Beitrag

Blick über die Grenze – Daumier und die Preußen

Daumier, Honore: "Aprés la pompe à sang, la pompe à or" vom 26. Oktober 1871 ©Daumier-Register

In den nächsten Tagen schlagen die Preußen ihre Zelte in Baden-Baden auf. Es handelt sich dabei nicht etwa um eine improvisierte Notunterkunft, sondern um eine Ausstellung im Rahmen des Projekts "Danke Berlin" aus Anlass des 200-jährigen Jubiläums der preußischen Rheinlande. Sie etablierten sich dort und anderswo als neue Herrscher in alten Posen und machten sich anfangs selten beliebt.

Die Ausstellung im Museum LA8 in Baden-Baden, die sich diesem Thema annimmt, wird natürlich auch den kritischen Blick der Zeitgenossen zeigen. Einer jener Künstler, die sich ganz besonders intensiv mit der restaurativen Machtpolitik der Preußen auseinandersetzte, war Honoré Daumier. Von ihm sind einige Lithografien stellvertretend für diesen Aspekt ausgewählt. Es wäre ein Thema für sich, den Blick über die Grenze genauer zu analysieren. Im Rahmen der Ausstellung war dies aus Platzgründen nicht möglich, aber vielleicht widme ich mich in weiteren Beiträgen diesem Thema!

Bemerkenswert an den Karikaturen Daumiers zur preußischen Politik ist dessen Kenntnis der aktuellen Ereignisse. In Frankreich herrschte großer Argwohn gegenüber den neuen Nachbarn am Rhein. Deshalb konnte sich Daumier auf diesem Themengebiet trotz – oder gerade wegen? – der sonst bestehenden Zensurbestimmungen regelrecht austoben. Denn diesmal stand er ja in Einklang mit der französischen Außenpolitik. Es war ja schon häufiger ein Ausweg der Karikaturisten gewesen, über die gezeichnete Kommentierung des gerade aktuellen Feindes eine Kritik an der Innenpolitik zu üben und gleichzeitig die Zensur zu umschiffen, weil ja vordergründig etwas ganz anderes angesprochen war. Es heißt also, nicht nur den Text, sondern auch den Subtext zwischen den Zeilen zu lesen.

Ein solches Beispiel findet sich in der Karikatur „Aprés la pompe à sang, la pompe à or“ vom 26. Oktober 1871. Sie zeigt Bismarck, der nach Ende des Deutsch-Französischen Kriegs in Frankreich die Saugpumpe anlegt und in die Goldtaler in seine Pickelhaube gießt. Als übermächtige und finstere Figur agiert Bismarck im Auftrag der Preußen als Sieger über Frankreich. Breitbeinig besetzt er das Land und ist so schnell nicht wieder zu vertreiben. Daumier schildert die Niederlage buchstäblich. Frankreich liegt am Boden – der Schriftzug ist hell unterlegt und leuchtet schon fast aus allem Finsteren des Untergrunds hervor. Ganz im Verborgenen, im Schatten Bismarcks, liegt jedoch noch etwas anderes. Und hier setzt der Subtext im Text ein: Bismarcks breite Fußstellung verschattet den Schriftzug „Europe“ – wie eine finstere Ahnung, dass die Niederlage Frankreichs nur ein Anfang gewesen sein könnte. Das Deutsche Kaiserreich war im Versailler Spiegelsaal glanzvoll zelebriert worden. Es könnte wohl bald noch ganz andere Opfer treffen. Der Hunger Preußens nach Macht schien nicht so leicht zu stillen zu sein. Und Frankreich hatte sich gleich in doppelter Hinsicht ausbluten lassen – durch die vielen Gefallenen und die wirtschaftlichen Folgen aufgrund der hohen Reparationszahlungen, die zu leisten waren. Derweil hatte sich Napoleon III. zunächst in Kassel unter Arrest setzen lassen und befand sich ab März 1871 im Exil in London – wie übrigens auch sein Vorgänger Louis-Philippe im März 1848 dorthin geflüchtet war.

Bald mehr dazu, denn nun drängt wieder die Arbeit am Aufbau der Ausstellung!

0 Comment(s)

Kommentar

Kontakt

Kommentar

Absenden