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Kirchner-Retrospektive im Städel

170 auf einen Streich: Das Städel Museum in Frankfurt wirbt für seine Kirchner-Retrospektive mit Quantität, dies geschieht aktuell auch in Berlin im Fall der Frida Kahlo-Retrospektive. In der FAZ ist von „Leistungsschau“ die Rede. Dabei möchte man meinen, dass gerade eine Retrospektive einen repräsentativen Überblick über das Œuvre eines Künstlers bieten möchte und man fragt sich, warum in Rezensionen hauptsächlich die Quantität zur Sprache kommt. Nun ist es mal schwer, mal weniger schwer, andere Museen zu überzeugen, ihre Gemälde auszuleihen. Das Städel war hier leicht im Vorteil, besitzt es doch weltweit eine der größten Kirchner-Sammlungen, da bereits 1919 erste Werke gekauft wurden und später diejenigen des Sammlers Carl Hagemann hinzukamen. Man besitzt im Städel sogar so viele Gemälde, dass man vor Beginn und kurz vor Ende der Ausstellung zwei bislang unbekannte bzw. bisher nicht in Farbe abgebildete Werke präsentieren konnte. Dienstag wurde der Presse das Gemälde „Akt im Atelier“ gezeigt, das sich auf der Rückseite der „Szene im Wald (Moritzburger Teich)“ befindet und vor Ausstellungsbeginn ist bereits ebenfalls eine Rückseite, nämlich die „Liegende Frau im weißen Hemd“ als Verso-Seite der „Nackten Frau am Fenster“, aufgetaucht. Zwei Glücksfälle für die Forschung!

 

 

Weniger glücklich ist nun der Umstand zu nennen, dass die „Liegende Frau im weißen Hemd“ wenige Wochen nach Ausstellungsbeginn auf „Meisterwerke-Tour“ geschickt wurde. Auch hätte man sich als früher Museumsbesucher und Kunsthistoriker gewünscht, die Rückseite in der Tat als ebensolche zu Gesicht zu bekommen. Eine beidseitige Präsentation nicht nur dieses Werkes wäre wünschenswert (gewesen), finden sich doch in der Ausstellung mehrere doppelseitig bemalte Leinwände wie etwa das seit 1933 erstmals wieder zusammenhängend ausgestellte Triptychon „Badende Frauen“. Man hätte auch in der Ausstellungsarchitektur mit der Rückseitenthematik spielen und das Vorne und Hinten bzw. Innen und Außen thematisieren können - jüngst wurde beispielsweise in der Marbacher Schau „Randzeichen. Drei Annäherungen an den schöpferischen Prozess“ wunderbar in der Ausstellungsarchitektur mit dem „Rand“ gespielt. Vielleicht fehlte im Städel aufgrund der Quantität der Platz.

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