu verdanken, der erst spät, in der Konzeptionsphase der Ausstellung, Mark Rothko als möglichen dritten Mann neben Turner und Monet ablöste. Auch das zeigt die Beliebigkeit der Kombination. Monet bezieht sich klar und nachweisbar auf Turner, beide setzen sich mit malerischen Problemen, Licht, Bewegung und Farbe auseinander. Wie Rothko. Aber Twombly? Dieser angebliche „Schriftmaler“ ist seit Roland Barthes’ oft zitiertem Twombly-Aufsatz von 1982 häufig von Kunsttheoretikern untersucht worden - insbesondere hinsichtlich seiner an Graffiti und Kalligrafie erinnernden Gesten und Gebärden. Nicht das Kunst-Produkt, das fertige Werk, sondern die Produktion, der Prozess standen bei Twombly im Vordergrund. Gemeinsam hat er mit Turner und Monet, das er – im Gegensatz zu Rothko – nie ganz auf zeichenhaft lesbar Assoziatives, Schriftliches oder Gegenständliches verzichtet.

Doch das Spätwerk des 2011 verstorbenen Twombly, das in der Ausstellung gezeigt wird, zeichnet sich weniger durch Schrift, die Nähe zum Papier, einen collagistisch Stil oder Palimpsestartige Schichtung aus. Diese von Gottfried Boehm 1987 in Zusammenhang mit Twombly genannten Begriffe beschreiben die in der Ausstellung gezeigten Werke nur unzureichend. Hier überwiegen öfter Einheit und knalligere Farben, insbesondere was seine altersmilden Pop-Werke ab 2005 anbelangt, wie „Untitled (Blooming: A Scattering of Blossoms and Other Things)“ von 2007. Dabei muss man eher an Warhols Flowers und allover Tapeten denken.

Nicht nur der letztgenannte Twombly wurde über den kommerziellen Über-Dealer Gagosian vermittelt, wie auch die meisten Twomblys aus Privatsammlungen stammen. Die SZ vermutet wohl nicht ganz zu Unrecht, dass hier ein zeitgenössischer Künstler auf eine Stufe wie die musealen Klassiker Monet und Turner gestellt wird, um seine zukünftige Bedeutung zu untermauern. Die Stuttgarter Ausstellung spiegelt damit auch unsere von Konsumkultur geprägte Zeit wider. Markennamen und Besucherzahlen sowie rein optische und kunstmarkttechnische Überlegungen sind auch wichtig – dass „Turner Monet Twombly – Later Paintings“ zudem neuartige und reiche Erfahrungen ermöglicht, muss sich überraschenderweise nicht widersprechen - schließlich sind wir ja nicht mehr im bildungsbürgerlich-miefigen 19. Jahrhundert. Ihr freies Konzept und ihre inspirierende Kombination „updated“ Twombly, Turner und Monet in Stuttgart für die postmodern-widersprüchliche Jetztzeit.

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