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Wissenschaftliche Communities im WWW

Ich komme gerade von einer Konferenz zurück, bei der web-gestützte wissenschaftliche Communities im Bereich der Editionswissenschaften Thema waren. "Edition" klingt dabei spezieller als es hier gemeint ist: Eigentlich sind alle Präsentationen wissenschaftlicher Ergebnisse einschließlich ihrer Erstellung angesprochen, bis hin zur klassischen Publikation.

 

Eine besonders faszinierende Anwendung ist Muruca, eine Open Source Anwendung für semantische digitale Bibliotheken, die im Umfeld der Pisaner Scuola Normale Superiore und der Universität Ancona entstanden ist. "Open source" heißt: die Software ist frei zugänglich (was nicht heißt, dass sie nichts kostet, da sie jeweils für die eigenen Bedürfnisse angepasst werden muss), semantisch meint - dilettantisch ausgedrückt - den Versuch, über Ontologien die Datenmassen sinnvoll zu strukturieren. Der Witz bei der Geschichte ist, dass eine kooperative Dimension zu realisieren ist, die mir immer mehr das eigentliche Plus des WWW zu bilden scheint: Eine Gruppe von Personen kann gleichzeitig auf den Datenbestand zugreifen (im Extremfall: alle mit dem Internet verbundenen) und die Daten eingeben, bearbeiten, annotieren, korrigieren etc. pp. Egal, ob das Texte, Bilder, Töne oder Filme sind. Wenn man genau zusieht, ist das exakt das, was die Wissenschaft tut. Also ein Beispiel: Mit einer Gruppe von Kollegen möchte ich eine neue Gesamtausgabe der Werke Arnold Böcklins erstellen. Die Bilder werden gespeichert, jeder zugelassene Benutzer kann dazu seine Annotationen machen, eigene Kommentare, Verweise auf ikongraphsiche oder bibliographische Quellen, Referenzen im WWW (wie etwa die Publikationen in google books) etc. Das funktioniert mit muruca auf äußerst elegante und bequeme Art und Weise. Zum Teil des großen semantic web wird es schließlich, indem ich die Zugänglichkeit verallgemeinere und jeden Internet-Benutzer zugreifen lasse (gewöhnlich nur als Leser, eventuell aber auch als Produzenten). Das ist momentan sicherlich noch Utopie, da kaum jemand gewillt ist, sein eigenes Wissen einfach so der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Aber wenn akademische Qualifikationsmechanismen erst einmal auf diese neuen Formen der Wissensproduktion reagieren und das social web sich endgültig jenseits von solchen zweifelhaften Anwendungen wie facebook im wissenschaftlichen Leben etabliert hat, sollte sich das radikal ändern.

 

Und noch etwas: Die DFG bietet in ihrem Programm im Bereich Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informationssysteme die Möglichkeit, entsprechende Projekte zu finanzieren. Es wäre schön, wenn die Kunstgeschichte dort ein wenig massiver vertreten wäre!

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