blog.arthistoricum.net

Sachverstand

Als in der Praxis, d.h. nah am Markt und den Künstlern, arbeitende Kunsthistorikerin möchte ich hier einmal auf etwas aufmerksam machen, das mir langsam aufgrund des inflationären Aufkommens unheimlich wird! Ständig muss ich Sätze lesen wie "Das Kunstwerk läd zum Verweilen ein" oder "Die Skulptur regt zu Diskussionen an". Geschrieben von Galeriemitarbeitern, mit Abschluss in Kunstgeschichte oder noch mitten im Studium als temporäre Arbeitskraft jobbend. Um es mal böse zu formulieren: Sollte ein Kunsthistoriker nicht etwas mehr analytischen Sachverstand haben? Sollte er nicht in der Lage sein, seine Erkenntnisse halbwegs gut und präzise zu formulieren?

4 Kommentar(e)

  • Isa Bickmann
    26.09.2011 16:05

    Nein, nein, es geht nicht um "knochentrockene" Analysen, sondern im Besonderen auch um Pressemitteilungen, die schon ein bisschen lebendiger geschrieben sein sollten.
    Ich mag nur nicht mehr nichtssagende Texte über Kunst lesen. Sie sind ein Zeichen dafür, dass nicht gelernt worden ist, sich ein Künstleroeuvre zu erarbeiten und die eigenen Gedanken zu formulieren - unabhängig von dessen Qualität. Frage: Sollte das vielleicht die universitäre Ausbildung leisten?

    Übrigens sind gerade die erfolgreichen Galerien sehr wohl in der Lage, gute Informationstexte und lesbare, ergiebige Pressemitteilungen herauszugeben.

  • Orkus
    13.09.2011 05:50

    @ Isa Bickmann

    Erstaunlich, dass Praktikantinnen oder jungen Mitarbeiterinnen die Chance gegeben wird, Texte zu Künstlern der Galerie zu schreiben.
    Schaffen die das ganz ohne Ellenbogen oder wie sonst?
    Und natürlich findet doch ein "Wechsel im Diskursstil" statt, wenn man im Kunsthandel tätig wird. Das muss man doch wissen als in diesem Metier Arbeitende.
    Welcher Kunde will da schon knochentrockene Analysetexte?
    "Das spricht mich an" ist der mehr oder weniger laut formulierte entscheidenden Satz, der den - ebenfalls für viele entscheidenden - Akt des Scheckzückens initiiert.
    Der andere, derartig existentiell wichtige, Satz heißt dann nur: "Der Künstler steigt noch im Wert."

    Also so analytisch sollte man doch an das Metier rangehen, oder?

  • Caroline Gabbert
    12.09.2011 16:50

    Leider haben Sie nicht ausgeführt, was genau sie an der Schnittstelle Wissenschaft - Kunstmarkt untersuchen/arbeiten und ob es sich um zeitgenössische oder alte Kunst handelt. Diese Art von Diskrepanz lässt sich mit der Beziehung zwischen Universität und Museum vergleichen, die mich interessiert. Ich möchte mit einer Frage antworten: aufgrund der Zielrichtung des Kunstmarktes darf man doch erwarten, dass es hier darum geht, den Sammler anzusprechen und die Interpretation offen zu lassen?

  • Es ist aber auch immer wieder erstaunlich, welchen Ehrgeiz fachfremde Vorgesetzte entwickeln, wenn es um die Abfassung von Werbe- und/oder von für die Öffentlichkeit bestimmten Texten geht. Da kann man wirklich nur staunen! Wenn man als Praktikant, Volontär oder gar Angestellter einen mit dem eigenen Unvermögen toleranten Leiter hat, dann hat man Glück gehabt. Andernfalls sind die Reibereien vorprogrammiert und führen nicht selten zum Eklat. Wenn man zwanzig Jahre alt ist, gibt man leichter nach, später wird es etwas schwieriger und am Ende wird es nur noch egal. Ich habe da so meine Erfahrungen... Es ist ethisch vielleicht nicht korrekt, aber wenn das Gehalt stimmt, dann wird auch eine Skulptur zur Diskussion anregen, wenn der Chef meint, dass das dem Niveau des großen Publikums entspricht. Das ist es dann zwar nicht, aber wie gesagt... irgendwann gibt man auf, das kann ich gut nachvollziehen.

Kommentar

Kontakt

Kommentar

Absenden