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Zeichnungen online und die Datenbank des British Museums

Es ist erst ein paar Wochen her, dass Hugo Chapman seinen Vortrag – „The Dawn of the Database Age in Museums: The creation of the first complete catalogue of the collection of Italian drawings at the British Museum“ – in Rahmen der Verleihung des Wolfgang-Ratjen-Preises 2011 im Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München hielt (1. Juni 2011). Wegen gleichzeitiger Veranstaltungen in München war der Andrang des Publikums nicht sehr groß. Schade eigentlich, da der Online-Katalog des British Museums eine breitere Aufmerksamkeit verdient. Dieser Katalog des Museums erfasst auch die Druckgraphik, doch soll hier nur über die online erfassten Zeichnungen berichtet und gleichzeitig versucht werden,  einen Überblick über andere Webseiten zu geben, die digitale Bilder von Zeichnungen anbieten.

 

In der Datenbank des British Museum sind mittlerweile fast zwei Millionen Objekte, einschließlich der Zeichnungen, katalogisiert. In ihrem Vorbildcharakter für vergleichbare Sammlungen ist sie kaum zu überschätzen.

 

   

 

Hugo Chapmann

 

Hugo Chapman, ein sympathischer, jünger wirkender Mittvierziger Brite, hat zunächst Kunstgeschichte in London studiert. Dann arbeitete er beim Old Master Drawings Department von Christie’s in London (1985) bis er 1995 zum ‚Curator of Italian and French Drawings’ am British Museum ernannt wurde. Seitdem organisiert er zahlreiche Ausstellungen, darunter die bedeutende Ausstellung von Michelangelo-Zeichnungen „Closer to the Master“ (British Museum, März-Juni 2006), die ein großer Publikumserfolg war und deren begleitende Online Tour nach wie vor studiert werden kann.

 

Hugo Chapmans Vortrag in München behandelte die Probleme, die sich im Laufe der Entwicklung der 1995 begonnenen Online-Datenbank durch die erforderliche Künstlerbestimmung aller italienischen Zeichnungen in der Londoner Sammlung ergeben haben.  Der Vortragende konzentrierte sich auf eine Reihe von Zeichnungen, die die typischen Schwierigkeiten von Zuschreibungen verdeutlichen. Er zeigte die Kunst der Zuschreibung als einen praktischen, empirischen Prozess und betonte vor diesem Hintergrund die Aktualisierungsmöglichkeiten, die eine Datenbank mit sich bringt.

 

 

 

Basisinformationen zur British Museum Collection Database Online

 

Neue Eintragungen und Abbildungen werden der Collection database online wöchentlich hinzugefügt. Die Sammlung ist noch lange nicht vollständig erfasst. Ziel ist es aber, ein vollständiges Inventar der Sammlungen mit ausführlichen Eintragungen für alle Objekte zu erstellen. Das Projekt der Digitalisierung der Sammlungen begann im Jahre 1979. Abbildungen kamen im Jahre 2004 hinzu. Erst im Oktober 2007 ging das Projekt online. Seitdem werden etwa 2.000 neue Abbildungen wöchentlich in die Museumsdatenbank eingefüttert.

 

Ein revolutionäres Ergebnis des British Museum Projektes ist, dass das Museum keine Gebühren mehr für die nicht-kommerzielle Nutzung seiner Bestände, also auch für die Verwendung der Bilder im Rahmen wissenschaftlicher Publikationen, verlangt. Dies ist eine bahnbrechende Abweichung von der gängigen Praxis, insbesondere der in Frankreich von der Réunion des Musées Nationaux ausgeübten, wo man eine energische Politik des Eintreibens von Gebühren durchführt. Paradoxerweise verlangen die französischen Behörden auch Gebühren für Reproduktionen von Kunstwerken, die in der Zeit Napoleons aus Italien geraubt wurden, bzw. in einer Zeit, die innerhalb der Grenzen legitimer Ansprüche auf Restitution liegt (vgl. die Elgin Marbles, um 1800: http://www.parthenoninternational.org/). Das British Museum hat dagegen für sich festgestellt, dass die Freigabe von Abbildungen der Sammlungsgegenstände kostengünstiger ist, als der notwendige bürokratische und personale Aufwand, der nötig wäre, um Fotobestellungen zu erledigen. Das Museum nimmt seine Aufgabe, die Kenntnisse seiner Bestände zu fördern, in vorbildlicher Weise ernst. In diesem Sinne schrieb der zuständige Keeper, Anthony Griffiths: “This [copyright] is the justification for the often outrageous fees that they [museums] charge authors who wish to use them in their publications. In my view these charges (...) ought not to be made, and I managed to persuade the British Museum to drop them for all non-commercial purposes. In practical terms we and the Victoria & Albert Museum decided to deem any print run of less than 4,000 non-commercial.“

