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Schlaglicht: Zum Umgang mit historischen Druckplatten aus Eisen

Aus dem Nachlass des Kunstgelehrten und -sammlers Joseph Heller (1798–1849) bereichern mehr als zwei Dutzend Druckplatten des 16. bis 19. Jahrhunderts den Bestand der Staatsbibliothek Bamberg. Neben Auftragsarbeiten, die der Illustration seiner zahlreichen Publikationen dienten, konnte Heller historische Druckformen namhafter Künstler erwerben, darunter fünf geätzte Eisenplatten aus den ersten Dekaden des 16. Jahrhunderts. Vier dieser frühen Zeugnisse der Ätzradierung stammen aus der Werkstatt des Augsburger Waffenätzers Daniel Hopfer (1470–1536), der gemeinhin als Erfinder der Technik gilt. Eine weitere hat Albrecht Dürer (1471–1528) eigenhändig bearbeitet, der nachweislich nur sechs Mal in seinem Gesamtwerk mit der Technik experimentierte. 

 

Dass sich die handwerklich-kunstvollen Matrizen erhalten haben, belegt eindrücklich ein wiederholt aufkeimendes Interesse seitens des Sammlertums. Dieses hatte nur zum Teil reinen Liebhaber-Charakter: Über Jahrhunderte, noch lange nach dem Tod des jeweiligen Künstlers, wurden die Platten abgezogen und ihre „neueren” Abzüge getauscht, verschenkt, aber auch veräußert. 

Für zahlreiche Platten aus der Werkstatt Hopfers lassen sich verschiedene Druckkampagnen fassen: Im 17. Jahrhundert kaufte der Nürnberger Verleger David Funck (1642–1709) 230 der Hopfer’schen Platten, nummerierte sie und verbreitete Abzüge in unbekannter Auflage (vgl. Jäck/ Heller 1822, S. 95). Ein knappes Jahrhundert später erwarb der Frankfurter Kunsthändler Carl Wilhelm Silberberg (1757–1824) ein Konvolut von 92 der Hopfer-Platten, ließ sie reinigen und 1802 in einer limitierten Auflage von 60 Exemplaren unter dem Titel Opera Hopferiana in Buchform drucken. Die Reinigung begünstigte das Erscheinungsbild der Abzüge auffallend. Soweit Heller private Besitzer von Druckplatten ausmachen konnte, bat er diese um Abzüge. Am 15. Juni 1821 schrieb er bezüglich Dürers 1515 radierter Platte Christus am Ölbergnach Innsbruck: 

 

Angenehm wäre es mir, wenn ich davon einige neue Abdrücke erhalten könnte.

(vgl. Brief von Heller an Pfaundler, dat. 15.06.1821)

 

Hatte er wiederum selbst Druckformen in seinem Besitz, gab er Abzüge in Auftrag. Hieronymus Hopfers (1500–1563) Kopie der Geburt Christi ließ er 1846 von Carl Mayer (1798–1868) in Nürnberg fünfzigmal abziehen (vgl. Bamberg, Staatsarchiv, Nachlassakten, Nr. 2335/I, Bl. 111v). Ein Inventar, das nach Hellers Tod von seinen Sammlungen erstellt wurde, belegt die Auflagenhöhen noch Jahrhunderte nach Vollendung der Platten. Von der „Geburt Christi” gingen 81, von Dürers „Christus am Ölberg” sogar 138 Abzüge gemeinsam mit den Druckformen aus Hellers Nachlass in den Bestand der damals noch Königlichen Bibliothek Bamberg über (vgl. Heller'sches Kupferstich-Verzeichniß, Bamberg 1850, Bl. 63r). In Joseph Meders (1857–1934) „Dürer-Katalog”, der noch heute für eine relative Chronologie der Druckzustände herangezogen wird, sind die durch den Innsbrucker Johann Georg Schaedler (1777–1866) und Heller als Besitzer der Dürer-Platte erfolgten Drucke nicht einmal erwähnt (vgl. Meder 1932 74.19). Einer fast ein Kilogramm schweren Eisenplatte, die Christoph Bockstorffer (1480–1553) im Jahr 1531 als Illustration zu den Sprüchen Salomos radierte (Signatur: Kupferplatte 28 der Staatsbibliothek Bamberg), sind noch heute 85 Abzüge ohne Inventarnummer beigeordnet, die wohl aus unterschiedlichen Druckkampagnen stammen. In seinem 1858 erschienenen Monogrammen-Lexikon hatte Georg Kaspar Nagler (1801–1866) bereits zu dieser Eisenradierung aus der Hopfer-Werkstatt resümiert: 

 

Dieses Blatt ist im ersten, vollkommenen Abdrucke sehr selten. Es gibt aber auch gute neuere Abdrücke.

(vgl. Nagler Monogrammisten I.959.2294)

 

Betrachtet man insgesamt die Summe der nachweisbar über Jahrhunderte zusammengekommenen Exemplare, so scheint der in der Forschung dogmatisch wiederholte 'rapide Qualitätsverlust' der Radierung bereits ab 100 Abzügen eine durchgängige Verwendung keineswegs ausgebremst zu haben. Um die Platten derart häufig abzuziehen, muss das korrosionsempfindliche Eisen bereits vor der Möglichkeit einer galvanischen Verstählung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entsprechend behandelt worden sein. Die überlieferten historischen Druckplatten sind allerdings bislang noch nicht hinreichend untersucht, die Text- und Bildquellen zum Umgang mit ihnen noch nicht systematisch ausgewertet worden.

 

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Dr. Franziska Ehrl
Universitätsbibliothek Heidelberg

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