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Finanzkrise erreicht Kunstbibliotheken

Am 15. August meldete die Los Angeles Times, dass die UCLA als Reaktion auf Haushaltskürzungen drastische Sparmaßnahmen plant. Ein potentielles Opfer dieser Streichungen ist die Arts Library, die mit rund 270.000 Bänden zu den wichtigen Bibliotheken im Kulturbereich von LA gehört. Der Plan sieht eine Schliessung der derzeitigen Räumlichkeiten und eine teilweise Zusammenlegung mit einer anderen Bibliothek der UCLA vor. Eine Entscheidung soll im Herbst oder Winter fallen. Link zum Artikel: http://latimesblogs.latimes.com/culturemonster/2009/08/ucla-has-arts-library-on-chopping-block.html

 

Die interessante und differenzierte Kommentierung der Zeitungsmitteilung berührt einige der wesentlichen Fragen, denen sich die Kunstbibliotheken in Zukunft stellen müssen. Die Spannweite der Äußerungen reicht von "verkauft die Bücher, solange ihr noch was dafür bekommt" bis zur Beschwörung der Bibliothek als unverzichtbarer sozialer Ort. Auch wird die Frage, ob die Digitalisierung die besondere Materialität des Kunstbuchs wiedergeben kann oder ob der Wechsel des physischen Trägers eine Form von Zensur ist, kontrovers diskutiert. Für die Kunstbibliotheken könnte die Mischung aus Finanznot, Zwang zur Rationalisierung und schnell fortschreitender Digitalisierung unruhige Zeiten ankündigen.

4 Kommentar(e)

  • keimelion
    21.08.2009 09:45

    Ich glaube nicht, dass die "Jungs aus Kalifornien" besser sind. Man dürfte nur dort andere Prioritäten setzen als hierzulande. Wenn ich für jede zweite Fußnote mal kurz über den großen Teich fliegen müsste, um eine seltene Publikation aufzuschlagen, würde ich mir auch allmählich überlegen, ob es nicht besser wäre, die Totenregister sämtlicher Kirchen, alle Nachlassverzeichnisse und viele der Ahnentafeln im Netz zu haben.

  • Dr. Rüdiger Hoyer
    20.08.2009 14:45

    Nachtrag: "Die besondere Materialität des Kunstbuches” ist allerdings noch nicht durch das Digitale ersetzt worden, und was bei dem Google-Projekt für die Kunstgeschichte abfällt, wäre erst einmal zu untersuchen.

  • Dr. Rüdiger Hoyer
    20.08.2009 14:34

    Bei genauerer Lektüre scheint es hier mitnichten um die Abschaffung einer Kunstbibliothek zu gehen, wie in der deutschen Presse insinuiert, sondern um eine Rationalisierung der Verwaltung des kunsthistorischen Bestandes einer großen UB. Joachim Brand schreibt: "Für die Kunstbibliotheken könnte die Mischung aus Finanznot, Zwang zur Rationalisierung und schnell fortschreitender Digitalisierung unruhige Zeiten ankündigen.". Tatsächlich dürfte wie in der UCLA künftig noch aufmerksamer bewertet werden, welche Standorte und welche Sammlungen finanziert werden sollen und welche eher nicht. Heruntergebrochen auf die deutschen Verhältnisse sollte das ein Ansporn sein, die Exzellenz der wenigen wirklich großen deutschen universitätsunabhängigen Kunstbibliotheken, z.B. in Berlin, Köln und München, noch stärker herauszukehren.
    Was das Digitalisieren angeht: Alle Massendienstleistungen im Kontext der EDV-Konversion analoger Informationen sind bei externen, professionellen Anbietern besser aufgehoben, nicht nur aus den von Kohle genannten Gründen, sondern weil die Betriebsstrukturen von Bibliotheken darauf nicht ausgerichtet sind. Daran ist aber auch gar nichts Schlimmes, denn hoch renommierte Bibliotheken wie die Bayerische Staatsbibliothek arbeiten anscheinend gut und effizient mit Google zusammen. Man sollte sich freuen, daß diese Erkenntnis nun, wenn auch spät, bis Paris vorgedrungen ist.

  • Hubertus Kohle
    20.08.2009 06:41

    Wenn man hört, dass die Pariser Bibliothèque Nationale jetzt nach jahrelangem Widerstand - begründet in dem vom ehemaligen Direktor Jeanneney lancierten Versuch, eine europäische Digitalisierungsalternative auf die Beine zu stellen - aufgegeben hat und ihre Schätze von google verarzten lässt, dürfte es in dem hier beschriebenen Fall auch nicht anders gehen: "Die besondere Materialität des Kunstbuches" wird dann zu einer epistemologischen Quisquilie. Wenn ich ehrlich bin: mir gefällt's! Besser auf die besondere Materialität verzichten als auf das ganze Buch.
    Übrigens mal eine Frage, die nicht direkt hierhin gehört: Warum kann google eigentlich billiger digitalisieren als die Bibliotheken? Liegt's daran, dass es sich nicht oder weniger an Sozialgesetzgebungen halten muss? Oder an der - hier nur vermuteten - niedrigeren Drehzahl des öffentlichen Dienstes? Oder sind die bösen Jungs aus Kalifornien einfach besser?

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