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Kurze Nacht ohne Architektur - Eine Kritik

Dieser Beitrag könnte auch den Untertitel „Dysfunktionalität eines Reichenghettos, oder: Wie Neubaugentrification das kulturelle Leben sabotiert“ tragen.

 

Bei meiner Ankündigung der „Langen Nacht der Architektur“ in München habe ich mich bewusst sehr mit Kommentaren zurückgehalten. Daher ist es nun doch notwendig noch einmal auf dieses nächtliche Architekturschauspiel zu sprechen zu kommen, das unter dem Motto der BAU 2011, oder „Weltleitmesse BAU“, wie sie die Organisatoren nennen „Die Zukunft des Bauens“, beworben wurde. Gemäß dem Grußwort von OB Christian Ude stürzten sich am letzten Freitag Tausende in das Gedränge, um „eine Nacht lang den Gedanken freien Lauf lassen, abschalten, zuschauen, zuhören“ zu können. Zuversichtlich meinte Ude: „Ich bin mir sicher, dass sich viele für diesen nächtlichen Streifzug durch die Münchner Architekturwelt begeistern werden.“ Und der Geschäftsführer der Messe München GmbH, Dr. Reinhard Pfeiffer versprach „ein weiteres begeisterndes Erlebnis“ für die Bürger. Pfeiffer weiter: „Auf dieser Tour durch Münchens Herzkammer gehen Ihnen die Augen auf.“

 

Mich und meine vier Mitstreiter hat die Innenstadttour – aus unerfindlichen Gründen als „Flaniermeile“ tituliert – weder begeistert, noch war es ein Erlebnis bei dem mir die Augen auf gegangen wären. Statt Abschalten und Gedanken-Schweifen-Lassen war eher Aufregen und Frieren angesagt: Als ich gegen 19 Uhr, also frühzeitig zu einer der Führungen an der VIP-Diskothek „P1 Club“ am Haus der Kunst eintraf, wurde mir gleich entgegengerufen, dass die Räumlichkeiten total überfüllt und daher geschlossen seien. Von einem Programmheft wusste man nichts. Auch im eben erst umgebauten Café Luitpold an der Briennerstraße, einstmals das prunkvollste Kaffeehaus der Stadt, gab es keine Begleithefte. Die Architekturführung war dermaßen überlaufen, dass die Räumlichkeiten ebenso wie wir Besucher an die Grenzen der Aufnahmefähigkeit kamen.

 

Werbefläche vor dem P1 und neue Räumlichkeiten des Café Luitpold (im Hintergrund Portraittafel Prinzregent Luitpolds) - Photos von Martin Höppl

 

Weiter zur nächsten Station: Bereits im luxuriösen Foyer des Promi-Hotels „Bayerischer Hof“ versicherte uns die Concierge, dass alle Führungen seit Stunden voll seien… Am „Sofitel Munich“ in der ehemaligen Bayerpost südlich des Hauptbahnhofs wurde uns versichert es gäbe alle 20 Minuten eine Führung. Als wir nach einer kurzen Pause – es war sehr kalt – zurückkamen, gab es nur noch den genervten Kommentar eines Hotelangestellten: „Wie würden Sie es denn finden, wenn sie mehrere Hundert Euro für eine Suite zahlen würden und dann die ganze Nacht […]“ Komisch, dass diese Überschneidung von Nutzerinteressen nicht gleich aufgefallen war.

 

Als wir gegen 22 Uhr den Innenhof des Programmpunkts „SÜDHAUSBAU STADTHAUS – VISION & ARCHITEKTUR“ betraten, hieß es lapidar, dass die Anwohner jetzt [schon!] Ruhe haben wollten. Beim gegenüber gelegenen „The Seven“, dem Umbau eines Heinzkraftwerks in eine Luxusimmobilie, hätte es jeder Serpentologe mit der Angst bekommen, angesichts der angestauten Bürgermassen auf dem Trottoir. Vielleicht hätten sich die Interessierten günstiger verteilt, wenn die Idee ein Panoramarestaurant bzw. Dachcafé mit dem schönsten Ausblick über die Altstadt einzurichten, sich nicht durch die, um einige Millionen lukrativere Idee dort Luxusappartements zu verwirklichen, durchgesetzt hätte. Angeblich wird „Alpha Invest Projekt“ (AIP) den Bürgern zweimal im Jahr die Möglichkeit bieten den grandiosen Rundblick zu genießen. Doch das wäre eine neue Geschichte. Es bleibt nur zu hoffen, dass die wirkliche Zukunft des Bauens sich günstiger präsentieren wird. Wir haben den „Architekturabend“ an dieser Stelle, früher als gedacht (ca. 22:30 Uhr), beendet und sind zum gemütlichen Teil übergegangen…

 

Müllerstraße, Südhausbau Stadthaus und der sog. The Seven Tower - Photos von Martin Höppl

 

Man muss den Veranstaltern zu Gute halten, dass sie noch keine Erfahrungen mit der Organisation hatten, schließlich wurde die „Lange Nacht der Architektur“ zum erstenmal ausgerichtet. Es bleibt abzuwarten, ob sie langfristig als ernst zu nehmende Veranstaltung neben „Lange Nacht der Museen“ und „Lange Nacht der Musik“ treten wird.

2 Kommentar(e)

  • Martin Höppl
    31.01.2011 11:11

    Die langen Nächte richten sich nicht an den informierten Kunsthistoriker, der mindestens jede Woche ein Museum oder Ausstellungshaus besucht. Diese "Events" sind ein Weg die arbeitende Bevölkerung sowie etwas bildungsfernere Kreise an die Kultur heranzuführen und Werbung für die Institutionen zu machen.

  • Bleistifterin
    31.01.2011 11:02

    öm. Warum muss das eigentlich immer nachts sein? Da ist es doch duster?
    Leuchtet mir schon bei den Museen nicht ein, wenn man doch tagsüber (selbst am Wochenende) sogar etwas sehen könnte von der Kunst, warum dann nachts mit sovielen Leuten durchs Gedränge stapfen, dass man die Ausstellung vor Leuten nicht erkennnen, geschweige denn genießen kann...
    Merkwürdig.

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