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Zensur

Vor einigen Monaten erhielt ich Post von Joseph Weiler, dem Herausgeber des auch online erscheinenden European Journal of International Law. Er bat mich um einen Kommentar zu einem wahrhaft skandalösen Fall. Eine in Israel lehrende Juristin war in seinem Journal von einem Kölner Strafrechtler kritisch rezensiert worden. Das passte ihr nicht, und nun wollte sie, dass die Rezension entfernt werde. Der Herausgeber verweigerte das und machte auf die Möglichkeit aufmerksam, einen Kommentar zu schreiben. Das reichte der Verfasserin nicht, die in Frankreich einen Prozess anzustrengen drohte. Jetzt ist es soweit: Wie die FAZ von gestern in einem umfangreichen Beitrag berichtet, wurde Kollege Weiler von einem Pariser Gericht einbestllt. Sollte es tatsächlich möglich sein, dass die Meinungsfreiheit in der Wissenschaft inzwischen von Gerichten bedroht wird? Es dürfte kein Zufall sein, dass sich die Klage gegen eine online erschienene Rezension richtet. Die kann man ja so schön leicht wieder herausnehmen. Die Einstampfung einer ganzen gedruckten Ausgabe wäre wohl nicht gefordert worden. In jedem Fall bleibt eins festzuhalten: Wenn dieses Pariser Gericht der Klage stattgibt, brechen für wissenschaftliche Meinungsäußerungen schwere Zeiten an.

3 Kommentar(e)

  • Dottore
    09.06.2010 06:42

    Mag sein, dass man sich in der französischen Presselandschaft mit Verrissen zurückhält, doch gibt es da... vielleicht sogar anders als sonstwo... eine virulente Kunstkritik..., die im übrigen auf eine lange Tradition zurück blicken kann... die nicht zuletzt im Ancien Règime ihren Beginn nahm..., das sicherlich insgesamt zu Recht :) kritisch zu betrachten ist..., was jedoch nicht heißen soll, dass man über Details hinwegsehen muss..., zumal die akademischen wie die außerakademischen Querelles die Bildung eines öffentlichen Diskurses gefördert haben..., das gewiss seine entscheidenden Impulse viel später erfahren hat... nicht desto trotz gesagt werden kann, dass... auch wenn man nicht die Poussinisten gegenüber den Rubenisten absetzen will... doch kann nicht außer Acht gelassen werden..., selbst wenn... :D
    Eigentlich wollte ich nur sagen, dass ich es überhaupt nicht lustig finde, wenn ich aus Frankreich eine Internetseite nicht abrufen soll können, nur weil eine Autorin - zudem eine Rechtswissenschaftlerin - die Spielregeln verletzt und eine fachliche Auseinandersetzung in ein Gerichtsgebäude verlegen will. Ich finde das überhaupt nicht gut, um nicht zu sagen, dass ich das sehr schlecht finde... und auch nicht verstehen kann, warum sie nicht die Möglichkeiten des Web 2.0 nutzt? Danke! :)

  • Hubertus Kohle
    04.06.2010 07:39

    Ja Herr Graf, ich fürchte nur, dass das im französischen Recht anders aussieht. Vielleicht muss dann die Seite für Frankreich gesperrt werden :-) Übrigens könnte das ein Grund dafür sein, dass französische Rezensionen so weit ich sehe eigentlich nie Verrisse sind!

  • Klaus Graf
    04.06.2010 00:21

    http://archiv.twoday.net/stories/6211585/ Ich habe von meinem Anwalt noch nichts gehört, obwohl fest stehen müsste, ob die Gegenseite, die verloren hat, in Berufung gegangen ist. Kurios: in meinem Fall wehrte sich nicht der rezensierte, sondern eine Wissenschaftlerin, die von dem Rezensierten auffällig häufig zitiert worden war, was ich süffisant anmerkte. Dass ich sie als Koryphäe bezeichnete, soll eine Beleidigung gewesen sein. Der Amtsrichter in Trier wies die Klage ab.

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