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Eine unheilige Trias in Stuttgart. „Turner Monet Twombly“ in der Staatsgalerie

Die Werbung in Stuttgart ist nicht zu übersehen. Äußerst zeitgemäß plakativ (mit verlaufenden Schriften scheinbarer Graffitis), multimotivisch und farbenfroh erweckt sie garantiert Aufmerksamkeit und macht doch jenen, die dem Ruf in die Staatsgalerie folgen, falsche Versprechungen. Zweifellos ist es eine Freude den fabelhaften Gemälden von Turner und Monet zu begegnen – da bedürfte es fast kaum der Werbung. Was aber macht an der Seite dieser Titanen der jüngeren Kunstgeschichte das Werk des im letzten Jahr verstorbenen Amerikaners Cy Twombly? Sicher könnte man diese drei unter dem Aspekt Abstraktion, etwa in der Untersuchung nach zeitgebundener Methodik durchaus in einer kleinen Kabinettausstellung mit wenigen ausgewählten Beispielen zusammenbinden; wobei auch dann wäre die Frage zu beantworten gewesen, warum ausgerechnet Twombly, dem es doch im Gegensatz zum Spätromantiker bzw. Impressionisten eher an der (meist gezeichneten) Linie als an Farbspielen war. Zweifellos hätte es dennoch interessante Dialoge geben können: etwa zwischen Twomblys „Gaeta sets“ der späten 80er Jahre, als allmählich seine Hinwendung zum Malerischen erkennbar wird, oder übrigens auch in seinen bisher eher unbekannten Fotografien, und Turners flirrenden Venedigbildern. Doch um diese ganze Thematik geht es de facto in dem Großaufgebot – und damit entgegen der so laut-malerischen Werbung – überhaupt nicht.

 

Nein, schaut man sich nämlich das ‚Kleingedruckte’ genauer an, ist das „Spätwerk“ der Maler im focus, wobei die zeitliche Eingrenzung vor Ort, wie zuvor schon auf der ersten Station der Schau in Stockholm, sehr großzügig gehandhabt wird. Spätestens unter dieser Prämisse betrachtet, geht das kuratorische Konzept der Gegenüberstellung kaum mehr auf. Denn gerade das Spätwerk Twomblys, mit welcher Malphase man es auch immer ansetzen mag, entsprechend also: das in Stuttgart gezeigte „Spätwerk’ (vor allem vom Ende der 90er Jahre bis 2010), kann besonders in einer Hinsicht den Arbeiten von Turner und Monet einfach nicht standhalten. Twomblys Auseinandersetzung mit der Abstraktion, vor allem in den Gemälden der letzten 10 Jahre, knüpft denkbar deutlich an seine Wurzeln, der durch das Unbewusste motivierten action painting an. In der Impulsivität der Farben, die nun in der Tat die Linie hinter sich lässt, könnte indessen ein Gegensatz zu den aus einem Bewusstseinsstrom entspringenden Farbflächen und -tupfern der Turnerschen bzw. Monetschen Couleur größer nicht sein. Dieser Kontrast und, davon abgesehen, auch die malerische Qualität der Twomblyschen Großleinwände sind jedoch keineswegs ein Vergnügen für das Auge, sondern lassen die Qualität jener revolutionären Maler des 18.-20. Jahrhunderts noch bedeutender und tiefgründiger erscheinen, wenngleich es einer solchen Bestätigung kaum bedurft hätte.

Cy Twombly, Untitled (Blooming: A Scattering of Blossoms and Other Things), 2007, Acryl, Wachskreide, Bleistift auf Holz, 252 x 552 cm, Privatsammlung, Courtesy Gagosian Gallery, © Cy Twombly Foundation English: Cy Twombly, Untitled (Blooming: A Scatter

Die Rechnung des verantwortlichen Kurators, Jeremy Lewison, mit diesem als außergewöhnlich apostrophierten Dialog punkten zu können, geht aus kunstwissenschaftlicher Sicht demzufolge nicht auf. Aus pekuniärer Hinsicht dafür wohl um so eher, ist doch der zwischenzeitlich mehrfach geäußerte Verdacht, hinter dieser Schau ständen knallharte Geschäftsinteressen, kaum mehr von der Hand zu weisen. Fast alle der gezeigten späten Twomblys sind noch auf dem Markt und sollen wohl jetzt in diesem Kreise ihre geldwerte Nobilitierung erfahren. Die angedeuteten Verstrickungen, zwischen dem Künstler, seinem auch posthumen Mega-Galeristen Larry Gagosian und einer gewissen „Cy Twombly Foundation“ sind schwer durchschaubar, doch machen bereits wenige offensichtliche Ungereimtheiten stutzig: Gagosian war nicht nur an einem Deal von Bildern zwischen der Foundation (obgleich sie als Non-Profit Organization bzw. „Charitable Organization“ geführt wird) und dem New Yorker MoMA beteiligt; ein Gemälde von 2007, „Untitled“ (s. Abb.), das bereits in Stockholm ausgestellt war, hatte lt. „Süddeutsche Zeitung“ vom 30.12.2011 schon Gagosians Galerie-Eröffnung in Paris geschmückt – wenig später firmierte es dann unter „Twombly Foundation“. Deren Vorsitzender oder zumindest oberster Verwalter ist der Anwalt Ralph E Lerner und derzeit in den schwelenden Millionen-Erb- bzw. Steuerstreit mit Twomblys Sohn Alessandro verstrickt (D-Radio Kultur v. 14.2. oder BLOUIN Artinfo v. 17.2.).

 

Joseph Mallord William Turner, Friede - Bestattung zur See, ausgestellt 1842 Öl auf Leinwand, 87 x 86,7 cm Tate, aus dem Nachlass des Künstlers, 1856 © Tate, London 2011 English: Joseph Mallord William Turner, Peace - Burial at Sea, exh. 1842 Oil on ca

 

Was immer sich hinter all dem tatsächlich verbergen mag bzw. wir uns einfach einem Beispiel der auf dem Kunstmarkt inzwischen vorherrschenden Usancen gegenübersehen, der Kurator Lewison wird als Art Consultant, als der er seit Jahren fungiert, um die genauen Hintergründe wissen. Es ist davon auszugehen, dass diese Kenntnisse die Zusammenstellung der Stockholmer bzw. Stuttgarter Schau mit motiviert haben werden. Zweifellos ist es ihm und natürlich auch dem scheidenden Direktor der Staatsgalerie, Sean Rainbird (wie Lewison ebenfalls einst Kurator an der Tate) zu verdanken, insbesondere die vorzüglichen Turners, wie z.B. „Friede – Bestattung zur See“ von 1842 (Abb.) aber auch seine ganz späten, fast in weiß aufgelösten Blätter nach Deutschland geholt und mit etlichen wunderbaren Monets eine Bühne bereitet haben. Aber die spürbare Aufgesetztheit, die sich in der Begegnung mit den späten Twombly erkennen lassen, geht nicht nur zu Lasten eines durchaus nachvollziehbaren Dialogs mit früheren Werken, wie z.B. „Orpheus“ (von 1979) oder sogar auch mit drei gezeigten Skulpturen(!), z.B. „Winter’s Passage: Luxor“ (1985), sondern legt sich wie ein „Gerüchle“ über die gesamte Schau und bringt nicht zuletzt die Kuratorenzunft ins Gerede.

 

Ausstellungsdauer: bis 28. Mai 2012

 

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