 

Zeichnungen in der Datenbank

 

Das Department of Prints and Drawings des British Museums ist eine der drei führenden  Sammlungen von Druckgraphik und Zeichnungen weltweit. Es besitzt etwa 50.000 Zeichnungen und über 2.000.000 Druckgraphiken seit dem 15. Jahrhundert bis heute. Ein sehr bedeutender Teil der Sammlung steht jetzt in Form von hervorragenden Abbildungen im Internet zur Verfügung, oftmals begleitet von detaillierten Katalogeintragungen. Die Forschung darf dieses attraktive Angebot nicht übersehen, denn auch die Beschreibungen sind häufig besser und aktueller als das, was man in gedruckten Publikationen findet.  Darüber hinaus sind sie zitierfähig und somit stets nachprüfbar. Die italienischen Zeichnungen sind inzwischen vollständig erfasst. Hugo Chapman beschäftigt sich jetzt hauptsächlich damit, die französischen Zeichnungen einzuarbeiten. Diese zwei Schwerpunkte stellen natürlich nur einen Bruchteil der graphischen Blätter dar, die heute online zu finden sind.

 

 

 

Andere Online-Ressourcen

 

arthistoricum.net bietet seinen Nutzern ein Themenportal „Kunst auf Papier“, in dem Forschungsressourcen erfasst werden. FONTES Nummer 59 behandelte „Druckgraphiken als Quellen“ für die Kunstgeschichte und die Kunsttheorie.

 

Viele Zeichnungen befinden sich auf den Internetseiten von Auktionen und Auktionshäusern: besonders auf den Seiten der beiden großen Auktionshäusern Christie’s. Sotheby’s  wird man fündig.

 

Auch Artprice.com bieter viele Abbildungen von Zeichnungen, die allerdings nur in der lizenzierten Version aufrufbar sind. Eine Übersicht über die Institutionen, die in Deutschland diese Datenbank lizenziert haben, findet man im Datenbank-Infosystem DBIS. Der Zugang zur lizensierten Version von Artprice.com im Lesesaal der Bibliothek des Zentralinstituts für Kunstgeschichte in München wird hier beschrieben.

 

In der Herbst- Nummer 2010 der Zeitschrift „Master Drawings“ (48/3) befindet sich ein ausführlicher Aufsatz von Anthony Griffiths, Keeper des Departments of Prints and Drawings des British Museums,  („Collections Online: The Experience of the British Museum“, pp. 356-367, Preprint des Aufsatzes). Dieselbe Nummer von „Master Drawings“ enthält andere weiterführende Aufsätze zu diesem Thema und ferner auch eine „Table of Online Resources“, d.h. ein Verzeichnis von „Image and General Repositories“ und von „Museum Collections“ von Zeichnungen. Fast 225 Webseiten weltweit mit Abbildungen von Zeichnungen und zugehörigen Informationen sind dort aufgelistet.

 

Eine immer größer werdende Zahl von Graphischen Sammlungen und anderen Institutionen verzeichnen, beschreiben und digitalisieren ihre Bestände graphischer Blätter in Online-Datenbanken oder haben Pläne, dies zu tun. Es wird viel darüber diskutiert, aber die Zahl der wirklich nützlichen Portale bleibt begrenzt. Auf der Internetseite der Graphischen Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart liest man folgendes: „Unser Ziel ist es, die hochkarätigen Werke auf Papier in einer Datenbank zu erfassen und so dem Publikum und der Wissenschaft verfügbar zu machen. Dafür suchen wir Sponsoren.“ Dies ist vielleicht nicht untypisch für  die Situation in Deutschland. Heinrich Schulze Altcappenberg (Kupferstichkabinett – Staatliche Museen zu Berlin) schreibt beispielsweise im Frühjahr 2011: „Auf erste Projekte der elektronisch gestützten Dokumentation in den späten 1980er Jahren (VW-Projekt / DISKUS) folgte auf Trägerebene der Berliner Museen eine lange Phase der Diskussion und Konzeption geeigneter Museumsdokumentationssysteme sowie neuerdings realistischer Digitalisierungsstrategien“  (die Italienischen Zeichnungen, 14. bis 18. Jahrhundert sind als CD-ROM verfügbar). Im British Museum hingegen ist die Datenbank erst von den Mitarbeitern aufgebaut und später dann mit der Hilfe eines Teams von Freiwilligen und „young graduates“ mit kurzfristigen Werkverträgen fortgeführt worden. Eines scheint gewiss: Der Online-Katalog wird die Erfassung der Bestände Graphischer Sammlungen in gedruckten Katalogen weitgehend ersetzen.

