blog.arthistoricum.net

Zuviel Farbe!

Die Ausstellungsarchitektur hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. In dem sogenannten „White Cube“, dem weißen, neutralen Ausstellungsraum seit Olbrychs Wiener Sezessionsgebäude, lässt man Kunst nur noch zu, wenn sie modern und installativ ist. Klassische Werke werden seit einigen Jahren aufwändig inszeniert, und dabei spielt die Wandfarbe eine wichtige Rolle. In der Frankfurter Schirn Kunsthalle kam die aktuelle Courbet-Ausstellung vor leuchtend roten Wänden zur Hängung, eine Farbe, die Courbet zur Signatur verwendete, so die Begründung des Ausstellungsinitiators Klaus Herding. Man möchte einwenden, dass Courbet mit diesem Rot zwar signierte und Bildgegenstände akzentuierte, aber es sehr gezielt und nur an wenigen Stellen aufscheinen ließ. Den Bildern nun die rote Dominanz des Umraums zuzumuten, erscheint mir als eine Überhöhung der Ausstellungsarchitektur gegenüber den Kunstwerken und hat für mich die Frage aufgeworfen, welche Hintergrundfarbe hier angemessen wäre. Denn auch der White Cube ist letztlich ideologiebefrachtet, wie man bei Marion Ackermann (Farbige Wände. Zur Gestaltung des Ausstellungsraumes von 1880 bis 1930, München 2003) lesen kann, und es ist den Ausstellungsmachern nicht zu verdenken, dass sie die Exposition zu einem Erlebnisraum für die Besucher machen möchten. Der Erfolgsdruck ist bekanntlich hoch. Doch den Bildern tut es nicht gut, was 2008 schon in der Hans-von-Marées-Ausstellung im Wuppertaler Von der Heydt-Museum festzustellen war: Die leuchtend rote Wandfarbe verändert das kühlblasse Inkarnat in einen grünlich-gelben, schmutzigen Hautton, den ich bei der Betrachtung als sehr störend empfinde. Ein sanfterer Gegenpol, von weniger Frische und Kraft, abgetönt zu einem Rotbraun wäre vielleicht eine alternative Wandfarbe.

7 Kommentar(e)

  • Die Hängung auf knallbunten Wänden ist ja nicht ganz neu - ich erinnere mich noch an den Schock nach der entsprechenden Umgestaltung der Expressionisten-Räume im Lenbachhaus (Ende 80er oder Anfang 90er Jahre?) - und die Erkenntnis, wie platt und rein dekorativ ein Kandinskygemälde wirkt, wenn es auf einer Wand hängt, die in einer dem Gemälde entnommenen Farbe gestrichen ist. Das Echo in der Öffentlichkeit war damals, soweit ich mich entsinne, aber sehr gut.

  • An eine Nachstellung historischer Ausstellungsarchitektur habe ich nicht gedacht, als ich die Frage nach der Einbettung in den historischen Kontext mittels der Farbgebung stellte. Vielmehr schien mir der Gedanke gewinnend, ein allseits bekanntes, politisches Engagement des Künstlers und das damit verbunde Bild eines "Heros linker Kunstgeschichte" (s. hier "Courbet in Frankfurt") symbolisch durch eine Farbe zu ersetzen und so in subtiler Weise auszublenden, gar im wahrsten Sinne des Wortes (für den Augenblick einer anderen Sichtweise auf ihn) in (auf!) den Hintergrund zu drängen. Ausstellungen sind auch Inszenierungen und manchen Kuratoren wären solche Gedankengänge durchaus zuzutrauen... :)

    Sicher wäre eine Holzvertäfelung der ideale Hintergrund für Courbet. Da kann ich nur zustimmen! Aber das grün schimmernde Inkarnat seiner Gestalten bei dieser Ausstellung (wie ich das auf dem kurzen Video im Internet zu erkennen meinte) ergänzt das Bild des "Phantasten" auch nicht schlecht.

