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Die Welt der Kunst in Google Earth

Anfang des Jahres kündigte das Google Earth Team in seinem hauseigenen Lat Long Blog die Verfügbarkeit einer neuen Ebene innerhalb der digitalen Weltkugel Google Earth an, die die digitale Visualisierung von Kunstwerken in bisher ungeahnter Qualität ermöglicht.  Die Neuigkeit wurde schnell durch die Medien aufgegriffen und schaffte es sogar unter dem reißerischen Titel "Google erobert Museen" ins Feuilleton der FAZ.

Die Welt zu Gast im Prado

Rubens, Die drei Grazien, ca. 1635, in der Google Earth Ansicht

In Kooperation mit dem Madrider Prado Museum wurden mit erheblichen Technikaufwand 14 der wichtigsten Meisterwerke des Museums digitalisiert, darunter  Dürers Selbstporträt von 1498,  Rogier van der Weydens Kreuzabnahme und  Diego Rodríguez de Silva y Velázquez' "Las Meninas".

 

Mit Spezialkameras wurden die Bilder in einer sehr hohen Auflösung von bis zu 14 Gigapixel pro Bild fotografiert, was Bilddateien erzeugt, die mit handelsüblichen Rechnern für Privatanwender kaum mehr zu verwalten sind. Einen Eindruck des betriebenen Aufwands vermittelt ein kurzes Video auf YouTube. Der Clou ergibt sich erst in der Kombination der Bilddaten mit Google Earth. Google Earth ist eine Anwendung von Google, die sich jeder in der Standardversion kostenlos herunterladen und installieren kann. Ihr primärer Zweck ist die Anzeige eines virtuellen Globus, auf dem frei navigiert werden kann. Doch die Software kann weit mehr als "nur" Landkarten anzeigen.

Google Earth Logo

 

Hinter Google Earth steckt eine Technologie, die hochauflösende Bilder über das Internet stufenlos so an die lokal installierte Software weiterreichen kann, dass immer nur die Details in der Auflösung zu sehen sind, die gerade benötigt wird. Wenn Sie sich ihr Haus in München hochauflösend anschauen, braucht im lokalen Rechner keine hochauflösende Version von Hamburg vorzuliegen. Erst wenn Sie Hamburg anfliegen, werden die benötigten Details nach und nach von den Google Servern nachgeladen. Mit dieser Methode können nun auch die Bilder des Prado in ihrer vollen Auflösung auf Rechnern angesehen werden, auf denen Google Earth ausgeführt werden kann.

Giga-Pixel-Panoramen

Google Earth im Prado Screenshot

Das Anzeigen großer Bild(-dateien) in Google Earth ist keine neue Funktionalität. In der aktuellen Version finden sich in der Ebenenauswahl auf der linken Seite unter dem Punkt "Galerie" die Einträge "Gigaspan Photos" und "Gigapxl Photos". Aktiviert man beide Punkte, stehen an ausgewählten Orten hochauflösende Bilder zur Verfügung. Beispielsweise kann man in Kiel den Panoramablick vom Universitätsgebäude genießen. Die Panoramen werden als gebogene Leinwand oder Kugeln angezeigt, die gleichsam auf dem Boden zu stehen schein. Durch einen Doppelklick auf ein solches Panorama wechselt Google Earth in den sog. Fotomodus. Der Betrachter scheint an dem angegeben Ort zu stehen, kann frei "den Kopf" bewegen und in das Bild hinein zoomen.

Dürer, Selbstporträt, 1498 (Detail)

 

Auf die gleiche Weise werden die Bilder des Prado visualisiert. Dazu gibt man einfach "Prado, Madrid" in das Suchfeld von Google Earth ein und fliegt nach Spanien. Hat man die Ebene "Geografie im Web" aktiviert, wird am Haupteingang des Prado ein weißes Schild angezeigt. Ein einfacher Klick darauf zeigt in einer Übersicht die momentan verfügbaren "Masterpieces" des Prado. Ein weiterer Klick zeigt eine Karteikarte des Werks mit den wichtigsten Grunddaten. Dort findet sich auch ein Link zum hochauflösenden Digitalbild. Nach Betätigung dieses Links wechselt Google Earth in den Fotomodus, und nun kann man stufenlos in das gewählte Werk hinein zoomen. Und die Auflösung und Detailschärfe ist wirklich beeindruckend. Wenn Sie es nicht schon längst wissen, versuchen Sie doch einmal herauszufinden, auf welchem Werk sich die hier gezeigte Figur befindet.