 

Vom 14. bis 16. März 2011 fand die internationale Tagung „Kupferstichkabinett online / Printroom online: Entwicklungen, Ergebnisse, Perspektiven“ in Wolfenbüttel und Braunschweig statt (Herzog August Bibliothek und  Herzog Anton Ulrich-Museum). Die Lektüre des Abstracts erweckt nicht den Eindruck, dass sich die Lage in Richtung einer raschen Verwirklichung der vielen Pläne, Zeichnungen und Druckgraphiken online zu bringen, wesentlich bewegen würde. 

 

Das Verzeichnis von Online-Ressourcen zum Thema ‚Zeichnungen’ im oben genannten Heft von ‚Master Drawings’ bietet trotzdem einen brauchbaren Überblick über die Internetpräsenz vieler Institutionen, einschließlich der Nationalbibliotheken, die Zeichnungen besitzen. Viele dieser Webseiten werden zweifellos erst in der Zukunft aufgebaut werden. Denn das online verfügbare Angebot vieler Museen ist wesentlich dürftiger als die ‚Master Drawings’-Liste suggerieren mag. Genauer gesagt: das Angebot ist eigentlich in vielen Fällen recht enttäuschend. Oft bekommt man nur eine Handvoll sogenannter ‚Highlights’, die für wissenschaftliche Zwecken weitgehend nutzlos sind. Selbst die Albertina bietet aus seiner reichen Graphischen Sammlung nur rund 3.500 Hauptwerke des 14. bis 20. Jahrhunderts: So bleiben die Auftritte des British Museum und des Louvre die Hauptwebseiten für die Recherche.

 

Ohne die „General Image Repositories“ wie ARTstor (http://blog.arthistoricum.net/artstor/; 15. April 2011) zu berücksichtigen, befinden sich eine begrenzte Auswahl von den „Museum Collections“ im folgenden Verzeichnis. Obwohl Internetadressen sich ändern – die hier angegebenen Adressen waren im Juni 2011 aktiv – sollte man natürlich weiter im Netz suchen und dabei etwas Geduld haben. In der folgenden Auswahl von Webseiten sind vor allem diejenigen aufgelistet, die zahlreiche Zeichnungen anbieten oder vorbildlich wirken.

 

 KANADA

Ottawa, National Gallery of Canada, Prints and Drawings: http://www.gallery.ca/en/library/search-the-catalogue.php (9.684 Werke)

 

FRANKREICH

Dijon: Musée Magnin: http://www.dessins-magnin.fr/html/8/rechercher/page_recherche.php 

 

Fondation Custodia Frits Lugt collection: www.fondationcustodia.fr (Datenbank: Les Marques de Collections)

 

Musée du Louvre:  http://arts-graphiques.louvre.fr/fo/visite?srv=home (Aujourd’hui, cet inventaire informatisé est riche de plus de 140.000 fiches d’œuvres et de 4.500 fiches d’artistes.) Dazu siehe: Réunion des Musées Nationaux:  http://www.rmn.fr

 

DEUTSCHLAND

Braunschweig: Herzog Anton Ulrich-Museum: http://www.virtuelles-kupferstichkabinett.de/

 

Wolfenbüttel: Herzog August Bibliothek: http://www.virtuelles-kupferstichkabinett.de/ (etwa 40.000 graphische Blätter digitalisiert: Stand März 2011. DFG gefördert)

 

Kassel: Graphische Sammlung der Museumslandschaft Hessen: http://handzeichnungen.museum-kassel.de (der musterhaft online Katalog einer kleineren Sammlung)

 

ITALIEN

Firenze: Biblioteca Marucelliana, Disegni: http://www.maru.firenze.sbn.it/dismaru/

 

Mailand: Biblioteca Ambrosiana: http://www.italnet.nd.edu/ambrosiana/ita/cercare.html (über 8.000 Zeichnungen)

 

