blog.arthistoricum.net

Ein neuer, barocker Klang

Als sich im Jahre 2000 einzelne Stuckteile losgelöst hatten musste die Abteikirche Dionys und Juliana im Kloster Schäftlarn vorübergehend geschlossen werden, ehe sie mit einem Sicherungsnetz im Langhaus wieder geöffnet werden konnte. Nach Voruntersuchungen zur Instandsetzung wurde 2003 eine Haushaltsunterlage-Bau beim bayerischen Landtag über fast sieben Mio. Euro eingereicht. Im Jahr darauf erfolgte der Bauauftrag und es konnte mit dem ersten Bauabschnitt zur statischen Sicherung begonnen werden. Nach und nach verschwanden die Fassade und der Innenraum hinter Gerüsten. Unter grundsätzlicher Beibehaltung des barocken Bausystems wurde 2005/06 insbesondere der Dachstuhl statisch abgesichert, wobei vorhandene Provisorien zurückgebaut wurden. Mit hydraulischen Hebevorrichtungen versucht man den deformierten Dachstuhl wieder in die Form zu bringen. 2007 erfolgte die Wiederherstellung von Turm und Fassade in der alten Fassung (zu den Daten vgl. Dipfl. Ing. FH Alfred Floßmann über die Bau-, Ausstattungs- und Restaurierungsgeschichte).

 

Photo Martin Höppl

Kloster Schäftlarn, Abteikirche St. Dionys und Juliana, Innenraum sowie Chorraum, Messgerät am Gewölbefuß oberhalb des Gesimses - Photos Martin Höppl

 

 

Die Planungs- und Baugeschichte der Abteikirche liest sich wie ein Who's Who der Barockkunst. Neben Giovanni Antonio Viscardi, der 1707 die Pläne lieferte, sowie Francois Cuvilliés d. Ä., der den Bau 1733-40 begann, finden sich die illustren Namen Johann Baptist Gunetzrhainer und Johann Michael Fischer, die den Bau 1751-60 vollendeten. Kloster Schäftlarn gehört somit zu denjenigen Bauten, in denen der bayerische Spätbarock seine finale Blüte erreichte. Dazu kommt noch die vortreffliche Innenausstattung durch den Maler und Stukkateur Johann Baptist Zimmermann (1754-56). Johann Baptist Straub lieferte bis 1764 Altäre und die Kanzel. Diese Meister ihrer Zunft formten ein spätbarockes Gesamtkunstwerk, dem die Generalsanierung der letzten Jahre gegolten hat. Zur Geschichte des (Prämonstratenser-)Klosters, das 762 gegründet und 1040 erneuert wurde, vgl. die Seite der Abtei.

 

Auf die Sicherungsarbeiten folgte seit 2008 der zweite Bauabschnitt mit der Innenrestaurierung. Nachdem man eine Musterachse im Chorraum angelegt hatte, stellte man sukzessive das Erscheinungsbild des gesamten Kirchenraumes wieder her. An Weihnachten war nun auch wieder der Klang der Barockorgel zu vernehmen, die nach wie vor teilweise eingerüstet ist. Das Instrument stammt von Anton Bayr (1716-1792), der über 150 Orgeln baute, u. a. auch für die Klöster Tegernsee, Neustift bei Freising und Raitenhaslach (vgl. die Seite Orgelgalerie mit Bildern der eingerüsteten Kirche und der Orgel). Auch das Altarretabel ist mittlerweile nicht mehr durch ein Duplikat verhängt. An den Wandpfeilersockeln im Langhaus und in den Abseiten sind zudem Kabelschächte der ehemaligen Elektrifizierung zu erkennen. In diesem Bereich werden noch Putzarbeiten anfallen. Mit der Restaurierung hielt Hightech in der Klosterkirche einzug. So wurden am Gewölbefuß, oberhalb des Gesimses hoch sensible Messgeräte installiert, die ständig die Gewölbestatik überprüfen und etwaige Bewegungen registrieren.

 

Photo Martin Höppl Photo Martin Höppl

Westempore mit teilweise eingerüsteter Orgel, sowie unverputzter Sockel der nördlichen Abseite (Wandpfeiler) - Photos Martin Höppl

 

Bis Sommer werden die letzten Restaurierungsarbeiten abgeschlossen sein. Schon jetzt erstrahlt der Innenraum in neuem Glanz. Wie immer nach Renovierungskampagnen an spätbarocken Raumschalen, verblüffen die Helligkeit und Buntfarbigkeit der gereinigten Fresken und vergoldeten Rocaillen. Vielerorts müssen sich Ortsansässige erst daran gewöhnen, dass ihre vormals in gedeckten Tönen gehaltene Kirche nun wie Marzipan und Lametta glänzt. Ein vergleichbarer Effekt war auch nach der Wiedereröffnung der Dresdner Frauenkirche zu beobachten, bei der nicht die Farbigkeit des frühen 20. Jahrhunderts, sondern annäherungsweise die Fassung der Erbauungszeit (1726-43) rekonstruiert worden war. Jede Restaurierung ist eben auch zu einem Teil eine Rekonstruktion, wenngleich man heute glücklicherweise meist nicht mehr versucht, einen purifizierten Ursprungszustand zurückzugewinnen.