 

Das Versprechen des digitalen Bildes

Google Earth löst damit ein Versprechen ein, dass das digitale Bild seit seiner massenhaften Verbreitung gegeben hat. Jeder, der die Umstellung von der klassischen Diaprojektion zur digitalen Projektion an seinem (kunsthistorischen) Institut begleitet hat, kennt die unvermeidliche Aufforderung bei der Vorführung des ersten Digitalbildes: "So, und jetzt vergrößern sie doch mal die Unterschrift des Künstlers auf Bildschirmgröße ...". Die Unmöglichkeit, diesem Wunsch bei gleichzeitigem Erhalt einer hohen Auflösung nachzukommen, führte nicht selten dazu, die gesamte digitale Projektion in Frage zu stellen.

Die Konkurrenz schläft nicht

Microsoft Photosynth Logo

So innovativ diese Technik auch klingt, Google ist nicht die einzige Firma, die damit experimentiert. Googles Konkurrent Microsoft hat nicht nur auch einen virtuellen Globus im Angebot, sondern hat mit Seadragon und Photosynth eine Technologie im Portfolio, der sich als überlegen erweisen könnte. Man schaue sich nur einmal an, was Blaise Aguera y Arcas, einer der Entwickler, in diesem Video mit einer BMW-Werbung anstellt. Mehr dazu vielleicht in einem der nächsten Beiträge. Wer schon einmal hereinschnuppern möchte: Photosynth gibt es inzwischen auch für den Heimgebrauch.

 

 

Neben aller technischen Raffinessen steht das Prado Museum in Google Earth auch noch für etwas anderes, nämlich für einen selbstbewussten Umgang mit öffentlichem Eigentum und http://open-access.net/de/allgemeines/was_bedeutet_open_access/

2 Kommentar(e)

  • Gehmann
    08.06.2009 22:21

    Die Frage, die aus meiner Sicht übrig bleibt: welche sinnvollen Projekte werden - bzw. können - mit diesen
    - Massen an Material
    - verfügbar in bisher nie dagewesener technischer Qualität
    möglich sein? Um der Gefahr zu entgehen, sich in technischen Einzelheiten zu verlieren derart, daß nur noch über das Wie, nicht aber über das Was = den Sinn & Zweck der ganzen Übung gesprochen wird.

  • Albrecht Pohlmann
    12.03.2009 21:58

    Tatsächlich - so nah lassen einen die Museumswächter im Prado nicht an die Bildoberfläche, wie dies hier möglich ist. Von verschiedenen Rechnern aus habe ich mich schon hineingeklickt, meine alte Kiste hier hatte Probleme und blieb noch vor den größten Vergrößerungen stecken, so daß die kleinsten Details nur ziemlich "verpixelt" stehenblieben. Der Museumsrechner schaffte es zwar, stürzte aber danach jedes Mal ab. Immerhin reichte es, um Blicke zu erlangen, die sonst allenfalls Detailfotos in restauratorischen Spezialpublikationen bieten - und hier kann man solcherart Blick auf jede Bildpartie haben.
    Der Restauratoren-Blick erspähte im Gesicht von Fra Angelicos Verkündigungsengel die winzigen Fehlstellen und die minimalen Retuschen, am kleinen Finger von Rembrandts Artemis eine gelbliche Lasur ...
    Mit den meisten sonstigen Reproduktionen teilen diese hier die Eigenschaft, Oberflächeneigenschaften wie Glanz und vor allem Relief weitgehend zu nivellieren. Macht sie die Beleuchtung bei der Aufnahme sichtbar, leiden Farbigkeit und Ausgewogenheit der Aufnahme. - Alles in allem jedenfalls ein Genuß, der die zahlreichen "Abstürze" wert war!

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