Biblioteca Apostolica Vaticana, Gabinetto delle stampe: http://www.italnet.nd.edu/ambrosiana/ita/cercare.html

 

NIEDERLANDE

Amsterdam: Rijksmuseum: http://www.rijksmuseum.nl/zoeken/search.jsp?query=&lang=en&start=0&focus=assets

 

RUSSLAND

Hermitage: http://www.hermitagemuseum.org/fcgi-bin/db2www/browse.mac/typeIndex?selLang=English&selCateg=picture

 

SCHWEIZ

Basel, Kunstmuseum, Kupferstichkabinett:

 

http://www.kunstmuseumbasel.ch/de/sammlung/sammlung-online/

 

GROSSBRITANNIEN

Cambridge: Fitzwilliam Museum: http://www.fitzmuseum.cam.ac.uk/opac/search/search.html

 

London, Victoria & Albert Museum: http://collections.vam.ac.uk/

 

Oxford, Ashmolean Museum: http://www.ashmolean.org/ash/objects/drawings/WA1944.111.php

 

Windsor Castle, Drawings, Watercolours, Pastels: http://www.royalcollection.org.uk/egallery/category.asp?category=294

 

USA

Siehe das ausführiches Verzeichnis in ‚Master Drawings’ (48/3, 2010, pp. 390-392), und insbesondere die Internetseiten: Art Institute of Chicago (http://www.artic.edu/aic/collections/prints ), J. Paul Getty Museum, von den Harvard University Art Museums, vom Metropolitan Museum of Art (http://www.metmuseum.org/works_of_art/introduction.asp?dep=9 ), National Gallery of Art, Philadelphia Museum of Art, Yale University Art Gallery (http://ecatalogue.art.yale.edu/search.htm).

7 Kommentar(e)

  • Ja, ich bin auch dafür! prometheus-bildarchiv hat das schon und es ist sehr gut! Das Brooklyn Museum sieht online wirklich toll aus! Danke! :)

  • Hubertus Kohle
    08.07.2011 09:24

    #geyer: Ich bin sehr fuer diese elektronische Kommentarfunktion. Aber hier werden die Zutrittskontrolleure es wieder mit der Angst vor den Massen bekommen und die Schranken entsprechend hoch legen. Wenn sie ueberhaupt in die Richtung gehen. Hier sollte man sich mal ansehen, was das Brooklyn Museum an der Stelle alles realisiert: http://www.brooklynmuseum.org/opencollection/collections/

  • Volker Schümmer
    30.06.2011 08:29

    Ok, Ihre Liste gewinnt mit 137:118, wenn ich das richtig sehe. Allerdings finden sich beim Erstplatzierten mittlerweile auch eine Reihe von toten Links, so dass der Abstand tatsächlich kleiner sein dürfte ;-)

  • Dr. Klaus Graf
    29.06.2011 22:50

    Meine Links auf delicious haben mehr Museumsbilddatenbanken als der Artguide zu bieten:

    http://www.delicious.com/Klausgraf/museum_database

  • Diese Aufstellung ist wirklich sehr hilfreich und die Qualität der Abbildungen in den angegebenen Datenbanken ist fabelhaft! Danke schön! :)

  • Volker Schümmer
    27.06.2011 14:59

    Keine statischen, sondern dynamisch generierte Linklisten bietet der ART-Guide auf arthistoricum.net. Die darin katalogisierten Websites sind auch mit Hilfe einer Systematik erschlossen. Beispielsweise kann man sich eine Liste aller im ART-Guide verzeichneten Museumsbilddatenbanken anzeigen lassen (derzeit 118). Oder die Sammlung der aktuell 134 Websites umfassenden Bilddatenbanken, die Nachweise von Gemälden, Zeichnungen und Graphik enthalten. Diese Zusammenstellungen sind freilich 'unschärfer' als die hier publizierte Liste.

  • Christian M. Geyer
    27.06.2011 14:42

    danke für den informativen Artikel und die nützliche Übersicht! Dafür sollte man auch eine dauerhaftere Präsenz im Netz finden (evtl. auf der ZI Seite?).

    In Graphischen Sammlungen ist es ja Brauch, daß Experten bei Ihrem Besuch Bleistiftkommentare auf den Montierungen der Zeichnungen hinterlassen, die sich meist auf Zuschreibungen beziehen. Es würde sich ja anbieten, daß man eine Kommentarfunktion für die elektronischen Sammlungen freischaltet. Gibt es da eine Meinung dazu?

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