  • Isa Bickmann
    05.11.2010 09:08

    Im 19. Jahrhundert neigte man zu einer starken Überfrachtung der Ausstellungswände. Auf der Weltausstellung 1855, wo ja auch Courbet ausgestellt hatte, war z.B. eine Einzelbetrachtung der Gemälde kaum möglich. Stichwort "Peterburger Hängung". Oftmals hingen die Werke auf Tapeten oder mit Stoffen bespannten Wänden. In der Pariser Galerie Durand-Ruel zog man farbige Wände vor, um eine "private Atmosphäre" zu erzeugen. Wie farbig die waren, ist wohl nicht bekannt. Die oben genannte Publikation von Marion Ackermann erläutet ausführlicher Whistlers Ansatz, der seine Ausstellungen sehr bewusst inszenierte, wohl aber gedämpftere Farben bevorzugte, zumindest ist nirgendwo von solch einem starken Rot die Rede. Die Neoimpressionisten haben 1888 auf grauer Wandbespannung gehängt. Auch Lenbach präferierte gedämpftere Töne (alles nachzulesen bei Ackermann). Als erster "White Cube" gilt Olbychs Secessionsgebäude in Wien (1898).
    Hätte die Kunsthalle Schirn eine historische Ausstellungsarchitektur nachstellen wollen, dann fehlen die Pflanzen und Teppiche, die man auf vielen alten Aufnahmen sehen kann. Mir ist eine Fotografie des großen Oberlichtsaales der Kunsthalle Baden-Baden bekannt, aus dem Eröffnungsjahr 1909, wo Teppiche liegen, mit gemusterten Stoffen bedeckte Sitzbänke und Lorbeerbäume inmitten des Raumes stehen. Die Wände sind eindeutig farbig gestrichen, in welcher Farbe ist mir nicht bekannt. In Privaträumen gab es oft holzvertäfelte Wände, meiner Ansicht nach der ideale Hintergrund für Courbet.
    Ich finde das Thema sehr interessant und freue mich über weitere Informationen und Literaturempfehlungen.

  • p.s. Sind eigentlich Kataloge vom und Chroniken zum Salon schon im Netz?

  • >wie sahen denn damals die Wände aus?

    Keine Ahnung! Die Chroniken, die ich kenne (wenige!) sprechen in der Regel, in akademischer Tradition über die Bilder und nicht über die Wände. Die Hängung wird ohnehin so dicht an dicht gewesen sein, dass die Wandfarbe kaum eine Rolle gespielt haben wird. Ist aber nur eine Vermutung! Sollte mit der Farbgebung der Wände in der Schirn eine Einbettung in den historischen Kontext versucht worden sein? Interessant!

  • Bleistifterin
    04.11.2010 17:16

    Interessante Überlegung... wie sahen denn damals die Wände aus? Bspw. im Salon - die waren doch auch gestrichen oder tapeziert oder so ähnlich - vielleicht sollte man das mal versuchen nachzuempfinden, mind. in einem Raum...

  • Das stimmt! Mir ist auch schon aufgefallen, dass die Wände in Ausstellungen immer farbenkräftiger werden. Aber gestört hat es mich bislang nicht. Im Gegenteil: es hat mir gefallen, obwohl es manchmal tatsächlich die Stimmung zu stark beeinflusst. Die Wirkung in der Schirn kann ich nicht beurteilen, weil ich die Ausstellung noch nicht gesehen habe, aber den ideologischen Zusammenhang hätte ich darin wahrscheinlich nicht erkannt. Rotbraun wäre vielleicht zu dunkel (sogar düster?) gewesen, wenn die Akzente tatsächlich auf einen introvertierten Courbet fallen. Recht mutig eine auf Subjektivität zentrierte Kunstschau auf Rot zu präsentieren...

Kommentar

Kontakt

Kommentar

Absenden