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Summa cum laude

Ende letzter Woche war ich bei der Promotionsfeier der geisteswissenschaftlichen Fächer meiner Uni (LMU München). Eine geschlagene Stunde lang wurden die Urkunden verteilt und dabei die Themen genannt. By the way: Wenn man sich manche dieser Themen anhört, beginnt man doch schon mal zu zweifeln, wo das Ganze noch hinführen soll. Aber egal. Interessanter schien mir die Tatsache, dass bei sicherlich jeder vierten Arbeit darauf hingewiesen wurde, dass hier die Höchstnote, summa cum laude, vergeben wurde. Ich hatte mal gehört, dass das wirklich nur für ganz außergewöhnliche Leistungen vorgesehen ist [und bei erfolgversprechenden Politikern :-)] und das Prädikat in 14 Jahren selber auch nur genau einmal vergeben. Und wenn man berücksichtigt, dass die LMU ganz sicherlich noch zu den strengeren Unis gehört: Wie mag es dann anderswo sein? Geschadet wird damit letztlich den wirklich herausragenden Wissenschaftlern/innen, weil sie im gleichen Topf  landen wie ein guter Teil der anderen.

19 Kommentar(e)

  • C.M.
    14.03.2011 16:40

    Mal ein großes Lob an die Uni München (Zitat Münchner Merkur von heute): "Die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und die Technische Universität (TUM) haben in einem Ranking des Magazins "Times Higher Education" erfolgreich abgeschnitten. Dabei wurden Universitäten nach ihrer Reputation in Forschung und Lehre eingestuft. Die LMU landete weltweit auf Platz 48 und erzielte damit das beste Ergebnis unter den deutschen Universitäten. Europaweit belegte die LMU Platz 24. Die TUM wurde als renommierteste Technische Universität Deutschlands eingestuft. [...] Bei dem Ranking wurden weltweit mehr als 13000 Wissenschaftler aus 131 Ländern nach den angesehensten Hochschulen ihrer Disziplin befragt. Damit ist es die bisher größte Erhebung, die die Reputation von Universitäten erfasst."

  • Ich bin auch der Ansicht, dass die Qualität der Arbeiten oftmals zu wünschen übrig lässt. Auch, dass über die Zu-Guttenberg-Affäre versucht wurde und wird, diese mangelnde Qualität zu relativieren ("alle tun das", "jeder weiß, wie eine Arbeit aussieht" usw.), finde ich nicht so gut. Ich habe an Universitäten während meiner Studienzeit oft erlebt, wie Professoren und Dozenten in Tutorien und Proseminaren verzweifelt versuchten, massive Bildungslücken von Studierenden aus der Schulzeit zu kompensieren. Ich weiß zwar nicht, wie es in anderen Fächern aussieht, aber in Kunstgeschichte ist der Wissensgrad, mit dem man aus der Schule kommt, geradezu katastrophal. Die Universität muss leider im Grundstudium dafür sorgen, dass gravierendes Unwissen aufgeholt wird, sonst kann sie im Hauptstudium keine Inhalte vermitteln. Bei manchen Arbeiten habe ich mich manchmal gewundert, dass Lehrende es geschafft haben, denen doch noch etwas abzugewinnen und schwache Stellen so weit zu tolerieren, dass sie sie benotet haben. Da bin ich aber auch durch ein ganz anderes Schulsystem gegangen. Ich erinnere mich, dass bei einem Seminar im Hauptstudium ein Bildvergleich anhand zweier Zeichenentwürfe zum gleichen Thema des selben Künstlers (Rubens) vorgenommen wurde. Der eine Entwurf war früher, der andere später, der eine von der Komposition her gelungener, der andere schwächer. Eine Kommilitonin erklärte jedoch sehr selbstbewusst, ohne mit der Wimper zu zucken und ganz einfach, dass im Falle des schwächeren Entwurfs Rubens (damals bereits ein schon berühmter Maler) "noch nicht so gut zeichnen konnte". Es ist nur ein Beispiel, aber es gibt unzählige davon, die wahrscheinlich jeder erzählen kann, der einigermaßen wachen Verstandes durch dieses Studium gegangen ist. Es gibt ein Bildungsdefizit, mit dem Studierende ihre Studienzeit beginnen, das Universitäten zu einer Art postgymnasialen Lehrgemeinden für Aufbaustudiengänge verpflichtet. Dass das Niveau - trotz Elite-Wettbewerb - oftmals nicht mehr gehoben werden kann, ist aus meiner Sicht kein Wunder.