 

 Photo Martin HöpplPhoto Martin Höppl

Hauptfassade und Infotafel - Photos Martin Höpp

 

 

Auf der Tafel zur „Instandsetzung der Klosterkirche St. Dionys und Juliana in Schäftlarn“, die vor einigen Jahren neben der Hauptfassade aufgestellt wurde, finden sich die Basisdaten zur aktuellen Kampagne: Als Bauherr wird das Bayerische Staatsministerium für Untericht und Kultus genannt, als Nutzer die Benediktinerabtei Schäftlarn. Die technische und geschäftliche Oberleitung liegt beim Staatlichen Bauamt München 1. Außerdem beteilitgten sich zahlreiche Planungs- und Ingenieursbüros sowie Restauratoren und das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege. Zahlreiche private Spender, die für einzelne Teilstücke der Malereien gewissermaßen Patenschaften übernommen haben, haben die Restaurierungsarbeiten möglich gemacht.

 

Photo Martin HöpplPhoto Martin Höppl

Spendentafel und Hauptfresko - Photos Martin Höppl

 

Ausflugstipp: Für alle Barockfans bietet sich im Frühjahr und Sommer ein Ausflug zum Kloster Schäftlarn an. Man erreicht es einfach per S-Bahn. Von der Haltestelle Ebenhausen-Schäflarn aus benötigt man zu Fuß etwa 20 Minuten. Der Fußweg zweigt am nördlichen Ortsausgang (B11/Wolfratshausener Str.) vom Rodelweg ab und stößt gegenüber der Kirche auf die Klosterstraße. An dieser Stelle steht auch ein altes Schulgebäude für das bisher (offensichtlich) die Gelder zur notwendigen Instandsetzung gefehlt haben.

3 Kommentar(e)

  • Ioana Herbert
    24.01.2011 19:31

    In Murnau war ich im Dezember, am ersten oder zweiten Weihnachtstag. Die Kirche war leer, es war ziemlich viel Weihrauch und ich war von dem goldenen Prunk der Kanzel überwältigt. Es gibt viel sehenswerter Barock in Bayern, aber ich habe noch nicht so viel davon gesehen. Raitenhaslach kenne ich noch. Eine wunderschöne Anlage, die vor Jahren, als ich sie besuchte, noch restauriert werden sollte. Man kann sich wirklich nicht satt sehen an der Architektur, den Gemälden, dem Ornament! Und wenn all das von der klassischen Moderne begleitet wird - wie in Murnau -, oder von zeitgenössischer Kunst - manchmal sind solche Experimente durchaus gelungen -, ist es ein Fest! Auf Kochel und dem Franz-Marc-Museum wurde ich bei der Gelegenheit auch neugierig.

  • Martin Höppl
    24.01.2011 15:50

    Danke! Die habe ich mit meiner neuen Canon gemacht. Durch St. Nikolaus habe ich schon mehrmals Architekturführungen angeboten. Sie gehört zu den absoluten Ausnahmebauten des Spätbarock im Voralpenland. Man kann dort vom Syrischen Bogen über das Acht-Arkaden-Polygon bishin zur Zwickelabseite ziemlich viel Fachterminologie ausprobieren. Das Schlossmuseum besuche ich seit vielen Jahren immer wieder. Mit Studentengruppen haben wir uns auch schon öfter das Münterhaus und das Franz-Marc-Museum in Kochel angeschaut.

  • Ioana Herbert
    28.12.2010 19:02

    Sehr schöne Photos! Danke auch für den Ausflugstipp! Den Anfang zur Erkundung des bayerischen Hinterlandes habe ich soeben mit Murnau absolviert. :) Die dortige barocke Kirche (St. Nikolaus) ist zwar nicht so schön restauriert, aber dennoch sehenswert und allemal eine willkommene Ergänzung zum Schlossmuseum (http://www.schlossmuseum-murnau.de/) und Münterhaus. Schäftlarn (wie andere barocke Sehenswürdigkeiten in der Umgebung) sehe ich aber doch lieber in der kommenden, warmen Jahreszeit!

Kommentar

Kontakt

Kommentar

Absenden