  • Im letzten Jahr habe ich die Magisterarbeit einer Studentin korrekturgelesen. Sie war unter Zeitdruck, hatte schon verlängert. Sprachlich war die Arbeit o.k., aber an manchen Stellen inhaltlich etwas dünn, wenig Substanz, wenig eigene Gedanken. Es hat mich dann doch beruhigt, dass mein Eindruck durch die Note ihres Betreuers betätigt wurde. Sie hat eine 2 minus bekommen. Sie war sehr enttäuscht, und ich hatte ein schlechtes Gewissen! Hätte ich ihr meine Bedenken mitteilen sollen? Ich kannte den Gutachter nicht. Wenn ich ihr nun gesagt hätte, dass ich die Arbeit für schlechter als zwei halte, und der Gutachter wertet sehr positiv, was würde ich damit auslösen?
    Ich habe mir nun vorgenommen, ehrlicher zu sein und kürzlich einem Magisterkandidaten einer ostdeutschen Universität meine Kritik deutlich gesagt. Er war schockiert und sagte, sein Professor verlange keine innovative wissenschaftliche Leistung, es reiche, wenn er die Ergebnisse der Sekundärliteratur zusammenfasse ... Also da bin ich doch durch eine ganz andere Schule gegangen! Würde mich ja sehr interessieren, wie die Arbeit benotet worden ist, er hat es mir nicht berichtet.

  • Yes, indeed. It is useful to look beyond the frontiers of countries and actually of Europe. I don't know why, but we have here (in Germany but also in France and in the East) very big requirements. Perhaps it is a reason of history (sometimes history engage) - the expectations of students upon universities (sometimes also of professors upon students) concern not even the studies but life generally. By now it is a great disproportion between the notional role of university and the practical function. University is here not only an establishment of teaching that students pullout after four or five years but a substitute of life experience for much many years. A PhD has to be only a PhD but unfortunately it is more than that.

  • Ivy PhD
    05.03.2011 19:24

    Look beyond Germany for a moment. At the Ivy League university I attended, dissertations could receive one of three grades: pass, fail, or "with distinction." The latter was reserved for no more than 10% of the dissertations, and also enforced through a simple yet effective system of internal and external examiners. Five professors attended the defense, three from the candidate's own department, and two from outside the department (either other departments in the same university, or from any department at different universities). "Distinction" could only be awarded by unanimous AND anonymous vote by the examiners. One dissenting voice--whether internal or external examiner--who did not find the dissertation among the top 10% s/he had ever seen, and the candidate did not graduate with distinction.

    This worked well, with no repercussions for any anonymous dissenting voices. The year I graduated, my department awarded 20 PhDs, two of which received distinction--right on target with the university's 10% guideline. Other departments had similar statistics.

  • n. putz
    05.03.2011 17:36

    die lösung der krux - ich füge einfach die karte in meinen cv ein, wenn ich mich eines tages als münchner frau doktor in östrich-winkel oder auch hildesheim bewerben sollte...halt, gibt es an der ebs kunstgeschichte? ich meine, da sind nur bwler und juristen...immerhin - gute partien: 50% summa-kandidaten und noch dazu mit aussicht auf superverdienste.

  • Ich verstehe zwar nicht viel von graphischen Darstellungen, aber ich vermute mal, dass sie in dem Artikel falsch gelesen und ausgelegt wurde. Wenn Universitäten, die 2009 weniger als zehn Promotionen hatten, gar nicht aufgeführt werden, dann müsste auch die restliche Berechnung entsprechend prozentual gekürzt sein. Das heißt, dass die Zahl der mit Summa ausgezeichneten Dissertationen in München 2009 nicht Null, sondern verhältnismäßig so gering war, dass sie in der Zeichnung gar nicht auftaucht. So verstehe ich das. Der Satz "dort (LMU, m.A.) gab es unter 1236 Doktoranden 2009 nicht eine einzige solche Bestnote" stimmt einfach nicht. Jener, der den Artikel verfasst hat, sollte in der Tat besser gegangen werden. Aber die an Magritte angelehnte Graphik finde ich lustig. Danke schön! :)

  • Hubertus Kohle
    05.03.2011 09:48

    Das ist ja lächerlich! Den recherchierenden Journalisten sollte man rausschmeissen. Ich kann alleine mehrere Dissertationen aufzählen, die in 2099 an unserem Institut mit summa bewertet wurden.

  • Sebastian Jung
    05.03.2011 09:12

    Im Zeitmagazin wurde diese Woche zum Thema eine äußerst interessante Deutschlandkarte veröffentlicht, die den prozentualen Anteil der "summa cum laude-Kandidaten" an der Gesamtanzahl der Promovierenden der einzelnen Hochschulen zeigt.

    Siehe hier:
    http://www.zeit.de/2011/10/Deutschlandkarte-summa-cum-laude

    (Man beachte die Position der Universität München!!!)

    Was die Grafik auch deutlich macht: es gibt doch verdammt viele Hochschulen in Deutschland!

  • Martin Höppl
    01.03.2011 11:36

    Hier gibts das Video zum Rücktritt: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,748349,00.html

  • in heidelberg beispielsweise gibt es eine "plagiatskontrolle":
    http://www.iek.uni-hd.de/plagiatskontrolle/plagiat_info.html

    das trägt nun nicht zur qualität der arbeiten oder der angemessenen benotung bzw. korrektur bei, schaden kann es dennoch sicherlich nicht.

  • Offensichtlich! Machen Sie sich bitte keine Illusionen! Das sind alles zukünftige Promovenden/innen, die im kommenden Semester ihr Studium fortsetzen! :)

  • hubertus kohle
    25.02.2011 16:23

    Noch mehr? Geht das überhaupt?

  • Martin Höppl
    25.02.2011 16:02

    War heute auf der Magisterverleihung Geschichte/Kunstgeschichte LMU. Die Dekanin hat darauf hingewiesen, dass sie nicht hoffe jemand müsse später darum bitten den M.A. wieder abgenommen zu bekommen. Es gab an diesen Stellen viel Beifall. Außerdem wurden wesentlich mehr 1,0er-Zeugnisse vergeben als in den vergangenen Semestern.

  • Auf die Themen sicherlich..., auf die Promovenden/innen vermutlich auch hin und wieder... Wahrscheinlich hätte gerne jeder Doktorvater schöne Themen, glänzende Promovenden/innen und traumhafte Dissertationen in diesem Fall sogar sowohl in Wort als auch in Bild. Auch sind mit Sicherheit in diesem Fach Originalität, gepflegter Diskurs, anregende Austauschmöglichkeit und/oder Esprit erwünscht. Oder kommt es eher auf die Zeit an? Lange Promotionszeit, dicke Dissertationen, vollständige Fußnoten, endlose Disputationen... Es wäre gewiss bei Gelegenheit mal nicht schlecht zu erfahren, worauf es (der anderen Seite) eigentlich ankommt? :)

  • Hubertus Kohle
    24.02.2011 17:16

    Das kommt sehr darauf an!

  • Soeben las ich in der SZ, dass Professor Peter Häberle einst ein Manifest für die Promovenden-Betreuung verfasst hat. Darin heißt es unter anderem, dass die Betreuung von Doktoranden "zum Schönsten (gehört), was einem Hochschullehrer vergönnt ist". Stimmt das?

    http://www.sueddeutsche.de/karriere/guttenbergs-doktorvater-haeberle-schmerzliche-entfremdung-1.1064182

  • Hubertus Kohle
    23.02.2011 10:20

    Sehr pointiert, aber nicht ganz falsch!

  • Bleistifterin
    23.02.2011 10:04

    Lieber Herr Kohle,
    wie ehrenwert - aber die Entwertung der Noten beginnt doch schon im Grundstudium. (Zumindest in meinem Magisterstudium der Kunstgeschichte, 96-01; nach dem, was ich höre, hat sich allerdings nicht viel geändert)

    Eins ist normal
    Zwei ist schlecht
    Drei ist dem Prof den Gartenzwerg umgetreten...
    Wenn denn die Hausarbeit überhaupt Spuren einer Korrektur aufwies...

    Gute Noten dienten ganz klar dazu, nervige (weil jammernde) Studenten aus den Sprechstunden fernzuhalten. Ging man trotz Eins in die Sprechstunde, um Feedback zu erhalten, bekam man vorgeworfen, man wolle gelobhudelt werden...
    NOT a friend-of-a-friend-tale.

    Warum also soll das System bei Dissertationen aufhören?

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